63. Peter Röbke: Nachhaltigkeit – Teil 1

Shownotes

Wie lässt sich Nachhaltigkeit im Musikschulalltag konkret leben – jenseits von Photovoltaik und ohne moralischen Zeigefinger? Wenn Musikschule zum Begegnungsraum wird, in dem Schülerinnen und Schüler mehr Zeit verbringen, gemeinsam musizieren und miteinander lernen, kann dies zu längeren Aufenthalten statt 30-Minuten-Takt führen, zu Ensemble- und Community-Arbeit sowie zu nachhaltigerem Mobilitätsverhalten. Welche Haltung braucht es, damit Veränderungen motivieren statt belehren? In dieser Folge sprechen Kristin Thielemann und Peter Röbke über praxisnahe Hebel, die Unterricht, Haus und Umfeld verbinden – für mehr Qualität, Ressourcenschonung und ein besseres Lernen und Leben.

Stefan Theßenvitz: Nachhaltige Musikschulen gestalten die Zukunft. Die Ausgangssituation und Perspektiven, https://www.musikschulen.de/medien/doks/mk23/Dokumentationen/doku_plenum-2.pdf

Prognose zum Energieverbrauch durch KI: DOE Releases New Report Evaluating Increase in Electricity, Demand from Data Centers, https://www.energy.gov/articles/doe-releases-new-report-evaluating-increase-electricity-demand-data-centers?utm_source=chatgpt.com

Ludovico Einaudi: The Arctic Elegy, https://youtu.be/2DLnhdnSUVs?si=rLAI15m4FUemWYol

Bernhard König: Musik und Klima, https://uebenundmusizieren.de/artikel/musik-und-klima/

Sara Beimdieke und Julian Caskel (Hg.): Musik und Klimawandel. Künstlerisches Handeln in Krisenzeiten, https://uebenundmusizieren.de/artikel/musik-und-klimawandel/

Bernhard König: Klimawandel in der Musikschule. Musikschulen müssen sich und ihre SchülerInnen auf eine radikal veränderte Zukunft vorbereiten, https://uebenundmusizieren.de/artikel/klimawandel-in-der-musikschule/

BUND-Nachhaltigkeitsstrategien: Effizienz, Konsistenz, Suffizienz, https://www.bund-bawue.de/themen/mensch-umwelt/nachhaltigkeit/nachhaltigkeitsstrategien/

Werner Helsper: Antinomien und Paradoxien im professionellen Handeln, in: Michael Dick, Winfried Marotzki und Harald Mieg (Hg.): Handbuch Professionsentwicklung, https://www.utb.de/doi/book/10.36198/9783838586229 [Hinweis: Im Podcast nennt Peter Röbke irrtümlich Andreas Helmke als Autor. Wir bitten, dies zu entschuldigen.]

Themenheft Nachhaltigkeit, üben & musizieren 5/2025, https://uebenundmusizieren.de/ausgabe/nachhaltigkeit/

Podcast „Voll motiviert“ #38: Jugend musiziert, https://vollmotiviert.podigee.io/38-jugend-musiziert

Podcast „Voll motiviert“ #62: Die Musikschule als attraktiver Arbeitsplatz – Volker Gerland und Stefan Prophet, https://vollmotiviert.podigee.io/62-gerland-prophet

Website des Verbands deutscher Musikschulen: www.musikschulen.de

Website von Kristin Thielemann: www.vollmotiviert.com

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Transkript anzeigen

00:00:00: Peter Röbke: Ich habe gemerkt, auch in diesem Projekt, aber auch in meinem Alltag und im Gespräch mit Freundinnen und Freunden, dass es gut ist, dieses Thema des nachhaltigen Verhaltens möglichst ohne moralischen Vorwurf anzugehen.

00:00:18: Jingle: Voll motiviert der Musikpädagogik Podcast von Schott Music, dem Verband deutscher Musikschulen und Kristin Thielemann.

00:00:29: Kristin Thielemann: Hallo ihr Lieben. Schön, dass ihr wieder dabei seid. Danke fürs Einschalten. Was hat Nachhaltigkeit mit dem Musikschulalltag zu tun? Gibt es nicht deutlich umweltschädigenderes Freizeitverhalten als ein Musikinstrument zu spielen? Sollen wir engagierten Lehrkräften, die mit ihren Ensembles, Bands oder Chören Konzertreisen machen, diese nun mit Blick auf ihren CO2-Fußabdruck verbieten? Oder gäbe es noch viel mehr Aspekte zum Thema Nachhaltigkeit, die auf den ersten Blick vielleicht gar nicht so sichtbar sind? In der heutigen Folge von "Voll motiviert" habe ich eine wichtige Stimme der Musikpädagogik zu Gast, nämlich Peter Röbke, der viel, viel, viel zu sagen hat. Und das längst nicht nur zum Thema Nachhaltigkeit. Freut euch auf ein echt spannendes Gespräch. Hier kommt er! Hallo, nach Wien! Hallo Peter Röbke. Hey, so schön dich bei "Voll motiviert" dabei zu haben. Danke!

00:01:21: Peter Röbke: Ja, danke Kristin für die Einladung! Ich bin froh, dass wir heute über dieses wichtige Thema reden und freue mich auf die nächsten Minuten oder die nächste Stunde. Whatever. Wir werden sehen.

00:01:31: Kristin Thielemann: Wir werden sehen. Ich bin ganz gespannt. Wie bist du denn dazu gekommen, dich überhaupt mit dem Thema Nachhaltigkeit in der Musikschule zu beschäftigen?

00:01:40: Peter Röbke: Ja, also als die Einladung für diesen Podcast ausgesprochen war, habe ich mich natürlich auch ein bisschen mit meiner eigenen Vergangenheit auseinandergesetzt und habe gemerkt, dass vieles, was mir jetzt in dem Projekt, über das wir heute reden werden, dass es ein Projekt ist mit einer wunderbaren niederösterreichischen Musikschule in der Nähe von Wien, dass vieles an dem Projekt wiederkehrt, was mich eigentlich von Anfang an begleitet hat in meiner Musikschultätigkeit. Ich war ja nicht nur 30 Jahre Professor für Instrumentalpädagogik an der Wiener Musikuni, sondern davor vor allen Dingen zehn Jahre Musikschulleiter in Berlin Wedding. Und was wir dort von Anfang an gemacht haben mit einem Team von jungen Kolleginnen und Kollegen, die mit mir gemeinsam dann quasi da angefangen haben, war nicht nur im Bereich der Musikschule zu bleiben, sondern die besondere Situation in diesem Bezirk, der damals ein Problembelasteter war, sozialer Schwerpunkt war er, ist es, glaube ich, heute immer noch da, eine Musikschularbeit zu machen, die diesen Bezirk beeinflusst und verändert und die so was leistet wie eine musikpädagogische und eine kulturelle Nahversorgung.

00:02:45: Kristin Thielemann: Die kulturelle Nahversorgung. Das ist doch schön gesagt. So muss das sein! Ja. Wie sah denn das aus damals im Wedding?

00:02:53: Peter Röbke: Also, wir haben über Niedrigschwelligkeit nachgedacht. Wir haben das Üben in die Schule reingeholt, weil die Kinder aus Familien kamen, wo kaum eine Möglichkeit bestand, zu Hause zu üben. Wir haben umgekehrt dann im Ort Orte aufgesucht, wo Menschen ohnehin waren, Veranstaltungsorte, Kirchengemeinden usw und haben da unsere Veranstaltungen gemacht und nicht nur im eigenen Saft geschmort usw.

00:03:15: Kristin Thielemann: Für Musikschulkonzerte raus aus dem Schulkontext. Das ist natürlich clever.

00:03:19: Peter Röbke: Also da kam das alles her und dann ging das in Österreich weiter. Ich bin dann zwar Professor gewesen, habe das Fach Instrumentalpädagogik zu bewirtschaften gehabt,

00:03:30: Kristin Thielemann: Bewirtschaften...

00:03:31: Peter Röbke: ...zu entwickeln, Forschung und Lehre usw. Aber natürlich hatte ich diese Musikschulhintergrund und habe von vornherein mit Musikschulen kooperiert. Insbesondere im Umfeld von Wien, wo das schöne Bundesland Niederösterreich ist und wo sehr, sehr viele Musikschulen gibt und eine hohe Versorgung.

