62. Volker Gerland und Stefan Prophet
Shownotes
Wie können Musikschulen zu Orten werden, an denen Lehrkräfte gerne arbeiten und junge Menschen sich entfalten können? Kristin Thielemann spricht mit Volker Gerland und Stefan Prophet über Rahmenbedingungen, Herausforderungen und Perspektiven für Musikschulen als moderne, vernetzte Bildungseinrichtungen. Dabei geht es um Fachkräftemangel, Teamkultur, digitale Chancen und um das Ziel, Musikschule als lebendigen und zukunftsfähigen Arbeitsplatz zu gestalten.
Volker Gerland und Stefan Prophet: Musik.Dortmund Education, https://www.musikschule.dortmund.de
Sebastian Herbst: Vielfalt abbilden. Die städtische Musikschule Dortmund ist nun DORTMUND MUSIK, https://uebenundmusizieren.de/artikel/vielfalt-abbilden
Podcast „Voll motiviert“ #60: Angela Bauer und Matthias Edeler: Studienvorbereitende Ausbildung, https://www.youtube.com/watch?v=qa4-tNlUv7U
Podcast „Voll motiviert“ #56: Musikschulkongress 2025: Wir leben Musikschule, https://www.youtube.com/watch?v=dn9OoO8Gukw
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Volker Gerland: Wir dürfen Musikschule auf keinen Fall verstehen als eine willkürliche Anhäufung von Lehrkräften, die in nebeneinander liegenden Räumen durch Zufall gleichzeitig unterrichten, sondern Musikschule wird nur da wirksam, wo auch wirklich zusammengearbeitet wird und wo diese Stärken genutzt werden. Und ich glaube, dass dieses nicht einfach Nebeneinander her arbeiten, sondern dieses Zusammenarbeiten – das braucht Raum, das braucht Unterstützung von Leitungsseite. Aber dann kann das natürlich auch sehr dazu führen, dass man sich an der Musikschule wie in einem sozialen Netz vernünftig aufgehoben fühlt und auch Arbeitszufriedenheit steigert. Und das kann auch wieder auf Schüler und Schülerinnen abstrahlen, denn wir sind ja heute eigentlich dabei zu überlegen: Wie kriegen wir Nachwuchs?
Jingle: Voll motiviert der Musikpädagogik Podcast von Schott Music, dem Verband deutscher Musikschulen und Kristin Thielemann.
Kristin Thielemann: Hallo und herzlich willkommen zu Folge 62 von "Voll motiviert" eurem Musikpädagogik Podcast. An einer Musikschule zu unterrichten, kann ein unglaubliches Glück sein. Aber hierzu müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen. Mit Volker Gerland und Stefan Prophet, meinen heutigen Gästen, geht es darum, wie Musikschulen dazu beitragen können, ein attraktiver Arbeitsplatz zu sein. Wir kommen an den Soft Skills ebenso vorbei wie an konkreten Tipps gegen den Fachkräftemangel. Und was das alles mit der Dauerkarte für Borussia Dortmund zu tun hat, erfahrt ihr heute. Übrigens: Habt ihr schon "Voll motiviert" auf Spotify und Apple Podcasts abonniert? Es ist gratis und lohnt sich. Drückt die Glocke und werdet über jede neue Folge informiert. Wir vom Podcast-Team freuen uns übrigens sehr, wenn ihr "Voll motiviert" hier auch mit vollem Sternenhimmel bewertet. Und jetzt geht's los. Hier kommen Volker Gerland und Stefan Prophet. Hallo Volker.
Volker Gerland: Hallo Kristin.
Kristin Thielemann: Hallo Stefan.
Stefan Prophet: Hallo Stefan. Schön, dass wir dabei sein dürfen!
Kristin Thielemann: Na, die Freude ist ganz auf meiner Seite! Darf ich zum Einstieg eine ganz persönliche Frage stellen?! Was hat eigentlich für euch damals den Ausschlag gegeben, dass ihr gesagt habt Musik, das wird mein Beruf?
Volker Gerland: Also bei mir ist das ganz klar, dass ist irgendwie durchs Elternhaus geprägt, auch wenn da keine professionellen Musikerinnen drin waren. Aber mein Vater war sehr musikbegeistert und hat mich eigentlich von frühester Jugend an mit in Konzerte genommen. Und wir haben zu Hause sehr viel gesungen. Der hat ganz ordentlich Gitarre gespielt und letztlich war es, glaube ich, das, was dann dazu geführt hat, dass ich für mich entdeckt habe, wie Musik so ein Leben bereichern kann. Und das hat dann irgendwann darin gemündet, dass ich es auch beruflich machen wollte.
Kristin Thielemann: Und war das gar nicht so, dass deine Eltern gesagt haben: "Hey, Musik ist brotlose Kunst, das mach lieber nicht!"
Volker Gerland: Nee, ich habe zwei ältere Brüder, die beide nicht besonders musikaffin waren. Und ich glaube, mein Vater hat sich ausgesprochen gefreut, dass ich in diese Richtung gegangen bin. Mir ist das tatsächlich beim Abitur passiert: Damals wurden die Abiturienten in der Zeitung veröffentlicht mit Berufswünschen, dass ich wollte, dass dahinter ein Musiker steht und mein Lehrer gesagt hat: Das können wir doch nicht machen, wir können nicht Musiker da hinschreiben, was sollen die Leute von dir denken? Dann wurde hinterher Musiklehrer daraus.
Kristin Thielemann: Okay, und wie war es bei dir, Stefan?
Stefan Prophet: Ich habe mir die Frage tatsächlich rückblickend auch öfter gestellt und ich kann mich nicht erinnern, dass es einen konkreten Punkt gab, wo ich mich entschieden habe. Ich bin da so reingewachsen. Ich habe... Ich bin komplett und klassisch durch die Musikschule, durch die Dortmunder Musikschule gelaufen. Ich habe mit der Einschulung angefangen Fußball im Verein zu spielen und Musik in der Musikschule zu machen. Und von Anfang an auch viel gemeinsames Musizieren. Das stand von Beginn an im Vordergrund. Und dann kam eins zum anderen. Ich habe mich nicht ganz dusselig angestellt. Und dann war klar: Ein zweites Instrument wäre auch ganz sinnvoll. Und dann war auch klar: Irgendwann kommt die SVA. Die einzige aktive Entscheidung, die ich getroffen habe, war welchen Musikstudiengang ich denn absolvieren würde und habe mich dann fürs Lehramt entschieden. Habe dann aber auch im Lehramt - also ich bin tatsächlich ausgebildeter Lehrer, Musik und Englisch für Sek eins und zwei, also Gymnasien – dann aber ab ab dem dritten Semester auch schon per Honorarvertrag an einer Musikschule der Umgebung unterrichtet und das war toll. Das war schön und es gab nie einen anderen Weg. Und als ich dann mit dem Studium fertig war, war auch klar Ich will keinen. Kein fremdbestimmter Lehrer einer allgemeinbildenden Schule werden, sondern ich will das Weitermachen machen, was ich vorher gemacht habe nämlich – und da kommen wir auch schon fast auf den Punkt: Unterrichten in nennenswertem Umfang und weiter künstlerisch aktiv bleiben. Denn ich habe auch damals noch viele Konzerte gespielt.
Kristin Thielemann: Ah, spannend. Und spielst du denn jetzt auch noch Fußball? Nein, ich muss ja auch mal was Unerwartetes fragen dürfen.
Stefan Prophet: Nein, nur passiv!
Kristin Thielemann: Oh ja, wir hier auch alle passiv. Aber das hat nicht so viel mit Bewegung zu tun. Höchstens mit Bewegung des Fingers auf der Fernbedienung, oder?
Stefan Prophet: Borussia. Und sonntags sonntags oft heiser. Oh ja.
Kristin Thielemann: Ja. Ihr könntet ja mal einen Kurs anbieten. Stimmtraining. Stimmbildung für Stadionbesucher:innen?
Stefan Prophet: Ja, aber tatsächlich auch schon drüber nachgedacht. Und haben auch schon Kontakte aufgenommen. Aber ich sage mal, die organisierten Ultras sind da weniger zugänglich für.
Kristin Thielemann: Ah, wer hätte es gedacht. Das wäre noch mal eine ganz neue Klientel in der Musikschule gewesen. Aber Volker, darf ich noch mal zum Verständnis fragen: Du bist der Vorgänger von Stefan als Musikschulleitung gewesen. Ist das richtig?
Stefan Prophet: Ja, richtig. Und wenn ich das so auch noch mal direkt sagen darf, auch nicht nur das. Also ich habe im Rahmen meiner Musikausbildung auch schon früh angefangen, bei Volker im Orchester zu spielen. Also Volker hat ja auch Orchester geleitet, Zupforchester und Gitarrenorchester und ich sage mal vorsichtig eine gewisse Vorbildfunktion in Volkers Biografie und Werdegang kann ich absolut nicht leugnen, ganz im Gegenteil.
Volker Gerland: Ich kann aber kein Brot backen.
Stefan Prophet: Das kommt aber dann, wenn ich auch nicht mehr im aktiven Dienst bin. Dann kann ich auch Brot backen. Ich weiß noch, wie ich zur Schule ging und Volker seine erste Schulleiterstelle antrat. Ich fand das immer total spannend.
Kristin Thielemann: Ah, die lieben Vorbilder. Das ist natürlich die ganz große Chance für uns alle, die wir in Musikschulen arbeiten, dass wir Vorbilder für die nächste Generation sind.
Volker Gerland: Gute oder schlechte? Ja.
Stefan Prophet: Der Volker hat nie gesagt Lass den Quatsch. Im Gegenteil.
Kristin Thielemann: Volker, das hast du jetzt davon. Nee, gar nicht. Einfach eine tolle Verbindung mit euch beiden. Ja. Tja, die lieben Nachfolger. Apropos nachfolgende Fachkräfte Da sieht es ja im Augenblick nicht so richtig rosig aus für uns an den Musikschulen. Gibt es da Zahlen, die uns diese Misere mal so ein bisschen verdeutlichen könnten?
Volker Gerland: Erst mal vielleicht tatsächlich mit ein paar brutalen Zahlen. 74 % der Musikschulen in Nordrhein Westfalen melden jetzt schon, dass sie große Schwierigkeiten haben, die Stellen so zu besetzen, wie sie es gerne hätten. Und jetzt nicht Stellen, etwa auf Honorarbasis, sondern auch Stellen mit sozialversicherungspflichtigem Hintergrund.
Kristin Thielemann: Moment, das habe ich jetzt gerade richtig verstanden. 74 % der Musikschulen?!
Volker Gerland: ...melden das bezogen auf Nordrhein Westfalen! Die melden, dass sie Schwierigkeiten haben, die Stellen zu besetzen. Entweder, weil es zu wenig Bewerber:innen gibt oder auch, weil die Bewerbungen, die ankommen, keine vernünftige Passung haben auf die ganze Angelegenheit. Und dann melden noch eine erhebliche Anzahl von Musikschulen, 43 %, dass sie darunter leiden, dass es viele Leute gibt, die die Musikschulen verlassen und Quereinsteiger werden, zum Beispiel im allgemeinen Schullehramt. Und dann gibt es noch eine kleine Verschärfung. In den nächsten zehn Jahren werden in Nordrhein Westfalen durch Abgänge, Verrentung, vor allen Dingen 4000 Stellen frei, von denen uns überhaupt nicht klar ist, wie die wieder besetzt werden sollen. Wenn man das mal spiegelt mit den Studierendenzahlen an den Musikhochschulen, die ich jetzt allerdings nicht referieren kann – also das ist kein kleines Problem, sondern das ist ein dramatisches Problem, was entweder dazu führen kann, dass Musikschulen schrumpfen. Wenn Musikschulen schrumpfen, dann verlieren sie auch bald Bedeutung. Bei einer gewissen Kleinheit, sage ich mal, geht gesellschaftliche Relevanz einfach verloren. Oder die Musikschulen sind dann nicht mehr ausreichend mit qualifiziertem Personal bestückt. Und letztlich wollen wir in diese Zustände, die wir früher mal hatten, weil wir nicht wieder zurück, sondern wir meinen, dass an der öffentlichen Musikschule tatsächlich eine ausgebildete Musikschullehrkraft sein muss.
Kristin Thielemann: 4000 Personen gehen in Rente und ich habe gerade gestern gefeiert auf Instagram ein Like vergeben für ein Bild aus der Hochschule in Köln. Extrem viele Erstsemester im Fach Musikpädagogik, vielleicht 20 oder 25 Personen waren auf dem Bild mit der lieben Natalia Ardila-Mantilla in der Mitte, die auch schon hier im Podcast zu Gast war. Und ich dachte schon Wow, das sind aber wirklich viele! Aber das ist dann ja im Vergleich zu denen, die wir benötigen, eine verschwindend geringe Anzahl.
Volker Gerland: Und die Jahrgänge, die früher solche Ausbildungsgänge absolviert haben, waren doch erheblich größer. Ich kann mich daran erinnern, als ich angefangen habe zu studieren. Das war übrigens hier im Haus, wo wir jetzt gerade sitzen und den Podcast aufnehmen.
Kristin Thielemann: Oh, wie schön.
Volker Gerland: War der Jahrgang, mit dem ich angefangen habe, so um die 70, 80 Studierende groß. Da waren sicher auch ein paar Kirchenmusiker dabei. Aber die meisten sind doch in die Richtung gegangen, in lehrende Tätigkeiten reinzukommen. Und das ist einfach jetzt viel zu wenig, um die Lücken mal irgendwann zu schließen.
Kristin Thielemann: Merkst du das denn auch bei den Bewerbungen, Stefan Dass es da quantitativ weniger Bewerbungen gibt?
Stefan Prophet: Ja, das bemerken wir ja. Was die Quantität angeht und Qualität muss man noch mal differenzieren. Also noch ergänzend vielleicht alleine. Wir hier in Dortmund haben an Verrentungen anstehen in den nächsten zehn Jahren. 72 Kolleginnen und Kollegen. Okay, das ist schon nicht so wenig.
Kristin Thielemann: Etwa auch noch Vollzeitstellen?
Stefan Prophet: schon viele mit nennenswerten Deputaten, also irgendwas zwischen 75 und 100 %. Das sind eben sehr viele. Das sind die Boomer-Jahrgänge, die jetzt auch so langsam eben gehen. Wie Volker schon sagte, die Hochschulklassen sind nicht vergleichbar groß, was die Bewerbung an sich angeht. Die Anzahl mag abgenommen haben. Was aber tatsächlich sehr abgenommen hat, das waren so die Profile, die wir hier gebrauchen können. Also wir bekommen unheimlich viele Bewerbungen mit ganz tollen Referenzen, mit exzellenter künstlerischer Ausbildung, umfangreicher Konzertpraxis, aber eben die pädagogische Ausbildung, geschweige denn Erfahrung, Kenntnis einer seiner öffentlichen Musikschule, dem Bildungsauftrag. Da gibt es erstens wenig Erfahrung. Erfahrung kann man dann ja auch sammeln, das gehört ja auch dazu. Aber auch erkennbar wenig Gespür dafür, dass das bedeutend ist für den Beruf, für die Bewerbung.
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Stefan Prophet: Also wenn man so einen Lebenslauf sieht – und die sind oft auch sehr lange Lebensläufe – und auf den ersten 2 bis 3 Seiten steht nur, bei wem man Meisterkurse künstlerischer Art absolviert hat und mit welchem Orchester man wo irgendwo welches Konzert in epischer Breite mit drei YouTube-Links gespielt hat. Und irgendwo unten drunter steht dann bei einer Bewerbung auf eine musikpädagogische Stelle. Ja, ich habe auch schon mal Klavierschüler gehabt. Dann dann ist das nicht so das Profil, was wir unbedingt suchen. Also im Moment, so groß die Menge auch an solchen künstlerischen Bewerbungen ist, kriegen wir auch fast alle Stellen noch besetzt. Was wir nicht besetzt kriegen, ist EMP. Aber das ist ja sicherlich auch ein eigenes Thema. Man merkt es aber eben auch an den Instrumentalfächern, die ja traditionell sehr stark vertreten sind an Musikschulen. Klavier, Gitarre ist mittlerweile echt, sagt man dann Mangelfach, nein ein Mangelabsolventenfach geworden.