00:03:46: Kristin Thielemann: Ja, allerdings, natürlich Niederösterreich.

00:03:48: Peter Röbke: Wir haben einen ganz hohen Anteil bezogen auf die Bevölkerung an Musikschulplätzen. Also, wenn ich das richtig sehe, mindestens doppelt so viel wie in Deutschland. Also Österreich ist ja wirklich ein Musikschulbundesland und da, ja, da spielt man so oft auch Themen eine Rolle. Also was ist die Musikschule Ihrer Gemeinde? Ja, und nicht nur was ist die Musikschule als Musikschule – im eigenen Saft schmoren. Dieses Nachhaltigkeitsthema ist dann massiv gekommen, als ich am Ende meiner aktiven Dienstzeit war in Wien. Es gab ein paar Kollegen im Institut für Musikpädagogik, jetzt muss ich nicht gendern, weil es tatsächlich nur Männer waren, denen das Thema wichtig war. Einer davon war ein regelrechter Klimaaktivist, kann man sagen. Gleichzeitig gab es an der Universität auch eine Initiative für die Grüne MDW. Und wir haben über Ressourcenverbrauch nachgedacht und über Photovoltaik und grüne Energieformen nachgedacht usw. Aber es war uns ziemlich schnell klar, wir müssen das Thema irgendwie auf den Boden bringen. Und wir können das nicht nur in der Weise artikulieren, wie man es für jedwede Institution artikulieren könnte. Denn Photovoltaik kannst du auf jedes öffentliche Gebäude drauf fahren. Das ist jetzt nicht musikschulspezifisch. Und dann haben wir überlegt, wenn wir das wirklich auf den Boden bringen wollen, gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen einer Musikschule, die in der Nähe von Wien ist, möglichst gemeinsam, aber auch mit den Eltern, gemeinsam mit der Kommunalpolitik, gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern. Welche Schule suchen wir uns da? Wo können wir Kolleginnen und Kollegen an der Schule eh schon? Wo haben wir das Gefühl, dass die Musikschulleitung für diese Frage offen ist? Und wo haben wir auch irgendwie, Wo spüren wir, dass die Gemeinde für diese Thematik offen ist? Und dann sind wir bei der wunderschönen Kleinstadt Wolkersdorf gelandet. Knapp 10.000 Einwohner, ganz zauberhaft im Weinviertel. Herrliche Gegend.

00:05:35: Kristin Thielemann: Weinviertel klingt auf jeden Fall vielversprechend.

00:05:38: Peter Röbke: Tolle Weine, tolle hohe Lebensqualität. Und dann haben wir auf der Gemeindewebsite gesehen, dass sie zum Beispiel Photovoltaik überall installieren, auf den gemeindeeigenen Betriebsgebäuden. Aber mit diesem, ich würde mal sagen dämlichen Trick... Die Dänen machen das ja so wenn sie irgendwo ein Windrad aufstellen in der Nähe eines kleinen Ortes, dann sorgen sie dafür, dass die Einwohner dieses Ortes die Eigentümer dieses Windrads sind.

00:06:04: Kristin Thielemann: Ach, das wusste ich gar nicht.

00:06:05: Peter Röbke: Und das verändert den Zugang. Da kommt also nicht irgendein großer Energiekonzern und haut dir da so ein schreckliches Windrad und verdirbt dir in die Gegend und verdirbt dir die Aussicht, sondern dass es dein Windrad, was da steht und das produziert Strom auch für dich und du verdienst da so was dabei. Und das ist in Wolkersdorf ähnlich. Also du kannst dann als Wolkersdorfer Bürger aufs Feuerwehrhaus schauen und sagen: Da oben sind meine Paneele, die mir gehören und da kriege ich sogar was dafür! Ja, und dann? Dann ist der der Schritt zu diesem Punkt, wo man sagt, das sieht doch eigentlich ganz schrecklich aus. Wobei es ja gar nicht schrecklich aussieht. Ist ja relativ fernliegend, wenn man quasi ein Ownership hat, was einem gehört. Also das Wolkersdorf und die Stadt werden noch viel zu sagen, wie es in vielen Klimabündnissen Bündnissen drin hat. Einen irrsinnig aktiven Umweltstadtrat der Bürgermeister ist offen – hat alles gepasst und schon ging es los. So, jetzt habe ich lange geredet, aber das war quasi der Weg zu diesem Projekt.

00:07:01: Kristin Thielemann: Jetzt hast du ja selbst gerade schon so schön gesagt die Photovoltaik, die kann man auf jedes andere Dach auch montieren. Aber das alleine macht ja eine Musikschule noch nicht per se so wahnsinnig nachhaltig, wenn es da so ein Photovoltaikdach gibt.

00:07:13: Peter Röbke: Nicht wirklich. Ja.

00:07:14: Kristin Thielemann: Gibt es noch andere Aspekte der Nachhaltigkeit, die dort an der Musikschule Wolkersdorf gelebt werden?

00:07:19: Peter Röbke: Ja.

00:07:20: Kristin Thielemann: Erzähl, Peter.

00:07:22: Peter Röbke: Das war dann die Recherche, die wir getrieben haben, wie mit diesem Thema in unserer Domäne umgegangen wurde. Und ich habe dann zum Beispiel sehr aufmerksam studiert, den hochkompetenten Vortrag vom Kollegen Theßenvitz, diesem Unternehmensberater auf dem VdM Kongress in Leipzig. Leipzig hat mir jedenfalls alle seine Unterlagen geschickt und seine seine Folien.

00:07:43: Kristin Thielemann: Auf den VdM-Kongressen gibt es ja immer eine umfangreiche Kongressdokumentation und die Unterlagen von Stefan Theßenvitz, die werde ich auf jeden Fall in die Shownotes stellen. Werft ruhig wieder einen Blick rein – es lohnt sich. Und wenn ihr euch schon durch die Shownotes klickt, dann teilt unseren Podcast doch mit eurem Netzwerk und lasst als Bewertung gerne einen vollen Sternenhimmel für uns da!

00:08:05: iMikel: Dieser Podcast wird gesponsert von der professionellen Musikschulverwaltungslösung iMikel, die perfekte Software für deine Zukunft mit integriertem Chatbot und KI-Assistent. Stell dir vor, du kannst mit iMikel sprechen und sagst einfach nur: Zeige mir alle Schüler, die älter als 30 sind und erstelle eine Statistik und der KI-Assistent erledigt das für dich mit. Mit iMikel hebst du deine Musikschule auf ein völlig neues Level. Über 270 Musikschulen setzen auf iMikel. Wir freuen uns auf dich und wünschen weiterhin viel Spaß im Podcast!

00:08:43: Kristin Thielemann: Aber Peter, wir waren stehen geblieben beim Theßenvitz-Vortrag und seinen Ideen zur Nachhaltigkeit. Wie ging es weiter in Wolkersdorf?

00:08:51: Peter Röbke: Ich kenne jedenfalls diesen Vortrag, der ist inhaltsreich, der ist gut argumentiert. Und er läuft dann darauf hinaus, dass im Rahmen des Deutschen Nachhaltigkeitssiegels Unternehmen aufgefordert werden, jährliche Nachhaltigkeitsberichte vorzulegen, was auch getan wird. Also die größten deutschen Unternehmen tun ungefähr zur Hälfte... Machen das ungefähr zur Hälfte, das sie einmal im Jahr einen ausführlichen Nachhaltigkeitsbericht vorlegen. So.

00:09:15: Kristin Thielemann: Okay. Stelle ich mir herausfordernd vor für eine kleine Musikschule. Aber sicher gut, sich mal zu hinterfragen.

00:09:21: Peter Röbke: Alles toll. Dann stelle ich mir über meine kleine Musikschule vor im Weinviertel. Und die ist nicht mal die kleinste. Hat 450 Semester Wochenstunden, hat einen Leiter, der jetzt seit kurzem auch so was wie eine administrative Unterstützung hat. Davor hat er alles allein im Büro gemacht. Ja.