Volker Gerland: Wenn der Stefan jetzt sagt, er kriegt seine Stellen hier besetzt, liegt es natürlich auch daran, dass hier in Dortmund jetzt vergleichsweise große Pakete ausgeschrieben werden und dass es in den Großstädten natürlich auch so ist, dass man unabhängig von der Stelle, die man bei der Musikschule hat, vielleicht noch andere Möglichkeiten hat, Geld zu verdienen. Es sieht auf dem Land auch dann jetzt schlechter aus mit der Frage, wie man überhaupt beschäftigt werden und wie man überhaupt Leute findet.
Kristin Thielemann: Tja, der Vorteil einer großen Stadt: Das Pensum ist größer, du kannst nebenher vielleicht noch ein paar Muggen machen. Das ist ja dann natürlich finanziell echt ein gutes Auskommen. In einer großen Stadt zu leben, ist für junge Menschen sowieso attraktiv. Aber wenn ich mir vorstelle, ein kleines Teilpensum auf dem Land vermutlich schwierig, Leute dafür zu finden.
Volker Gerland: Also ich glaube, dass viele kleinere Musikschulen im ländlichen Raum jetzt schon tatsächlich dastehen und nicht wissen, wer den Geigenunterricht oder den Posaunenunterricht demnächst machen soll.
Stefan Prophet: Das ist das was, was du, Volker, ja auch meintest mit der Relevanz. Wir sind eine sehr große Musikschule mit allen Vor- und Nachteilen, die das mit sich bringt. Aber ein Vorteil ist eben auch, dass wir beispielsweise eine ganze Stelle Oboe haben, wie auch eine ganze Stelle, nein mehrere sogar, Harfe oder auch vermeintliche andere Exotenfächer im Musikschulkanon. Ja, da geht es uns hier vergleichsweise eben noch gut. Und wenn man einen Blick das mache ich immer mal wieder gerne in den Stellenteil des VdM wirft, dann sind da, ich glaube Stand heute 122 Stellen annonciert.
Kristin Thielemann: Eine stattliche Anzahl.
Stefan Prophet: Aber ich sage mal, Umfänge, von denen man sich auch eine Existenz aufbauen kann, unabhängig davon, ob ländlicher Raum oder auch Metropole, die sind doch sehr gering. Also das, was ja auch Ziel sein sollte an einer Musikschule sich eine Existenz aufzubauen, sich auch entsprechend mit dieser Einrichtung so zu identifizieren und nicht irgendwie an fünf Tagen Musik, fünf Musikschulen der Umgebung abfahren zu müssen, das ist im Moment tatsächlich auch selten gesät.
Kristin Thielemann: raus in diese Region schicken. An einem Tag in der Woche beispielsweise. Dann hätte man doch den einen Arbeitgeber, den Lebensmittelpunkt in der Stadt und die ländliche Region. Die wäre aber trotzdem mit bedient. Wäre denn sowas irgendwie denkbar?
Volker Gerland: Realistisch gesagt ja, also das funktioniert glaube ich nicht so gut, weil die Entfernungen bleiben ja gleich.
Kristin Thielemann: Hm, ja, stimmt auch wieder.
Volker Gerland: Also man könnte vielleicht Anstellungsverhältnisse zusammenfassen. Das wäre auch heute möglich, dass man im ländlichen Raum überlegt: Ich habe einen Bedarf von zehn Stunden Violine. Du hast einen Bedarf von zehn Stunden Violine. Das ist normal. Also, dass man so über die Kommune hinaus zusammenarbeitet. Aber wie gesagt, die Wege bleiben, die Wege bleiben gleich. Das würde, glaube ich, das Problem auch nicht lösen, weil einfach zu wenig Lehrkräfte auf dem Markt sind.
Kristin Thielemann: Ja und was sind denn dann andere Lösungsansätze?
Volker Gerland: Ich sage mal, wir forschen natürlich alle, haben uns natürlich auch viel Gedanken darüber gemacht, woran es wohl liegt, dass wir jetzt im Moment in diesem Knick sind. Und da ist diese Boomer-Verrentung im Moment sicher das eine. Das trifft auch andere, das trifft auch Lokomotivführer. Es wird alle möglichen Bereiche treffen, besonders da, wo qualifiziertes Personal gebraucht wird. Ich hatte gerade ja so ein bisschen versucht zu erzählen, dass es nicht nur an der Boomer-Verrentung liegt, sondern auch daran, dass vergleichsweise unattraktiv bezahlt wird. Und in anderen pädagogischen Bereichen, zum Beispiel im Grundschullehramt, wird inzwischen doch erheblich besser bezahlt. Dann leben wir immer noch mit einem schlechten Ruf, weil über Jahrzehnte hinaus eigentlich es immer hieß: An Musikschulen kannst du höchstens mal ein paar Stunden Honorarbeschäftigung kriegen. Darauf baut dann doch nicht so gerne jemand sein sein Leben auf. Und dann gibt es natürlich auch das Problem, dass an den Musikhochschulen die Studiengänge für den pädagogischen Bereich oft nicht so wertgeschätzt sind wie der der künstlerische Bereich. Die Sachen, die ich da gerade referiert habe, sind allerdings auch so zu verstehen, dass eine ganze Menge davon schon bearbeitet wird. Zum Beispiel diese Frage der tariflichen Bezahlung ist tatsächlich in der Diskussion vielleicht nicht so, dass man hinterher sagt: Musikschullehrkräfte gehören zu den Reichsten in Deutschland.
Volker Gerland: Und man muss natürlich auch wirklich anerkennen, dass an den Musikhochschulen vielfach versucht wird, die Schwellen für unsere Bewerberinnen und Bewerber zu senken und dafür zu sorgen, dass die Aufnahmeprüfung realistisch sind und dass Studienplätze zur Verfügung gestellt werden. Denn diese ganzen Dinge dürfen natürlich nicht dazu führen, dass diejenigen, die eigentlich die beste Chance haben, was an der ganzen Misere zu bewegen, ihre Hände in den Schoss legen, weil sie sagen: Ja, solange die Bezahlung so ist und die Musikhochschulen nicht funktionieren, brauche ich als Achtung Musikschulleitung nämlich gar nichts zu tun. Und wir glauben – nicht nur Stefan und ich, sondern eine gesamte Arbeitsgruppe, die dahinter steht – dass die Musikschulleitungen einen der wesentlichen Schlüssel für dieses Problem oder zur Lösung dieses Problems in der Hand haben. Denn wo sollen denn die Bewerberinnen und Bewerber für die Plätze an den Musikhochschulen herkommen, wenn nicht von den öffentlichen Musikschulen? Selbstverständlich gibt es auch einen privaten Markt und und und. Aber quantitativ haben wir doch die meisten Schülerinnen und Schüler und müssen dafür sorgen, dass die für den Beruf begeistert werden.
Kristin Thielemann: Ja, das sollte doch nicht so schwer sein, denn unser Beruf gibt ja echt was her, oder?
Volker Gerland: Ja, aber scheinbar hat es ja zuletzt nicht so richtig geklappt. Es gibt, glaube ich, Dinge, die für die Musikschulleitung relativ leicht zu lösen sind. Nämlich, dass man mal dafür sorgt, dass die Wertschätzung innerhalb der Musikschulen einmal für die Kolleginnen und Kollegen durch die Musikschulleitungen sehr gut spürbar ist, aber auch für die Schülerinnen und die Eltern. Also jede Musikschulleitung müsste eigentlich jede Gelegenheit nutzen, um zu sagen: Jetzt gucken Sie sich das mal an, wie toll diese Schülerinnen und Schüler hier spielen. Und wissen Sie, woran das liegt? Das liegt daran, dass meine Kollegin, mein Kollege XY, wirklich einen fantastischen Unterricht macht. Und das kostet nichts! Das ist relativ einfach, aber ich glaube, das könnte in den Köpfen der Schülerinnen und Schüler und vor allen Dingen auch den Köpfen von deren Eltern eine Menge bewegen, wenn man das deutlich vor sich her tragen würde.
Kristin Thielemann: dass er mal ein Wort zu uns als Lehrkräften verloren hätte. Nein, wir saßen da mit sicher 25 Lehrkräften am Tisch und machten große Augen und dachten: Wir kennen wirklich jeden von diesen Kindern oder von diesen Jugendlichen, die da auf der Bühne sitzen. Und wir haben die gefeiert, seitdem sie ganz, ganz klein sind. Und ja, für wirklich die kleinsten Leistungen. Und wir haben sie, wir haben ihn so lange Wind in die Segel gepustet, bis sie da oben sitzen konnten. Und ausgerechnet wir werden nicht erwähnt. Und ich muss sagen, das fand ich echt schade!
Stefan Prophet: Ich möchte an der Stelle auch noch einen Punkt ergänzen. Du hast ja jetzt gerade wieder auch von einem wahrscheinlich großartigen repräsentativen Konzert erzählt. Gut 99 % dessen, was unsere Lehrkräfte tun, findet ja naturgemäß hinter verschlossenen Türen statt, nämlich der Unterricht, der regelmäßige und der auch manchmal nicht immer nur für alle Beteiligten freudebringende, aber ja doch der. Der Kern dessen, was wir tun, finde ich hinter verschlossenen Türen statt und ist auch niemals irgendwie eine Social Media oder Zeitungsmeldung wert, steht nie in der Zeitung: "Erfolgreiche Unterrichtsstunde in der EMP-Gruppe, in Musikschule irgendwo!" Das führt dann zu den Ergebnissen, von denen du gerade berichtet hast und die Wertschätzung nach außen vollkommen klar ist. Total wichtig für mich gehört auch als Baustein ergänzend dazu, dass man innerhalb der Kollegien auch dafür sorgt, dass diejenigen, ich sage mal jetzt mal so die Heldinnen und Helden, so der der der Basisarbeit, die ja bestimmte repräsentative Konzerte und Darbietungen erst ermöglichen, auch innerhalb des Kollegiums die Wertschätzung erfahren, die sie auch bedürfen. Es gibt naturgemäß die Kolleginnen und Kollegen, die die Jugend musiziert Preisträger haben, die ein Orchester leiten und da vorne stehen. Es gibt aber auch diejenigen, ohne die das überhaupt nicht möglich ist. Das sind beim Orchester natürlich vollkommen klar diejenigen, die auch den Unterricht erteilen oder auch die Registerproben machen. Aber die die Interdependenz besteht ja auch darin, wenn es keine gute EMP, keine gute Grundlagenarbeit, meinetwegen auch JeKits, Bläserklassen oder Einzelunterrichtsstunde gibt, dann gibt es am Ende auch keine SVA. Und wenn es am Ende keine SVA gibt, dann gibt es auch keine Studierenden, die dann irgendwann wieder in der Musikschule ins System einsteigen und wieder da anfangen, was das andere erst ermöglicht.
Kristin Thielemann: Aber es ist auch so die Wertschätzung untereinander im Kollegium, dass wir auch anerkennen, wenn andere aus unserem Team was ganz, ganz toll machen. Und wir haben jetzt bei uns an der Schule seit einigen Jahren ja standardmäßig das An- und Abgrillen des Semesters, wo wir uns feiern, einfach, dass wir ein schönes Semester haben und auch ein bisschen ja in Austausch kommen, einfach so, also ganz ungezwungen. Es ist es keine Sitzung, aber das ist.. Oftmals wird dort auf diesem Angrillen und Abgrillen wird mehr gefeiert, wird nicht mehr gegrillt... Nein, aber es wird mehr geklärt als auf diesen richtigen Sitzungen, Fachgruppensitzungen oder ja, wie heißt das bei uns: Lehrerinnen- und Lehrerkonvent.
Stefan Prophet: Oh schön! Den Begriff nehme ich mit, aber das ist auch das, was ich meinte. Also innerhalb des Kollegiums muss die gegenseitige Wertschätzung vorhanden sein, dass das eine nur mit dem anderen funktioniert. Es gibt nicht entweder oder. Es gibt nur das Gemeinsam, das gemeinsam durch alle Unterrichtsarten, durch alle Ausbildungsstufen. Und dann führt das letztlich zu dem Ergebnis, von dem ihr berichtet habt unter öffentlichen Präsentationen. Und natürlich muss darauf hingewiesen werden. So ein Konzert, so eine Leistung hat immer viele, dass die Schüler / Schülerinnen haben natürlich auch die Unterstützung von Freunden und die müssen auch in der Schule erklären, warum sie vielleicht mal zwei Stunden am Instrument verbringen und nicht mit rausgehen irgendwas machen. Aber natürlich sind die Lehrkräfte ein ganz, ganz entscheidender Teil und die Wertschätzung dessen auch in der Öffentlichkeit, aber auch in der Kommunikation in vorhandenen Strukturen. Eltern gegenüber in Vier-Augen-Gespräch. Das ist das, was einen ganz wesentlichen Teil ausmacht.
Volker Gerland: uns haben ja zunächst mal ihre Liebe zum Instrument entdeckt und haben angefangen zu üben und zu spielen und nicht nur die und haben danach erst die Liebe zum Unterrichten entwickelt. Und man kann auf keinen Fall einen Musikschullehrer darauf reduzieren, dass er nur ein Lehrer ist. Er ist eben auch ein Künstler. Und da gibt es in allen Musikschulen die Möglichkeit, auch den Künstler letztlich wirksam werden zu lassen, sei es bei Musikschulveranstaltungen oder in dem kleineren Ort, in dem die Musikschullehrkräfte auch die städtischen Kulturveranstaltungen sozusagen bestücken. Denn ich glaube, dass das eben auch für junge Menschen, die jetzt ein Interesse daran entwickeln könnten, an einer Musikschule tätig zu werden, ein wichtiges Argument ist zu sagen: Ich kann da auch weiter mich künstlerisch entfalten! Und auch das kostet kein Geld und kostet nur ein bisschen Mühe und ein bisschen Bewusstsein. Kann aber so ein Klima in einer Musikschule doch ganz entscheidend in eine andere Richtung bewegen? Ja.
Kristin Thielemann: Und das ist ja das, was du als Musikschulleitung ja gleich mit dazu kriegst. Zum Pädagogen oder zur Pädagogin dazu, dass du Personen hast, die künstlerisch wirklich echt was drauf haben.
Volker Gerland: Absolut. Und dass das zu zeigen auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit, nicht nur einmal im Jahr, bei einem Konzert oder so, das ist natürlich auch ganz wichtig für das Image von so einer Musikschule und auch sehr wichtig für die Außenwahrnehmung, damit eben nicht von außen gedacht wird. Ach, das sind Leute, die machen hobbymäßig so ein bisschen Musik und zeigen den Kindern noch ein bisschen was. Dann machen wir uns mal nichts vor. Was wirklich ein Musikschule, was eine Musikschullehrkraft leisten kann, ist glaube ich nicht Allgemeingut. Beim Lokomotivführer oder beim Straßenbahnfahrer weiß man das glaube ich eher als bei einer Musikschullehrkraft.
Stefan Prophet: Und neben Grillen und Biertrinken ist auch immer ein ganz besonders positiven Effekt, wenn man die Freiräume einräumt, dass die Kolleginnen und Kollegen gemeinsam musizieren. Also wer gemeinsam Musik macht. Das ist ja auch schon eine Binsenweisheit. Aber das erweist sich immer wieder in der Realität, wenn man den Kolleginnen und Kollegen die Gelegenheit gibt, gemeinsam zu musizieren und das dann auch noch vielleicht zu präsentieren. Das ist auch für das Klima und gegenseitige Verständnis und natürlich auch für die Außendarstellung und auch gegenüber der Musikschulfamilie Eltern Angehörigen total wertvoll.