00:09:37: Kristin Thielemann: Ja, aber das ist schon häufig so an kleinen Musikschulen, das macht es ja auch wieder schlank und günstig.

00:09:42: Peter Röbke: Und und und. Ich stelle mir vor, der soll jetzt jährlich einen Nachhaltigkeitsbericht fertigen, die alle, der alle Dimensionen von Nachhaltigkeit umfasst. Das ist natürlich einigermaßen unrealistisch.

00:09:52: Kristin Thielemann: Da gebe ich dir vollkommen recht. Da könnte er sich dann vielleicht mit einer KI behelfen, aber das ist dann ja schon wieder nicht mehr nachhaltig, weil diese ganze KI-Geschichte natürlich so unendlich viel Ressourcen frisst. Ja, die ganze Energie, die da für das Training verwendet wird oder die für die Kühlung der Datenzentren genutzt wird, das ist einfach unvorstellbar.

00:10:12: Peter Röbke: Du sagst es. Wie sagt man eine KI Anfrage glaube ich 15 mal so viel wie eine normale Google Anfrage. Ja, also deswegen auch diese amerikanischen Investitionen in die KI sind im Augenblick vor allen Dingen Investitionen in die Energie, die Serverparks, weil das so viel Energie frisst. Ja, ja.

00:10:33: Kristin Thielemann: An dieser Stelle ein kleiner Einschub. Ich habe das nämlich mal für euch recherchiert: Künstliche Intelligenz gilt zwar als technische Revolution, doch der ökologische Fußabdruck ist mehr als erschreckend. Allein das Training eines großen Sprachmodells oder das Update auf eine neuere Version kann schnell mehrere 100.000 Kilowattstunden Strom verbrauchen. Jede einzelne KI Anfrage, das hatte Peter Röpke ja gerade schon erwähnt, benötigt im Vergleich zu einer einfachen Suchmaschinenanfrage im Web ein Vielfaches an Energie. Und besonders erschreckend für mich zu der ganzen Sache kommt noch der Strombedarf für die Kühlung dieser riesigen Rechenzentren, die ja Stand heute, Dezember 2025, häufig in den USA stehen. Und in den USA entstehen dafür auch gerade bereits riesige neue Gaskraftwerke, um diesen erhöhten Strombedarf überhaupt liefern zu können. Und hier kommt nochmal ziemlich erschreckend für mich die Stromverbrauchsprognose in den USA verbrauchten Rechenzentren 2023 etwa 4,4 % des gesamten Strombedarfs des Landes und dieser Anteil könnte bis 2028 sogar auf 6,7 bis – haltet euch fest – 12 % anwachsen. Die Quelle für diese Prognose habe ich euch in die Shownotes gestellt. Das ist ein offizielles Dokument der US-amerikanischen Regierung. Ja, so weit, so erschreckend für mich, was alles so dahinter steht bei der KI-Nutzung, die wir doch einfach sehr häufig feiern. Aber jetzt erstmal zurück zu meinem Gespräch mit Peter Röbke. Das hatte nämlich echt noch rasante Wendungen drin.

00:12:12: Peter Röbke: Unser Freund Bernhard König, der dieses tolle Buch geschrieben hat über Musik und Klima und viel veröffentlicht hat, sagt an der Stelle immer: Das Internet stinkt! Er zitierte einen Aufsatz, den es dazu gibt, also einfach der Energiebedarf des Internets nachgemessen wird. Das ist, sagen wir mal, für den normalen Verkehr, auch für einen Zoom-Meeting, wie wir das jetzt haben, ist das alles noch im Rahmen. Und wenn dann eine, wenn dann auch die Plattform mit grüner Energie beliefert werden, geht es ja eh. Aber bei KI sprengt das jeden Rahmen, weil der Bedarf schlagartig zehn bis fünfzehnmal höher ist. Ja.

00:12:42: Kristin Thielemann: Ja. Bernhard König – Musik und Klima, gutes Buch, dicker Wälzer! Hatte ich neulich auch schon in der Hand und werde ich mir möglicherweise zu Weihnachten schenken lassen. Ist ja mal innovativ: mein Gatte findet in diesem Jahr einen Podcast-Shownotes meinen Wunschzettel. Aber wie sind wir denn jetzt noch mal auf das Thema gekommen, Peter?

00:13:00: Peter Röbke: Weil wir sind auf die KI gekommen, weil die Antwort auf die Frage "Kann eine kleine Musikschule, eine normale Musikschule, einen jährlichen Nachhaltigkeitsbericht liefern?" angesichts ihrer ohnehin begrenzten administrativen Kapazitäten, schien mir etwas unrealistisch. So. Dann habe ich geschaut, was die Kollegen von der Schulmusik machen. Da gibt es ja auch ein bisschen was. Und da gibt es dann so Beiträge, dass man eben im Unterricht sich mit Liedern beschäftigen sollte dazu oder mit Videos dazu. Und ich weiß nicht, ob du das kennst? Es gibt ein ganz berühmtes, viel angeklicktes Video auf YouTube mit Enrico Einaudi. Die Artic Elegy.

00:13:43: Kristin Thielemann: Ja, doch, klar.

00:13:45: Peter Röbke: Das kennt, glaube ich, jeder. Also selbst wenn er nicht weiß, dass das es Einaudi ist. Wo der auf dieser schmelzenden Eisplatte durch die Arktis gleitet und die schmilzt im natürlich weg. Noch hält der Flügel, auf dem er spielt, und im Hintergrund darbt der Eisbär sozusagen. So. Und jetzt habe ich mir gedacht. Okay, also die Thematisierung von Klimawandel jetzt in musikalischen Formaten, also bis hin zu Musicals und weiß ich nicht was, ist jetzt aber auch nicht der Alltag des Klavierunterrichts.

00:14:16: Kristin Thielemann: Da ist was Wahres dran, Peter. Da haben wir noch ein paar andere Sachen auf dem Zettel.

00:14:21: Peter Röbke: Also das heißt: Photovoltaik, Wärmedämmung, grüne Energie ist nicht spezifisch. Nachhaltigkeitsbericht ist unrealistisch, es äußerlich zum Thema zu machen, in Liedern, Projekten, Musicals ist auch nicht unbedingt der Alltag von unserer Arbeit. Ja, also was ist es dann? Und wie bringen wir es auf den Boden? Und was der Urknall war für uns, oder sagen wir, die Initialzündung war ein Workshop, wo die Gemeindepolitik anwesend war, wo die Schülerinnen vertreten waren und auch die Fahrradbeauftragte der Stadt.

00:14:54: Kristin Thielemann: So was gibt es da?

00:14:55: Peter Röbke: So was gibt's da!

00:14:55: Kristin Thielemann: Und ich dachte, sowas gäbe es nur im wunderbaren Tübingen.

00:14:59: Peter Röbke: Nein, auch in Wolkersdorf im Weinviertel. Und dann waren Lehrkräfte da und die Schulleitung war da. Und wir drei von der Musikuni waren da. Und irgendwann, und das kam ganz stark von den Schülern, die gesagt haben: Hey Leute, ist für uns die Musikschule überhaupt ein Begegnungsraum? Ist das ein Ort, wo ich Lernwelten antreffe, Musizierwelten antreffe? Ja und Lebenswelten antreffe, Begegnungswelten antreffen. Und eine Schülerin sagte zum Beispiel: Ich will einen Raum, wo ich mit anderen Leuten jammen kann, wo ich auch alleine üben kann. Und was ist denn mit Möglichkeiten, wenn ich auf eine Probe warte? Nach dem Unterricht, dass ich meine Hausaufgaben noch erledige? Also mag ich mich in diesem Gebäude aufhalten. Und dann haben wir überlegt: Wie muss ein Musikschulleben, ein Unterrichtsleben, überhaupt das Musikschulleben gestaltet sein, dass die Schülerinnen und Schüler sich einfach viel mehr in der Musikschule aufhalten und dass das dann sozusagen ganz schnell auch ressourcenschonend ist, liegt ja auf der Hand.

00:15:58: Kristin Thielemann: Jetzt bin ich gespannt.

00:15:59: Peter Röbke: Also wenn Musikschule ein Betrieb ist, wo im 25-Minutentakt in Österreich, in Deutschland sind es dann eher die 30 Minuten, die Schüler reinkommen und wieder rausgehen und wieder reinkommen und wieder rausgehen.

00:16:10: Kristin Thielemann: Und lass mich raten: vorne die Elterntaxis vors Haus fahren.

00:16:14: Peter Röbke: Ja, die dann teilweise nicht mal den Motor, den Motor abstellen, damit sie es warm haben. Die halbe Stunde.

00:16:19: Kristin Thielemann: Ist doch verständlich, oder?

00:16:20: Peter Röbke: Dann brauche ich ja nicht über Fahrgemeinschaften nachdenken, weil dann bringt jeder sein Kind und bringt es nach 30 Minuten wieder nach Hause.

00:16:26: Kristin Thielemann: Ja, stimmt schon.

00:16:27: Peter Röbke: Aber gesetzt mal, die sind den ganzen Nachmittag da und haben diese Möglichkeiten, die diese eben erwähnte Schülerin eingefordert hat. Dann kann ich überhaupt mal ernsthaft darüber nachdenken. Wer bringt denn die Kinder U3 und wer holt sie um 17:30?

00:16:42: Kristin Thielemann: Ja, stimmt natürlich.

00:16:43: Peter Röbke: Und habe, sagen wir mal, den Bedarf auf 1/4 reduziert. Und dann kann ich auch ernsthaft die Schüler anregen und sagen: Jetzt könnt ihr auch um 17:30 gemeinsam zum Bus gehen. Also das öffentliche Verkehrswesen, auch in diesem kleinen Ort ist gar nicht so schlecht. Die S-Bahn ist nicht weit weg. Aber allein im Dunkeln, im Winter, dahingehend trau ich mich nicht. Wenn ich mit drei, vier Kollegen das mache, ist das schon wieder was anderes.

00:17:02: Kristin Thielemann: Und es gibt ja auch durchaus Instrumente, die ließen sich auch auf dem Fahrrad transportieren.

00:17:06: Peter Röbke: Ja, genau. Und dann nahm diese Diskussion so eine Richtung, dass wir gesagt haben: Man muss eigentlich über die internen Strukturen, über die tägliche Arbeit nachdenken. Man muss auch überlegen, wie ist dann Unterricht verbunden mit vielfältigen Formen von Ensemblearbeit, von von Community, also musikalischer Community? Und dann eben auch die Frage wo ist eben der Raum, wo ich üben kann? Die Frage: Was ist das für ein Gebäude? Mag ich mich in dem aufhalten? Zum Beispiel. Und das war ein Wackersdorf. Ganz interessant. Die haben ein Schloss übernommen, vor zwölf Jahren, glaube ich. Ein tolles Gebäude. Beeindruckend.

00:17:40: Kristin Thielemann: Nur mal so unter uns: Schloss klingt natürlich nach ein bisschen intensivem Heizungsbedarf, oder nicht?

00:17:45: Peter Röbke: Ja, und das Schloss? Außerdem war das Schloss bis dahin genutzt worden vom Amtsgericht und der Steuerbehörde.

00:17:53: Kristin Thielemann: Hm. Gut.

00:17:55: Peter Röbke: Und ich weiß noch, als ich vor zwei und zweieinhalb Jahren da angefangen habe, sah es auch noch so aus. Du bist durch kahle Gänge gegangen und zugige Gänge, kalte Gänge und an den Zimmern waren nur so Ziffern irgendwie. Also da hätte aber auch... Ich hätte jetzt immer noch weiß ich nicht der der Steuerbeamte Meier sitzen können statt der Klavierlehrerin Müller oder so. Die Blockflötenlehrerin, die immer schon gearbeitet hat an so einer Community, wo die Kinder immer schon sich viel aufgehalten haben. Die hat ihre Kinder am Eingang abgeholt, weil die Kleinen haben sich durch diese Gänge nicht getraut, weil sie dachten, da kommt dann das Schlossgespenst, oder? Keine Ahnung. Sie können sich verlaufen.

00:18:32: Kristin Thielemann: Wir Blechbläser kennen leider das Gefühl, immer im hintersten und dunkelsten Kellerraum unterrichten oder üben zu müssen. Da kannst du an manchen Orten auch wirklich länger nach ein bisschen schönem Ambiente suchen.

00:18:42: Peter Röbke: Ja, aber jedenfalls war da auf einmal war der Punkt gefunden, wo wir gesagt haben: Lass uns mal reden! Wie schaut die tägliche Arbeit konkret aus? Ist das eine Arbeit, die die Musikschule ganz anders im Leben der Kinder platziert? Die also somit dann auch einen Einfluss hat auf ihr Bildungsverhalten, die ein Stück wegführt von dieser Idee? Ich hole mir da meine Stunde ab und das war es dann. Vielleicht übe ich auch noch mal und nächste Woche hole ich mir wieder eine Stunde ab oder so. Sondern die Lern-Musizier-Begegnungsräume installiert und auf dieser Grundlage. Dann konnte man Briefe an Eltern schreiben, wo man zu Fahrgemeinschaften auffordert. Auf dieser Grundlage hing plötzlich die Fahrpläne des öffentlichen Personennahverkehrs im Gang. Auf dieser Grundlage haben wir angefangen, das Haus umzugestalten und auch die Beziehung zur Gemeinde neu zu definieren. Also, dass wir das ganze Thema auch für kulturelle Nahversorgung. Wie wirkt die Musikschule in die verschiedenen Veranstaltungsstätten der Gemeinde hinein? Also wie bereichert sie das Gemeindeleben und so?

00:19:44: Kristin Thielemann: Musikschulmodell anreichern finde ich gut. Fahrgemeinschaften, wenn es sich ergibt und ich dafür nicht in irgendeine WhatsApp Elterngruppe eintreten muss. Aber funktionierende Öffis bin ich so richtig im Fanblock. Jetzt habe ich aber einen Peter Röbkes Beitrag Nachhaltigkeit im Musikschulalltag in der üben & musizieren 5/2025 noch von drei sehr spannenden Nachhaltigkeitsprinzipien gelesen. Diese gab's in einer Publikation des BUND und ich habe sie euch in die Shownotes gestellt. Das wisst ihr ja bereits, dass es da immer viel Interessantes für euch zu finden gibt. Und ich habe Peter natürlich in unserem Gespräch nach diesen drei Prinzipien gefragt.

00:20:28: Peter Röbke: Ja, und dann ergab sich, dass wir zunächst, wie sagt man sagen, theoretische Schritt. Dann ergab sich, dass beim Studium von Klimapolitik wir auf drei Prinzipien stießen und dachten: Eines davon ist genau das, was wir jetzt fokussieren bei diesem Projekt. Also es kommt so ein bisschen Hintergrund. Also es gibt die Effizienz natürlich als Prinzip. Also ich nutze vorhandene Energie einfach besser. Ich dämme Häuser zum Beispiel. Ja, das ist das klassische Beispiel. Es gibt das das Thema der Konsistenz. Ich etabliere zusammenhängende neue Energiekreisläufe mit anderen Energien. Also das wäre eine Umstellung der Industrie. Ja, E-Mobilität und solche Dinge. Und das wird gern vergessen. Es gibt das Thema der Suffizienz und. Und während die ersten beiden ganz stark mit Technologien zu tun haben und auch damit, dass diese Technologien vorhanden sein müssen, geht es bei der Suffizienz ums Verhalten. Also wie verhalte ich mich ressourcenschonend? Und da steckt in diesem Begriff drin: sufficere Lateinisch heißt genügen. Wir kennen das im Englischen sufficient. Wenn etwas sufficient ist, dann dann reicht es, und dann ist es gut genug. Und das muss man aber ganz deutlich sagen. Da geht es nicht um Verzicht, also Askese. Und ich zwinge mich jetzt dazu, auf Dinge, die mir eigentlich Freude machen, zu verzichten, sondern ich überlege: Wie lebe ich mein Leben, das ist ein gutes Leben ist, aber das ist gleichzeitig ressourcenschonend ist. Und das sind so Themen wie Lebensmittel wegwerfen ja, muss der Kühlschrank zu voll sein, wenn ich 40 % in den Müll haue danach? Ja, das ist so ein Thema wie das ist ja jetzt mit Shein und Temu irgendwie das große Thema, muss ich so unendlich viel Kleidung bestellen und man weiß, 80 % werden überhaupt nie angezogen, die fliegen gleich umstandslos in den Müll oder so. Ja, also das brauche ich, brauche das einfach nicht. Ja, weil wenn ich mich beschränke, ist es immer noch gut und vor allen Dingen gut genug. Ja, das ist Urlaubsverhalten. Muss ich so viele Fernreisen machen? Da gibt es nicht auch herrliche Ziele in der Umgebung?