Kristin Thielemann: Absolut. Vom Biertrinken hatte ich aber nichts gesagt.
Stefan Prophet: Das ist bei uns...
Kristin Thielemann: Es hat aber stattgefunden!
Stefan Prophet: De facto bei uns ist das hier eins: wo gegrillt wird, wird auch Bier getrunken.
Kristin Thielemann: Also gut, Punkt für dich!
Stefan Prophet: wir haben jetzt auch auch angefangen mit einem Format, dass wir jüngeren oder auch neu eingestellten Kolleginnen und Kollegen auch ein Podium bieten. Also quasi Einstandskonzert. Der Besuch von Kolleginnen und Kollegen ist auch sehr gut. Das wird sehr gut angenommen, so im Rahmen dessen, was möglich ist. Sind ja nicht immer alle gleichzeitig auch tatsächlich frei und fertig mit der Arbeit. Aber so eine halbe Dreiviertelstunde eine Bühne bieten, das ist fürs Ankommen auch total gut und wertvoll. Und das nimmt auch dann die neuen Kolleginnen und Kollegen gleich auch mit ihrer künstlerischen Expertise wahr.
Kristin Thielemann: Und es ist ja auch toll, weil jeder, der eine Professur bekommt, der hält ja auch eine Antrittsvorlesung.
Volker Gerland: Genau. Und das ist eben auch eine Frage von Wertschätzung, dass man den Kolleginnen und Kollegen ermöglicht, auch künstlerisch anzukommen.
Kristin Thielemann: Ja, toll.
Volker Gerland: Jetzt haben wir ja, das haben wir ja die ganze Zeit vor allen Dingen von Dingen gesprochen, von denen ich behauptet habe, dass die relativ einfach sind. Mhm. Jetzt waren wir gerade an einem Punkt, wo es um das Klima innerhalb des Kollegiums geht und wie die Kolleginnen und Kollegen sich da wohlfühlen. Und ich glaube, da sind wir auch an einem ganz, ganz wichtigen Punkt. Denn nur wenn die Lehrkräfte, die an einer Musikschule arbeiten, wirklich mit dem, was sie da tun sollen, zufrieden sind, dann kann das auch auf die Schülerinnen und Schüler abstrahlen. Also ich würde mal behaupten, eine Lehrkraft, die die ganze Zeit vor sich her trägt, ich wäre am liebsten nicht bei dir in der Unterrichtsstunde, sondern am liebsten wäre ich ganz woanders, kann kaum jemanden dazu motivieren, in so eine berufliche Richtung zu gehen.
Kristin Thielemann: Na, so eine Einstellung zum Unterrichten ist aber auch der Horror, wenn du so jemanden im Team hast. Oh, herzlichen Glückwunsch.
Volker Gerland: die Lehrkräfte alles gleichermaßen abdecken, sondern man muss den Lehrkräften auch eine Möglichkeit geben, Einsatzprofile zu entwickeln, ihren Neigungen und ihren Fähigkeiten entsprechend oder eben entsprechend auch Dinge zu begleiten, wenn sie in neue Felder eingeführt werden.
Kristin Thielemann: Was mir immer noch wichtig ist, ist, wenn ich jetzt einen Schüler oder eine Schülerin habe, mit dem oder der ich nicht so gut klar komme, dass ich die Möglichkeit habe zu sagen: "Hey, das passt einfach nicht so gut zu meinem Unterricht! Und gäbe es da nicht vielleicht jemanden im Team, an den ich das Kind weitergeben könnte und zu dem das wirklich wahrscheinlich wunderbar passen könnte?" Nicht als Vorwurf: Ich habe das nicht gut gemacht, oder der unterrichtet ja nur die Schlechten oder Du bist ein schlechter Schüler – sondern einfach zu sehen, da würde was besser passen. Und dann dann jemand weiterleiten zu können, ohne dass da irgendwem ein Zacken aus der Krone bricht.
Stefan Prophet: Genau. Also Musikschule verstehen wir ja auch und verstehen wir ja auch innerhalb der Strukturen des VdM als systemischen Bildungsorganismus. Und der bedingt ja auch, dass die Kolleginnen und Kollegen miteinander sprechen und dass es verschiedene Stärken und Profile von Lehrkräften auch der gleichen Fächer innerhalb eines Kollegiums gibt. Wir hatten das eben ja schon zum Thema gegenseitige Wertschätzung der jeweiligen Einsatzbereiche Tätigkeitsbereiche. Und es ist auch wichtig, den ich sage jetzt mal Kolleginnen und Kollegen zu kommunizieren. Das gilt natürlich auch für andere Bereiche. Wenn sich bei dir Schülerinnen und Schüler abmelden oder nicht weitermachen wollen das ist kein Scheitern. Da muss man auch immer wieder sagen: Du hast da möglicherweise viel Herzblut investiert. Es passt vielleicht nicht, vielleicht kommt eine andere Kollegin, ein anderer Kollege besser in der Situation mit der Schülerinnen und Schüler klar, die Passung ist eine andere. Aber auch wenn gerade in diesen Programmen, die ja auch den erweiterten Bildungsauftrag der Musikschulen darstellt, wie Jeki JeKits und vergleichbare Programme. Nicht jedes Kind sollte – schön wär's, aber es ist nun mal so Nicht jeder macht lebenslang Musik und es ist kein Scheitern, wenn sich ein Schüler oder eine Schülerin abmeldet. Und das muss man auch entsprechend zu vermitteln.
Kristin Thielemann: Es spielt ja auch nicht jeder ein Leben lang Fussball und es wechseln ja auch durchaus Kinder mal die Mannschaft oder den Verein oder der Trainer wechselt und wir sind immer so auf: da muss jemand kommen und der Weg führt nur mit dieser Lehrkraft zusammen bis zur SVA oder eben auch nicht!
Volker Gerland: Genau das ist aber tatsächlich nicht mehr Musikschule. Musikschule ist inzwischen ja viel, viel vielfältiger.
Kristin Thielemann: Glücklicherweise.
Volker Gerland: Glücklicherweise viel vielfältiger geworden. Und darum muss es eben auch möglich sein, dass man bestimmte Profile entwickelt. Ich bin zum Beispiel klassischer Gitarrist. Ich bin vollkommen überfordert bei bestimmten Sachen im Bereich Popmusik. Ich kann Popmusik so lange mitgehen, wie das mit meinen Mitteln gespielt wird, also nach Möglichkeit nach Noten und mit einer klassischen Technik. Aber wenn ich einen Schüler hatte, der jetzt ausgesprochen eher in eine Richtung gehen wollte, wie wie E-Gitarre und und stilistisch auch in eine andere Richtung, dann musste ich die Möglichkeit haben, ihn weiterzugeben, sonst wäre ich unglücklich geworden. Und die Schülerin oder der Schüler tatsächlich auch. Und das ist jetzt ja nur ein ganz simples Beispiel. Und dann ist es eben schwierig, wenn Kolleginnen und Kollegen in Arbeitsfeldern verhaftet werden, die sie möglicherweise nicht gut bedienen können, und werden dann unzufrieden und strahlen dann eben nicht diese Form von Zufriedenheit ab, die wir brauchen, um unseren Nachwuchs zu motivieren.
Kristin Thielemann: Aber da bist du dann wieder bei den kleinen Musikschulen. Was macht die kleine Musikschule, die vielleicht nur eine Geigenlehrerin hat? Oder zwei Klavierlehrer, die beide vielleicht nur Pop oder nur Klassik machen? Was machst du, wenn du niemanden hast? Also ich könnte mir schon vorstellen, dass es spannend wäre, auf Dauer irgendwie so eine Art von von Pool zu haben, so Lehrkräfte, die dann aber auch so wie Springer sind.