00:22:37: Kristin Thielemann: Und so mit dem Fahrrad durchs Weinviertel, vorbei an der Musikschule Wolkersdorf, dem kulturellen Nahversorger der Region.

00:22:45: Peter Röbke: Ja, und jetzt auf unserem Bereich umgelegt. Also spielt die Musikschule ein Platz. Einen wirklich großen nimmt sie einen großen Platz im Leben der Schülerinnen und Schüler ein und ist dann etwas, was für sie gut ist und was in ihrem Kultur- und Freizeitverhalten eben wirklich dann ein gutes Leben ausmacht und gleichzeitig ein maßvoll ist, weil man nicht von einer Aktivität zur anderen hüpft. Und nach dem 25 Minuten Musikschule in das Auto mit laufendem Motor springen, um gleich das nächste wahrzunehmen. Und so weiter. Ja, und das ist eigentlich so der Kernansatz gewesen zusagen technologische Lösungen, ja. Können wir für die Musikschule auch anwenden, ist aber nicht so spezifisch. Aber wenn wir von unserer alltäglichen Arbeit ausgehen, wenn wir vom Veranstaltungsangebot der Musikschule ausgehen, dann kriegen wir diesen Kontext zum Thema der Suffizienz. Da können wir, da können wir was. Ja, das rettet als solches nicht die Welt. Und mir liegt auch völlig fern zu sagen, die Weltrettung hängt von meinem privaten Verhalten ab. Das da kann man ja gewaltig in die Falle gehen. Also das hätten die großen Konzerne gerne, dass wir alle nur denken, es hängt von uns individuell ab.

00:23:50: Kristin Thielemann: Was mir beim Stichwort Nachhaltigkeit und Fairness Fairtrade im Alltagsleben auch immer so wichtig ist, ist so eine Haltung zu leben und sie auch ganz aktiv den Schülerinnen und Schülern zu zeigen und sie wo immer nötig dann auch mal zu kommentieren. Ich muss dir eine Anekdote erzählen ist mir kürzlich im Musikschulteamraum passiert. Da steht bei uns ein Kopierer. Abgase sicherlich nicht gesund für uns da im Teamraum. Aber gut, ist jetzt mal so, da komme ich kürzlich in diesen Teamraum und da steht Kollegin Klavierunterricht gibt. Sie steht mit ihrer Fairtrade Banane in der Hand am Kopierer und kopiert eine komplette Klavierschule von der ersten bis zur letzten Seite. Guckt mich groß an und sagt Ach, willst du auch noch eine Kopie machen? Ich hab's ein bisschen eilig. Die Mutter von der Schülerin, die das hier braucht, die steht draußen auf dem Parkplatz. Ich sage Ja, habe ich gesehen. Der schwarze SUV mit laufendem Motor da vorne. Ja, genau. Die sagt, sie. Muss dir ganz ehrlich sagen: in so einer Situation kriege ich Puls! Ich werde ja ganz selten mal richtig deutlich. Aber ich habe ihr sehr unmissverständlich klargemacht, dass sie mit ihrem Handeln Kolleginnen und Kollegen, die Noten herausgeben, betrügt. Und zwar um den Lohn für ihre künstlerische Leistung. Und die Verlage natürlich gleich noch mit. Aber die SUV-Mutti hat es ja wahrscheinlich nicht so dicke und muss ja auch von irgendwas ihren Kaffee bei Starbucks bezahlen können. Fairtrade natürlich. Sorry, das musste mal raus hier.

00:25:08: Peter Röbke: Ja, das ist nur verständlich. Und ich meine, wir kennen die Debatten auf Spotify zum Beispiel, also wie diese Plattform auch. Es ist Spottbeträge an Ausschütten an die Leute, die das herstellen.

00:25:20: Kristin Thielemann: Deshalb heißt es ja auch Spotify.

00:25:23: Peter Röbke: Andererseits brauchst du die Plattform, überhaupt noch verbreitet zu werden. Aber ja, man kann nicht wirklich davon leben. Ja, und die Systeme? Also Respekt vor dem Urheberrecht, Respekt vor denen, die die geistige Leistung vollbringen. Ich kann mich gut erinnern. Ich bin ja noch zu Zeiten Musikschulleiter in Berlin gewesen, wo das mit dem flächendeckend kopieren überhaupt erst aufkam. Da hatten wir ja noch kein Internet und keine digitalen Möglichkeiten. Und Kopierer war ja damals schon die technologische Sensation.

00:25:50: Kristin Thielemann: Das ist ja praktisch unvorstellbar heute.

00:25:52: Peter Röbke: Damals hat die GEMA dann so Aktionen gesetzt, ich weiß das noch. Ich habe damals meine Lehrkräfte damit geschockt. Die haben ein Chorwochenende hochgenommen und haben einfach kontrolliert, was hatten die Chorsängerinnen und -sänger in ihren Mappen? Und das waren natürlich weitgehend illegale Kopien. Ja.

00:26:09: Kristin Thielemann: Für so was gibt es natürlich heute die VG Musikedition. Das ist ja auch schon mal eine gute Sache. Aber ich finde es erstmal schön, dieses haptische Erlebnis auch umzublättern und dann natürlich auch das Wissen: hey, ich habe hier eine Ausgabe im Original liegen, von A bis Z und ich kann hier wirklich drin blättern. Ich kann stöbern, ich kann, ich kann entdecken und ich zeige denjenigen Menschen gegenüber Respekt, Fairness und Wertschätzung, die sich die Arbeit gemacht haben und die ja auch die Urheber dieser schönen Ausgaben sind. Ach. Atmen. Einatmen. Ausatmen. Weiteratmen, Frau Thielemann. Eine Alternative wäre natürlich noch, digitale Noten zu kaufen. Aber hier bin ich gar nicht wirklich sicher, ob du da ökologisch gesehen auch so die Nase vorn hast. Denn auch so ein iPad braucht ja Strom aus der Steckdose, oder? Und die auf Papier gedruckten Bücher und Noten, die halten im Zweifel ein Leben lang und sind schnell recycelt.

00:27:04: Peter Röbke: Unser Gespräch nimmt jetzt in die Richtung, dass vielleicht ganz interessant, das auch mal anzusprechen. Ich habe gemerkt, auch in diesem Projekt, aber auch in meinem Alltag und im Gespräch mit Freundinnen und Freunden oder so, dass es gut ist, dieses Thema des nachhaltigen Verhaltens möglichst ohne moralischen Vorwurf anzugehen. Weil ich gehe mal einen Schritt zurück. Also wir kennen ja alle dieses Prinzip des CO2-Fußabdrucks.

00:27:31: Kristin Thielemann: Ja, ja.

00:27:31: Peter Röbke: Das ist etwas, das ist ja sehr kompliziert zu berechnen.

00:27:34: Kristin Thielemann: Okay.

00:27:35: Peter Röbke: Das ist etwas, was in der Ökologiebewegung der 90er Jahre entstanden ist. Und wie groß ist es gepusht worden? Dann als als Möglichkeit, den individuellen Fußabdruck zu berechnen mit entsprechenden Tools im Internet. Es ist gepusht worden von BP.

00:27:50: Kristin Thielemann: Na, siehe da! Der Wolf im Schafspelz!