Volker Gerland: Also wenn man so einen Mangel feststellen würde an einer kleinen Musikschule, also man hätte jetzt so das Gefühl, also dann bleiben wir bei der Geige. Ich kriege immer wieder Schüler, die kann ich nicht gut bedienen, weil das musikalische Profil bei mir nicht passt. Ich bleibe jetzt bei meinem musikalischen Profil, weil das, glaube ich, anschaulicher ist. Dann gäbe es ja auch die Möglichkeit zu sagen: Gibt es denn hier an der Musikschule jemanden, der mir da reinhelfen kann? Haben wir denn hier einen Gitarristen, mit dem ich mal sprechen kann über die Frage: Wie geht ihr denn an so eine Sache ran? Können wir vielleicht mal mit mal tauschen, dass meine Geigenschülerin zu dir als Gitarrist kommt und ihr mal über die Sachen sprecht? Also da gibt es schon Möglichkeiten, oder kann ich mich als Geigenlehrkraft jetzt vielleicht weiterbilden in dem Bereich?
Kristin Thielemann: was sind wir für eine Musikschule! Wir haben Geburtstag, gefeiert von einer Kollegin und haben dann gesagt: Na, ob die Schüler das wohl merken würden, wenn du jetzt zu meinem und ich zu deinem...? Und ich war tatsächlich dann bei einem Gitarristen drin und habe 25 Minuten Gitarrenunterricht gegeben, obwohl ich eigentlich nicht mehr weiß, wie man Gitarre sauber stimmt. Aber wir hatten eine unheimlich tolle Zeit, der kleine Gitarrero und ich. Und ja, als ich zurückkam, nach 25 Minuten zu meinem Schüler, war der so: Wow, guck mal, was ich gemacht habe. Ich habe was auswendig gespielt, ich habe improvisiert. Schau mal, können wir das weitermachen? Der hatte so viel tolle Ideen, dass wir beschlossen haben, das machen wir häufiger mal – auch ohne Sekt vorweg.
Volker Gerland: Super, da bist du bei einer der großen Stärken der öffentlichen Musikschule und auch bei einem großen Pluspunkt von öffentlicher Musikschule als Arbeitsplatz. Wir können nämlich vernetzt arbeiten. Also wir dürfen Musikschule auf keinen Fall verstehen als eine willkürliche Anhäufung von Lehrkräften, die in nebeneinander liegenden Räumen durch Zufall gleichzeitig unterrichten, sondern Musikschule wird nur da wirksam, wo auch wirklich zusammengearbeitet wird und wo diese Stärken genutzt werden. Und ich glaube, dass dieses nicht einfach Nebeneinander her arbeiten, sondern dieses Zusammenarbeiten, das braucht Raum, das braucht Unterstützung von Leitungsseite, aber dann kann das natürlich auch sehr dazu führen, dass man sich an der Musikschule wie in einem sozialen Netz vernünftig aufgehoben fühlt und auch Arbeitszufriedenheit steigert. Und das kann auch wieder auf Schüler und Schülerinnen abstrahlen, denn wir sind ja heute eigentlich dabei zu überlegen: Wie kriegen wir Nachwuchs?
Stefan Prophet: Ich würde da gerne noch mal einhaken bei Schülerinnen und Schülern. Jetzt ist ja pädagogisches, instrumentalpädagogisches pädagogisches Geschick nicht immer gottgegeben, sondern hat ja auch einen wesentlichen Anteil von Handwerk. Und ich halte auch viel davon. Und ihr habt das ja in dem Beispiel, wie du es geschildert hast, wahrscheinlich ja auch so gemacht. Wenn man den Schülerinnen und Schülern auch mal klar macht, wie es denn geklappt hat. Wie habe ich dir denn jetzt auf einem Streichinstrument... Wie habe ich dich zum Vibrato geführt oder wie habe ich dir Lagenspiel auf der Gitarre beigebracht? Hast du gemerkt. Und das da auch so ein Prozess anfängt bei den Schülerinnen und Schülern und auch ein Interesse. Ah ja, okay, es ist ja nicht du kommst zu mir, ich habe meinen Rezeptblock und nach der Stunde gehst du wieder raus und kannst das. Und dann den Schülerinnen und Schülern den Weg aufzuzeigen, auch mal den Eltern zu erklären, was haben wir gemacht? Und dann, gerade auch bei der Nachwuchsgewinnung aus der Musikschule heraus gibt es da auch noch weitere Möglichkeiten, die dann ja auch wiederum mit Schülerinnen und Schülern zu tun haben, sich öffnen auch als Institution, aber auch sein pädagogisches Handwerkszeug zum Teil offen zu legen über Praktika, über Angebote von Freiwilligen Sozialen Jahren, nicht nur irgendwie am Telefon, im Sekretariat, sondern wirklich auch in der Unterrichtspraxis. Hospitationen anbieten, so wie du es geschildert hast. Auch mal Lehrer und Fächer zu wechseln, wenn es um barocke Ornamentik geht, ist immer mein Lieblingsbeispiel. Muss ich nicht unbedingt bei meinem Instrumentalpädagogen sein, das kann mir auch ganz jemand anderes beibringen. Und am Ende ist es doch richtig und korrekt.
Kristin Thielemann: Apropos SVA Studienvorbereitende Ausbildung. Um dieses wichtige Thema ging es in Folge 60 mit Angela Bauer und Matthias Edeler. Vielen Dank an dieser Stelle euch für die tollen Feedbacks zu diesem Gespräch! Wenn ihr es noch mal hören wollt oder noch nicht gehört habt Ich habe es in die Shownotes gestellt und ihr findet es natürlich überall, wo es Podcasts gibt.
Volker Gerland: Also wir haben sehr, sehr gute Erfahrungen damit gemacht in der Vorbereitung auf Jugend musiziert. Wenn dann nämlich in der Musikschule auf einmal 20 Ensembles gleichzeitig proben, weil es gibt ja dann nur einige attraktive Wochenenden, in denen diese Vorbereitung läuft, können die Lehrkräfte nicht überall sein. Da können aber zwischendurch quasi als Assistenten fortgeschrittene Schülerinnen und Schüler rumgehen und können den Prozess, den die Ensembles dann selbstständig machen, während die Lehrkraft woanders ist, können dem begleiten und können vielleicht auf so eine Art und Weise auch auf die Idee kommen, dass man sowas als Beruf machen könnte. Diese Möglichkeiten werden wir in Zukunft sehr stark nutzen müssen, besonders wenn ich an den nicht mehr abwendbaren Fachkräftemangel denken denke, den wir zwischendurch haben werden. Und da werden wir solche Möglichkeiten unbedingt nutzen müssen, auch auf fortgeschrittene Schülerinnen und Schüler praktikumsmäßig da einzubinden.
Kristin Thielemann: ihr zusammen spielen und zwar dann Trompete spielen – bei mir. Und das ist ganz faszinierend, was dann passiert. Selbst bei Kindern, die jetzt nicht so die wahnsinns großen Leuchten sind jetzt im Instrumentalunterricht, auch wenn man sie zu dem, zu dem Großen macht, zu dem Paten. Die kommen dann und fragen: Sag mal, ich weiß, wir haben das schon 100 Mal besprochen, aber wie ging das jetzt noch mal ganz genau? Also das, was vorher wenig Relevanz hatte, hat jetzt plötzlich eine riesen Relevanz, weil man will ja vor dem Kleinen nicht das Gesicht verlieren. Man will ja zeigen, dass man das kann. Und das ist wirklich eine ganz, ganz tolle Sache, die ich also für die Motivation aller eigentlich nur empfehlen kann.
Stefan Prophet: Ausgangspunkt war ja auch, was kann – und das war ja auch Thema unserer Arbeitsgruppe – die Musikschulleitung qua Funktion eben für Rahmenbedingungen schaffen und ermöglichen, dass so was passiert. Und da sind wir dann auch wieder. Das ist das Ermöglichen. Das sind jetzt keine so fernen Dinge. Das ist dann eben auch den Kolleginnen und Kollegen den nötigen Freiraum für andere Unterrichtsformen, Unterrichtseinheiten für ein Miteinander in der jeweiligen Klasse zu ermöglichen. Das Ermöglichen auch von schlichten Dingen wie Übberäumen und und Treffräumen für wie du es geschildert hast, dieses Patenpaar. Denn wenn die zusammenkommen, dann werden die sich ja gerne auch in der Musikschule treffen.