00:27:52: Peter Röbke: Also es ist sozusagen in die Welt gekommen. Es hat sich verbreitet durch die Marketingmaßnahmen eines großen Ölkonzerns, der damit natürlich eine Möglichkeit ergriffen hat, die Verantwortung für den Klimawandel zu privatisieren und jeden einzelnen von uns in die Schuhe zu schieben und in der Folge das bestimmt ja oft die Diskussion immer noch. In der Folge hast du dann so eine von der Privatisierung dieser, dieser Verantwortung für die Frage der Bewohnbarkeit des Planeten, um die es ja letztlich geht und dem Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, wo man dann denkt mein Gott, der Typ vor mir beim Edeka haut sich da zehn Schweinenackensteaks aufs Band.

00:28:31: Kristin Thielemann: Na dann guten Appetit!

00:28:33: Peter Röbke: Hat der nicht kapiert, dass der Fleischkonsum die Erde ruiniert? Ja, und dann kriegst du mit, dass dein bester Freund eine Fernreise macht auf die Malediven und denkst: Was bist denn du für ein Ökoferkel oder so? Ja, also. Also du hast völlig recht, dass das das iPad ist nicht automatisch den kopierten Noten überlegen. Aber ich glaube, es ist ganz wichtig zu sagen, dass man dass man von dieser dieser Vorwurf Ebene wegkommt oder so. Ja und man merkt ja dann auch wenn dann noch die Politik eingreift und jetzt auch über Regularien sozusagen das private Verhalten zu beeindrucken versucht, dann hast du halt die Debatte ums Heizungsgesetz und den Beginn des Niedergangs von Robert Habeck und die Bildzeitungskampagne: Der Heizungshammer! Und dann? Dann hast du diese völlig verrückte Situation, dass eine riesengroße Mehrheit der Menschen auch in Deutschland der Meinung ist, es muss was getan werden und die riesengroße Mehrheit leugnet nicht den Klimawandel. Also eine Grundeinstellung ist das da. Ja und auch in diesen Zeiten, wo der Krieg in der Ukraine dann vielleicht wichtiger wird...

00:29:35: Kristin Thielemann: ...der ja auch durchaus CO2 intensiv ist.

00:29:38: Peter Röbke: Und die die russischen Irritationen wichtiger werden und die Inflation wichtiger wird und die Bezahlung der Stromrechnung wichtiger wird.

00:29:44: Kristin Thielemann: Schweißperlen auf der Stirn.

00:29:46: Peter Röbke: Das Thema ist immer noch da. Das lässt sich belegen. Das Klimawandel Thema ist überhaupt nicht weg im Bewusstsein der Leute. Aber sie haben es halt nicht gern, wenn man ihnen Vorschriften und Vorwürfe macht. Und da gibt es diese berühmte Studie von Steffen Mau, dem Soziologen von der Humboldt Uni in Berlin, der sagt: Es ist ein großer Unterschied zwischen grundsätzlichen der Überzeugung und dem, was wir die Triggerpunkte nennt. Also du kannst messen 90, 95 % sagen es gibt Klimawandel, es muss was getan werden. Aber wenn dann der Habeck ein Heizungsgesetz macht, wo dann die Leute denken, ich muss jetzt meine Ölheizung sofort rausreißen, ich werde bestraft dafür, dass ich die im Keller habe, dann hast du so ein Triggerpunkt von Bevormundung und von Ohnmacht und so und dann kippt das. Obwohl du ja grundsätzlich absolut der Meinung bist, dass was getan werden muss gegen den Klimawandel.

00:30:35: Kristin Thielemann: Heißes Eisen das Thema. Aber sag mal Peter, wie kommen denn da jetzt eigentlich die Musikschulen wieder ins Spiel? Wie kriegen wir denn jetzt wieder die Kurve zurück?

00:30:44: Peter Röbke: Ja, das kann ich nicht. Das ist nämlich ganz eng damit verbunden. Also ich habe das erlebt. Wir sind in die erste Lehrerversammlung gegangen und hatten vorher etwas gemacht in Zusammenarbeit mit der Wiener Universität für Bodenkultur. Wir haben den Ressourcenverbrauch in der An- und Abreise zur Musikschule gemessen.

00:31:01: Kristin Thielemann: Na, da bin ich ja mal gespannt.

00:31:03: Peter Röbke: Da gab es ein Tool, das haben wir in Zusammenarbeit mit allgemeinbildenden Schulen entwickelt, wo dann in Wolkersdorf alle Eltern und alle Familien auf die Spur gesetzt wurden und aufschreiben mussten: Wie komme ich zur Musikschule, wie groß ist die Entfernung usw. Lange Rede, kurzer Sinn wir sind auf 200.000 Kilometer gekommen im Jahr in einer kleinen Gemeinde, wo die Leute eh nicht so weit weg wohnen. So und natürlich wie immer bei solchen Umfragen sind die meisten Fahrten unter fünf Kilometer. Ja, also wo du wirklich denkst, es könnte auch anders sein. So, diese Umfrage hat aber jetzt nicht irgendwie zu einer riesen Begeisterung für das Projekt geführt, sondern auf der ersten Versammlung mit allen Lehrkräften. Wo ich war, hatte man eher das Gefühl, die fühlen sich jetzt irgendwie ein bisschen angeschüttet. So also angegriffen, weil da hat jemand gesagt, ich komme da mit Instrumenten zur Musikschule, ja, wie soll ich das denn machen, ohne Auto oder so? Nee.

00:31:56: Kristin Thielemann: Stimmt schon. Und gerade wenn irgendwie der ÖV noch nicht richtig läuft oder auch die Musikschule so ungünstig liegt, dass du sie gar nicht mit ÖV erreichen könntest oder vielleicht auch zu Fuß. Gibt ja auch durchaus Musikschulen, die liegen direkt neben der allgemeinbildenden Schule. Finde ich ja auch praktisch. Ja, und dann kann ich mir schon gut vorstellen, dass du da als Eltern auch ein bisschen verschnupft reagierst, wenn du denkst, du tust jetzt hier deinem Kind was Gutes und meldest es zum Musikunterricht an und hinterher darfst du erstmal Fahrtenbuch führen und musst dir ja dann vielleicht auch den Vorwurf gefallen lassen: Hey, die fünf Kilometer bist du aber jetzt mit dem Auto gefahren! Vielleicht weil du deinen Kindern auch was Gutes tun wolltest und vorher noch mit ihnen Hausaufgaben gemacht hast und dann wenig Zeit hattest? Also als Musikschuleltern würde ich jetzt mal unterstellen, bist du in den allermeisten Fällen ja sowieso engagiert mit deinen Kindern.

00:32:41: Peter Röbke: Genau. Und als dann dieses Schlüsselerlebnis war lasst uns doch über das Gebäude nachdenken, das man sich da wohlfühlt, Lasst uns darüber nachdenken, wie gestalten wir Unterricht, dass er eben nicht nur in der Abfolge von Einzellektionen besteht. Wie gestalten wir Unterricht, dass sich Ensemblearbeit und Unterricht miteinander vermischen? Ja, wie gestalten wir Unterricht? Dass die das eine soziale Dynamik entsteht in der Instrumentalklasse, weil die Kinder nicht nur einzeln abgefrühstückt werden, weil die sich auch gegenseitig inspirieren, weil die sich gegenseitig anschieben, weil die sich gegenseitig motivieren. Und wenn das dann dazu führt, das weiß ich nicht, die Anreise und Abreise zur Musikschule sich ändert zum Beispiel. Ja, dann haben wir aber zunächst mal darüber geredet, wie der Unterricht besser wird. Ja, und jetzt kann ich eigentlich fast schon der Schlusspointe vorgreifen. Die Schlusspointe ist, ich weiß nicht, ob du Harald Welzer kennt, der hat diese Institution FUTUREZWEI.

00:33:33: Kristin Thielemann: Ja, sag mir was.

00:33:34: Peter Röbke: Harald Welzer ist ja ein recht bekannter deutscher Soziologe, der viel publiziert. Der Welzer hat mal gesagt, wir... Vielleicht wäre es am besten für die Klimadebatte, wenn wir nicht über die schmelzenden Eisberge und die sterbenden Eisbären reden. Und wenn wir nicht über den Untergang der Welt reden, sondern wieder, wenn wir darüber reden, wie unser Leben besser wird.

00:33:52: Kristin Thielemann: Das ist natürlich clever gedacht.

00:33:53: Peter Röbke: Wie wird unser Leben besser? Also ich bin doch für Klimamaßnahmen deswegen. Oder auch als Klimaanpassung in Städten, weil ich möchte, dass das Leben in einer sommerlichen Stadt besser wird. Eine Stadt, die grüner ist, wo ich Wege mit dem Fahrrad zurücklegen kann, weil es fantastische Fahrradwege gibt, wo das öffentliche Nahverkehrswesen aufgestellt ist, ist eine schönere Stadt. Ja.

00:34:16: Kristin Thielemann: Das, und vor allem eine Stadt, wo du dich im Sommer überhaupt noch aufhalten kannst, weil sie so grün und beschattet ist, dass es auch noch einigermaßen von den Temperaturen her auszuhalten ist.

00:34:24: Peter Röbke: Richtig. Ja, und ich meine, wenn ich von Köln nach Frankfurt nicht fliege, sondern mit der Bahn fahre. Wobei Bahn ist bei euch in Deutschland natürlich ein heikles Thema, ich weiß. Also sagen wir mal Österreich. Wenn ich nicht von Salzburg nach Wien fliege, sondern mit der Österreichischen Bundesbahn fahre.

00:34:40: Kristin Thielemann: Man kann von Salzburg nach Wien fliegen?

00:34:43: Peter Röbke: Ja, natürlich, man kann das von Graz nach Wien fliegen.

00:34:46: Kristin Thielemann: Ich glaube, da wird sich meine Generation nicht trauen, eine Instagram Story darüber zu machen, über so einen Flug.

00:34:50: Peter Röbke: Aber es ist einfach schöner, mit der Bahn zu fahren.

00:34:52: Kristin Thielemann: Zumal in Österreich, wo die Bahn da doch meistens super sauber und auch pünktlich ist, viel schöner mit der Bahn.

00:34:58: Peter Röbke: Viel schöner.

00:34:59: Kristin Thielemann: Außerdem gibt es natürlich in DoN's Bordrestaurant richtig, richtig guten Kaffee.

00:35:02: Peter Röbke: Ja, ganz genau. Ja. Also, was ich. Was ich andeuten will. Wer jetzt sagt, das geht ums bessere Leben. Also, wir denken über all diese Dinge nach. Ja, natürlich sollen die Eisbären überleben. Und natürlich wird das ganze Eis nicht schmelzen. Und die ganzen Gletscher usw. Ja, um bei diesem Thema zu bleiben. Aber in Wahrheit, uns als Menschen geht es um ein besseres Miteinander. Ein besseres Leben. Ja.

00:35:24: Kristin Thielemann: Da sind wir Menschen einfach schon ganz schön bequem. Und wenn es bequemer ist mit der Bahn zu fahren und man so schnell und und ausgeruht ans Ziel kommt, vielleicht noch gearbeitet hat. Ja, dann machen wir das doch. Aber in Deutschland gibt es ja noch eine kleine Herausforderung. Ja, aber zurück zu den Musikschulen.

00:35:41: Peter Röbke: Wenn wir nachdenken und das ist jetzt im Zuge des Projekts deutlich geworden, was machen vor allen Dingen die die erfolgreichen Lehrkräfte in der Musikschule? Das sind alles die Leute, die das nicht als Dienstleistungsbetrieb sehen, sondern die Lebenswelten gestalten mit ihren Schülern und ihren Schülern. Und aus dieser Dynamik heraus. Ja, da fährt man so eine ganze Klasse zu "prima la musica" heißt das bei uns. Bei euch heißt das "Jugend musiziert" und dann gewinnen die mal kurz alles. Ja, aber nicht, weil sie da gedrillt werden auf den Wettbewerb hin, sondern weil in der einzelnen Instrumentalklasse so eine unglaublich hohe Lerndynamik ist, die ganz stark damit zusammenhängt, dass die halt nicht dienstleistungsmäßig einzeln bedient werden, sondern dass in der Klasse diese Lerndynamik entsteht. Ja.

00:36:21: Kristin Thielemann: Ja, die liebe Klassendynamik. Wir hatten ja auch mal eine Folge zum Thema "Jugend musiziert". Und zwar ist das, glaube ich, die 36. Da haben Gudula Rosa, Blockflötenpädagogin und Blockflötistin und Blockflötenpädagogin und Simone Riniker Maier, das ist sie ist Geigerin, Geigenlehrerin in Stuttgart an der Musikschule, die haben davon erzählt, wie sie erfolgreich bei "Jugend musiziert" mit ihren Schülerinnen und Schülern sind. Ich stelle die Folge in die Shownotes. Ist ja gerade wieder brandaktuell und ganz heiß heißes Thema "Jugend musiziert". Das merkt man immer. Die Folgen haben dann plötzlich wieder ganz viele Streams drauf. Also sie haben sowieso alle immer durch die Bank weg Streams. Aber dann plötzlich so zu "Jugend musiziert", dann schnell diese eine Folge, die 36. ist das glaube ich, die schnellt dann wieder hoch. Und die beiden haben das in der Tat sehr schön beschrieben, wie du diese Klasse so zu einer Gruppe formst, dass sie auch gegenseitig sich unterstützen, dass sie mitfiebern mit den anderen. Das ist einfach toll, wie sie so erzählt haben, wie aus diesen ganzen einzelnen Köpfen dann so ein kleines Team wird. So ist der Unterricht dann ja auch gleich nachhaltiger. Womit wir wieder eine harte Kurve in Richtung Thema genommen haben.

00:37:33: Peter Röbke: Du brauchst. Du brauchst den Humus dafür. Wir wollen ja nicht einzelne Leute abrichten, dass sie wettbewerbsfähiger werden, sondern. Also meine Referenz ist die Blockflötenklasse in Wolkersdorf. Die ist Legende. Weil die gewinnen immer alles, Aber die gewinnen immer alles, weil die hat 60 Schülerinnen und Schüler, diese Kollegin und die spielen alle toll. Die spielen alle toll. Und dann, da war die Frage auch im Rahmen des Projekts: Was ist das Geheimnis? Und das Geheimnis ist soziale Lerndynamik, Peer-to-Peer. Das Geheimnis ist, dass die äußerlich betrachtet sich überhaupt nicht in ihre Stundenpläne hält. Das darf man eigentlich gar nicht laut sagen, weil das in der Diskussion immer noch nicht wirklich durchgedrungen ist, dass eine gute Musikschullehrkraft einen ganz flexiblen Umgang mit Stundenplan und Ressourcen hat, damit diese Dynamik entsteht und dafür dann immer eine Musikschulleitung braucht, die den Rücken frei hält, ne?

00:38:24: Kristin Thielemann: Ja, aber vielleicht sollte man doch mal drüber sprechen, weil es doch auch so wichtig ist, dass man auch das Künstlerische sieht und dass man auch diese Freiheiten sieht und was diese Freiheiten Gutes bewirken. Wir hatten ja auch gerade eine Folge 62 mit Volker Gerland und Stefan Prophet zum Thema... ja, was waren das eigentlich? Musikschule als attraktiver Arbeitsplatz. So haben wir es, glaube ich genannt am Ende, wo wir lange über Wertschätzung gesprochen haben. Wertschätzung von Lehrkräften von ihrer künstlerisch-pädagogischen Arbeit. Es gab übrigens ganz, ganz viel Rückmeldung. Vielen Dank an dieser Stelle. Ich habe mich bemüht, alles zu beantworten. Ja, ja, Freiheit und Wertschätzung.

00:39:03: Peter Röbke: Ja, das finde ich. Das finde ich ganz wichtig, weil du brauchst, wenn du diese tollen Lehrkräfte fördern willst. Du brauchst Musikschulleiter und die verstehen, warum die Freiräume essenziell sind für die Qualität der Musikschule und die auch verstehen, dass die Musikschule als Institution eine ist, die eben anders als die Regelschule oder die Pflichtschule. Ich meine, allein schon die Begriffe zeigen dir ja was. Na ja, oder Regelschule. Nee, dass sie eine Institution ist, die natürlich Regeln vorgibt. Sie ist öffentlich finanziert, sie braucht eine Verbindlichkeit. Gleichzeitig aber gibt es die ganze Zeit Lehrkräfte, und gerade die Guten sind das ja, die sich an diesen Regeln reiben, die mit diesen Regeln also sehr flexibel umgehen.