Kristin Thielemann: Stimmt auch wieder.
Stefan Prophet: Ja, den Kolleginnen und Kollegen auch zu ermöglichen, nicht so auf die Finger zu gucken. "Oh, das ist aber... Der Schüler hat jetzt aber eine einzelne Unterrichtsstunde 45 Minuten gebucht, da hat kein anderer irgendwie was mit zu suchen!" Ja, es gibt den Kollegen, das Vertrauen, bestärke sie, wertschätze das, was gelingt, und gehe mit dem, was möglicherweise nicht gelingt, behutsam um.
Kristin Thielemann: Ein Traumchef!
Volker Gerland: Ich glaube, dass das gerade für die jungen Leute, die jetzt so groß werden und ich sehe das ja auch an meinen eigenen Kindern, dass für die solche mit Gestaltungs- und Einflussmöglichkeiten auf das, was da passiert, wo sie mal arbeiten wollen sollen, dass das für die unheimlich wichtig ist, sich nicht als Rädchen in einem Getriebe zu fühlen, sondern zu sehen mit meiner Fachkenntnis, mit dem, was ich will, mit meiner Liebe zur Musik, mit meinem Engagement kann ich auch mitbeeinflussen, wie die Musikschule ihren Weg geht zur Erfüllung ihres Bildungsauftrags. Und das müssen wir jetzt anfangen, damit diese Ausstrahlung auch da ist. Wieder für die Schülerinnen und Schüler. Und damit so ein Arbeitsplatz wirklich attraktiv ist. Denn ich glaube, dass bei den jungen Leuten das mit der Bezahlung das spielt natürlich immer eine Rolle, weil man muss ja irgendwo von leben. Aber die Generation, die jetzt sich entscheidet, wo geht's hin, die guckt nicht nur aufs Geld, sondern die guckt auch darauf, wie es den man Arbeitsplatz gestaltet. Und macht das denn gesellschaftlich irgendwie Sinn, was ich da tue? Ist das denn wichtig? Wer wird das auch wichtig genommen? Ist das in irgendeiner Form von von Relevanz? Und darum müssen die Musikschulen natürlich einerseits sehen, dass sie sich in den einzelnen Orten so positionieren, dass sie tatsächlich für diesen Ort relevant sind. Und das kann sehr unterschiedlich sein. Das kann im kleinen Ort in der Schweiz anders sein als im Kiez in Berlin. Da gibt es jetzt nicht eine Musikschule, die muss so funktionieren, sondern die so funktionieren, dass sie gut für ihre Gemeinschaft ist, für die, für die sie wirkt. Und dann können die Schülerinnen und Schüler auch sehen, ja, da mitzumachen. Das ist ein Beitrag zur zu einer vernünftigen Gesellschaft Und meine Liebe zur Musik weiterzugeben.
Kristin Thielemann: Ganz essenziell an dem, was du gesagt hast, ist, dass junge Menschen heute anders lernen wollen. Und zwar nicht, dass sie nur noch unterrichtet werden wollen, also einer gibt, der andere empfängt, sondern dass sie mitgestalten wollen. Deswegen funktionieren ja auch Soziale Netzwerke so gut. Da bist du in einem Forum drin und natürlich gibt es irgendeine Form von Administrator, aber es gibt... Du kannst von dir aus Impulse an die Gemeinschaft geben, kannst aber genauso Impulse empfangen. Und genauso muss Lernen auch funktionieren, dass du nicht erstmal irgendwie fünf Jahre in dem Forum bist, bevor du überhaupt irgendwas zu sagen hast oder sagen darfst, sondern du bist von Anfang an wichtig mit allem, was du sagst.
Volker Gerland: Dieses Thema Social Media vernünftig angewendet ist glaube ich so und so für Musikschulen eins, was noch weiter erschlossen werden muss. Ich habe da letztens auch eine eine Aha-Erlebnis gehabt mit meiner Geige spielenden Tochter, die sich in irgendeinen Zusammenhang eingeklinkt hat, wo man sich gegenseitig beim Üben zuhört.
Kristin Thielemann: Ah, das ist Tonic.
Volker Gerland: zu, die kommentieren das, die gucken, wer ist gerade da unterwegs? Und da müssen wir natürlich sehr wach sein, dass wir auch als Musikschule signalisieren, das verschlafen wir nicht. Und ich weiß hier in Nordrhein-Westfalen verschlafen ist ganz sicher nicht, weil der Thomas Hazs, als Digitalisierungsexperte hier in Nordrhein-Westfalen, der sehr weit vorne ist.
Kristin Thielemann: Ich weiß, den Thomas Hanz hatten wir auch schon hier in Folge 56.
Volker Gerland: Denn das ist natürlich bei der Frage: Ist das ein Arbeitsplatz für mich? Auch wichtig, Wenn das immer nur verbunden ist mit der Vorstellung das ist ein Klavier, da stehen zwei Kerzen drauf, darunter ist eine Feder, da tauchte die Tinte ein und dann werden Noten geschrieben. Damit können wir keinen mehr hinterm Ofen hervorlocken. Das muss schon auch im Grunde genommen die Möglichkeiten bedienen, die wir heute haben.
Stefan Prophet: Ja, und auch wenn es wie eine Plattitüde klingt, aber gerade auch der anstehende Fachkräftemangel oder schon der existierende Fachkräftemangel zwingt uns ja auch - und das ist ja auch Ausdruck dessen, was wir gemacht haben in verschiedenen Arbeitsgruppen - zwingt uns ja auch, mit uns selbst zu beschäftigen und noch einmal komplett zu hinterfragen. Und das ist ja vor dem Hintergrund auch ganz sinnvoll, denn wir sind nicht da und warten, bis hier die Fachkräfte auf uns zukommen und wir gnädigerweise vielleicht eine Stelle vergeben, sondern wir sind bemüht, uns zu hinterfragen. Wir wollen attraktiv sein. Wir müssen uns auch gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung und der nachwachsenden Generation einfach noch mal komplett oder weitgehend neu aufstellen.
Kristin Thielemann: Sehr spannend, was du sagst, Stefan. Zwei Sachen. Ich denke das jetzt nur mal laut. Wenn wir jetzt weniger Kolleginnen und Kollegen haben, die die gleiche Anzahl oder hoffentlich sogar mehr Schülerinnen und Schüler unterrichten, dann heißt das ja eigentlich auch, dass Einzelunterricht zum Luxusgut werden könnte. Punkt 1 und Punkt 2: Volker hatte das gerade so schön angeschnitten mit der Digitalisierung oder mit vielleicht auch mit der künstlichen Intelligenz, mit der mit der digitalen Transformation, um mal hier gleich ein paar Begriffe reinzubomben: wie könnte das vielleicht ein Teil der Lösung sein? Nicht die Lösung, alles in den digitalen Raum zu verlegen, aber könnte man diese Gedanken nicht so in einen Topf werfen und mal gucken, was rauskommt? Dass man vielleicht gewisse Dinge, gewisse Dinge automatisiert? Dass schon die Musikschule oder Musik Dortmund Education ist das jetzt richtig?
Speaker6: Musik Dortmund.
Kristin Thielemann: Musik Dortmund Education der Anlaufort ist, wo man Musikunterricht bekommt. Aber dass dieser Musikunterricht eben nicht ist: du gehst jetzt 30 oder 45 Minuten in deinen Raum, erhältst da Einzelunterricht, sondern da ist vielleicht eine Person, die dein Hauptansprechpartner ist, deine Ansprechpartnerin und die deinen lernen wie mitorganisiert mit dir zusammen. Und dann gibt es viele Räume, in denen du viele Dinge erleben kannst. Aber das ist sicherlich nicht immer nur montags, 15:30 bis 16:00.