00:39:47: Kristin Thielemann: Und schon allein für Schülerinnen und Schüler zu erleben, dass sich mein Lehrer, meine Lehrerin eben nicht an diese Regeln hält. Ich finde, das ist immer so ein cooler Moment im Unterricht, wenn die Kinder und Jugendlichen dann merken: Hey, da verhält sich meine Lehrkraft gegen die Regeln für mein Lernwohl. Und das finde ich einen echt tollen Moment. Das ist so ein Moment, wo du noch mal wirklich richtig zusammenwächst mit diesem jungen Menschen. Ja.

00:40:15: Peter Röbke: Aber das muss man verstehen. Es gibt für die Schule in der Bildungswissenschaft gibt es einen legendären Aufsatz von Andreas Helmke über die Antinomien des öffentlichen Schulwesens.

00:40:23: Kristin Thielemann: Ich werde das suchen und in die Shownotes stellen oder dir auf den Wecker fallen und den Link schnorren beispielsweise.

00:40:30: Peter Röbke: Er ist ein Klassiker, den kennen alle Bildungswissenschaftler. Also beispielsweise Du machst einen tollen Deutschunterricht, der Literatur orientiert ist und dann kommt die Zentralmatura bei uns in Österreich. Und da geht es überhaupt nicht um Literatur. Ja, das ist die Vorgabe. Und am Schluss ist eine Matura zu machen, ein Abitur zu machen, das nichts mit dem zu tun hat, was du vielleicht als engagierte Deutschlehrerin praktiziert hast. In der Schule gewinnt immer das System. In der Schule gewinnt immer die Vorschrift. In der Schule gewinnt immer das Ministerium. Letztlich, und das ist in der Musikschule anders. Die Musikschule macht auch Vorgaben. Und dann gibt es eine Praxis, die sich an diesen Vorgaben reibt. Ich sage gar nicht mal, dass sie ganz außerhalb der Vorgaben steht oder dass sie die ignoriert oder dass sie die bekämpft. Sie reibt sich daran Ja und Herr Gott, dann können wir die Vorgaben ändern. Und da könnte ich jetzt, da könnte ich jetzt viel erzählen. Ich habe das mal mit Oberösterreich erlebt, das ist auch ein großes Musikschulwesen. Die hatten ganz strikte Vorgaben, und es zeichnete sich ab, dass sich unendlich viele Lehrkräfte daran nicht gehalten haben. Also Berichtspflichten und und genaue Einhaltung des Stundenplans. Und dann hatte der Leiter des Musikschulwesens auf Landesebene die Weisheit zu sagen Wir laden alle diese Lehrkräfte ein zu einem Modellversuch. Die sollen jetzt mal sozusagen offenbaren, was sie wirklich tun.

00:41:45: Kristin Thielemann: Okay.

00:41:45: Peter Röbke: Dafür hat er mit der Uni kooperiert. Das haben wir zwei Jahre gemacht. Und dann hat es ein Handbuch gegeben, das Musikschulwesens, also der Träger des Musikschulwesens, zu flexiblen Unterrichtsformen. Und plötzlich waren die starren Vorgaben, die es noch zwei Jahre davor gegeben hat, völlig transformiert. Und das ist Musikschule. Also, wenn man das philosophisch sagt die Schule ist antinomisch, das sind unauflösbare Widersprüche und das einzelne Lehrkraft bist du letztlich verloren. Die Musikschule ist dialektisch. Das ist, das ist die Einheit der Widersprüche. Da gibt es These und Antithese, und dann kann seine Synthese geben, dann ändere ich halt die Vorgaben. Ja, das geht doch in unserem Bereich relativ leicht.

00:42:23: Kristin Thielemann: Ja, und du siehst ja, dass wir einfach diese Freiheit zum Lernen brauchen. Und zwar nicht nur in den Musikschulen, sondern auch ganz generell im Bildungssystem.

00:42:30: Peter Röbke: Ja, das wäre schön. Ja, aber das Pflichtschulsystem tut sich einfach wahnsinnig schwer damit. Und in der Musikschule haben wir alle Chancen, das zu realisieren.

00:42:39: Kristin Thielemann: Ja, dann könnten wir doch über kurz oder lang die Pflichtschule in die Musikschule integrieren.

00:42:43: Peter Röbke: Jedenfalls an unserem Geist partizipieren.

00:42:46: Kristin Thielemann: Wir sind immer auf Abwegen unterwegs, aber auf interessanten Abwegen. Und eigentlich ruft das hier ja nach einer zweiten Folge. Ich muss mal überlegen, wie ich es mache.

00:42:55: Peter Röbke: Jetzt aber noch mal zurück zur Nachhaltigkeit, als das klar war. Also wenn wir uns jetzt austauschen, wie wir, wie wir Unterricht dynamisieren, wie wir die Kinder auf die Weise viel länger in der Musikschule haben, wenn wir die Ensemblearbeit noch mal ganz neu beleuchten, wenn wir gemeinsam darüber nachdenken, wie bereichert das jetzt die Gemeinde? Wie gehen wir in jeden Winkel des Gemeindelebens und durchdringen den mit unseren Angeboten? Und wie machen wir das Haus schöner, dass man sich da aufhalten wird. Also dieser Dreiklang, ja, Unterricht dynamisch, also lebendiger Unterricht, vielfältige Vernetzung mit Communities, Bereicherung der Gemeinde und ein schönes Haus. So zweite Lehrerversammlung, wo das schon wo die ersten Ergebnisse vorlagen. Plötzlich waren alle für das Projekt.

00:43:37: Kristin Thielemann: Siehe da, so schnell kann es gehen.

00:43:38: Peter Röbke: Also auf der ersten Mal sind noch beleidigt, weil wir ihnen diese 200.000 Kilometer vorgerechnet haben und weil alle dachten, wir stehen mit dem Rücken zur Wand und müssen uns jetzt rechtfertigen, dass ich mit dem eigenen Auto fahre, wenn ich meinen Kontrabass transportieren will. Und bei der zweiten Versammlung war klar: Es geht um die Verbesserung unserer Arbeit, die dann ressourcenschonende Effekte hat. Und jetzt sind alle dafür.

00:44:00: Kristin Thielemann: Jetzt kommt etwas, was wir bei "Voll motiviert" noch nie gemacht haben. Es wird einen zweiten Teil dieser Folge zum Thema Nachhaltigkeit mit Peter Röbke geben. Die Alternative hierzu wäre gewesen, viele spannende Aspekte aus diesem Gespräch herauszunehmen und ja, mein Gespräch mit Peter Röbke einfach sehr zu straffen. Aber ich glaube, das können wir wirklich mal sehr gut wagen und ausprobieren, wie ein Zweiteiler bei euch ankommt. Lasst es uns doch wissen, wie ihr dieses Gespräch Teil eins empfunden habt, zum Beispiel per Mail an podcast@schott-music.com. Den nächsten Teil dieses Gesprächs findet ihr als Folge 64 auf dem Kanal von "Voll motiviert", natürlich wie immer, überall, wo es Podcasts gibt. Und wenn ihr, bevor ihr weiter hört, noch ein bisschen was von Peter lesen wollt, dann kann ich euch sehr die üben & musizieren 5/25 empfehlen, das Schwerpunktheft zum Thema Nachhaltigkeit. Ganz toll und sehr gelungen auch darin der Beitrag von Karolin Schmitt-Weidmann, der heißt "Erlebnisräume. Bildung für nachhaltige Entwicklung als Aufgabe musikalischer Bildung". Dann gibt es einen sehr spannenden Artikel von Sara Beimdieke und Julian Caskel zum Thema Klimawandel im Hörsaal, Unterrichtserfahrung in der universitären Lehre aus musikwissenschaftlicher Perspektive. Und den wunderbaren Artikel "Nachhaltig gestimmt. Was Lernende mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit an Musikschulen beschäftigt" von Claudia Höpfel, Anne Fritzen und Stefanie Dzjubak. Bleibt uns gewogen bei "Voll motiviert". Ich freue mich! Eure Kristin Thielemann.

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