Stefan Prophet: nicht mehr gerecht und dann ist auch die Relevanz nicht mehr gegeben. Also wie wir das, was wir können, das was wir haben an Ressourcen, sowohl an Personalkapazitäten, an Fachkräften, an Raum, aber auch an digitalem Raum im Sinne unseres Bildungsauftrags, der ja dann und das hatten wir ja auch sehr unterschiedlich sein kann zwischen Land und Kommune, zwischen spezialisierten und allgemeineren Musikschulen, Das müssen wir schauen.
Volker Gerland: Das hat mit unserem Thema Fachkräftemangel doch sehr intensiv auch was zu tun. Denn wenn wir dem Fachkräftemangel, den wir zwischendurch auf jeden Fall haben werden, dadurch begegnen, dass wir uns verkleinern, verlieren wir Relevanz. Wenn wir dem dadurch begegnen, dass wir nicht mehr so anspruchsvoll sind, was unser Personal angeht, dann verlieren wir nicht nur relevant, sondern richtig Bedeutung in dem Sinne von dann ist das nicht der bestimmte Inhalt nicht mehr. Und darum glaube ich, dass wir sehr gut gucken müssen, wie wir die Qualität halten können, indem wir flexibler werden und indem wir vor allen Dingen eben auch digitale Möglichkeiten einsetzen, um Prozesse, die nicht unbedingt von einer Lehrkraft direkt immer angefasst werden müssen, zu transportieren. Und da spielt uns natürlich das Interesse der jungen Leute heute, auch Selbstlernmöglichkeiten, Selbsterfahrungsmöglichkeiten, voneinander Lernmöglichkeiten zu haben, spielt uns da total in die Hand. Und ehe wir Leute bei uns unterrichten lassen, die es eigentlich nicht können, müssen wir diese Möglichkeiten alle total ausschöpfen. Und ich glaube, das kann helfen, viele Probleme anzugehen, unter anderem auch räumliche Probleme. Die Nordrhein-Westfalen sind ja noch relativ dicht aufgestellt. Wenn ich aber mal nach Mecklenburg-Vorpommern gucke oder in andere Ecken, wo es im Moment auch schon aus demographischen Gründen immer weniger wird, wo es schwierig wird, die Grundschule vor Ort zu erhalten. Wie sollen die denn? Oder wo der öffentliche Nahverkehr dann geht ja auch nicht mehr fährt. Wie sollen denn da noch eine musikalische Bildungsgerechtigkeit hin, wenn man nicht auch Möglichkeiten nutzt, im digitalen Raum betreut zu werden? Nicht ausschließlich. Aber anstatt viermal 50 Kilometer zu fahren, zur nächsten Kreisstadt reicht, dann vielleicht zweimal zu fahren und zwei Lektionen dann dann per per Internet zu machen. Und da müssen wir unbedingt ganz intensiv ran. Corona hatte uns einen Schub gegeben, in diese Richtung zu denken. So misslich wie das Ganze war. Und ich hoffe, dass diese Impulse, die da gekommen sind, jetzt nicht versanden, weil wir jetzt ja wieder alles in Präsenz machen dürfen, sondern diesen Schwung müssen wir im Grunde genommen weiter nutzen, um im Sinne von einer Abmilderung von Fachkräftemangel da auch Sachen aufzustellen.
Kristin Thielemann: Fahrten zu reduzieren ist ja auch eine Frage der Nachhaltigkeit. Ich hatte gerade ein spannendes Gespräch mit Peter Röpke. Wird demnächst auch hier auf diesem Kanal gestreamt. Ja, aber ich gebe dir vollkommen recht, Volker. Wir müssen digitale Formate einfach klug nutzen, um nicht nur nachhaltiger zu werden, sondern auch dem Fachkräftemangel zu begegnen.
Stefan Prophet: Also ich bin überzeugt, es ist ja eigentlich auch kein Geheimnis, dass digitale Unterrichtsformate in der Didaktik bedürfen.
Kristin Thielemann: Absolut.
Stefan Prophet: Es ist, glaube ich, auch noch nirgendwo tatsächlich inhaltlicher Gegenstand in der Lehre. Aber es wird tatsächlich ist irgendwo.
Kristin Thielemann: Nein, also nicht dass ich wüsste. Ich aber ich habe gerade gestern wieder Post gekriegt von der Hochschule, dass mein Kurs Schon eine Warteliste hat. Zum Thema Apps und KI.
Stefan Prophet: Genau. Also ich sage mal digitale Unterrichtsdidaktik. Das muss man dabei betrachten, um Frustration zu vermeiden. Und eine gesunde, gelungene Mischung ist letztlich das, was wir gebrauchen können, die Volker schon sagte zum analogen Präsenzunterricht regelmäßiger Informationssprechstunden Formate, um auch außerhalb der vereinbarten Unterrichtszeiten mit Fachkräften, mit Musikpädagogen, Musikpädagogen im Austausch zu sein. Hybride Formate bieten sich auch an. Wer da ist, ist da und kann kommen. Und wem es zu weit ist oder wer gerade eine Erkältung hat oder einen gebrochenen Fuß, der kann auch dann mal digital per Video teilnehmen.
Kristin Thielemann: Absolut. Und ich denke ja gerade. Ich meine, wir diskutieren an unserer Musikschule immer über diese Musiktheoriekurse, die einmal die Woche stattfinden. Also aus den ganzen kleinen Dörfern außen herum gondeln wieder alle Eltern mit ihren Kindern oder alle gondeln mit den Bussen da in die Stadt rein, um da einmal dann eine halbe Stunde Musiktheorie zu bekommen und danach dann wieder alle zurück. Und wenn man Glück hat, machen sie, bilden sie sogar noch Fahrgemeinschaften. Aber wo ich denke kommen Leute, das kostet ja auch wahnsinnig Ressourcen. Da sitzt eine Lehrkraft, der macht jahrelang immer den gleichen Theoriekurs und da bringen die Kinder immer das gleiche bei! Film das doch einmal ab und mach mal einen gescheiten digitalen Kurs draus!
Stefan Prophet: Und das ergänzt mit digitalen Hausaufgaben, Selbstlernendingen, idealerweise noch maßgeschneidert. Wir arbeiten dran. Das ist vielleicht...
Kristin Thielemann: Ich bin im Fanblock!
Stefan Prophet: Ja, also nicht wir arbeiten dran, sondern das sind ja immer viele Menschen. Da wird demnächst hoffentlich was entstanden sein.
Kristin Thielemann: aber das antwortet dir nicht und das zeigt dir nicht, wo du Potenzial hast. Aber klar können wir das nutzen für den Unterricht, aber ich weiß nicht, wenn, dann halt ein Kind freitags nachmittags, wenn ich dann vielleicht wirklich schon am Wochenende bin oder eben gerade nicht mein Unterrichtstag habe, wenn es dann was auf dem Herzen hat und mich nicht fragen kann, dann fängt es an jetzt im Augenblick auf YouTube zu suchen. Und was ist der nächste Schritt? Es wird in irgendwelchen Apps mit KI suchen, wird die Sachen einspielen und die App wird antworten. Hier an der Stelle bist du zu schnell, zu hoch, zu tief, zu laut, zu leise, zu irgendwas. Ja, und da wollen wir dann natürlich wirklich nicht hin, weil dann könnte, ja könnte man den Gedanken ja weiterdenken und könnte sagen: Irgendwann wird der Live-Musikunterricht mit der live anwesenden Musiklehrkraft wird ersetzt durch einen durch einen digitalen, durch durch den KI Pendant oder irgendwas. Ja, durch ET. Und genau das wollen wir ja eben nicht. Wir haben jetzt auch kürzlich so eine App... Ich bin da jetzt noch bei üben & musizieren, ich bin da jetzt ständige Mitarbeiterin und da haben wir gerade eine App angetragen gekriegt, eine App, die dir eben so antwortet und wo du ein Abo schließen kannst, wo du da was einspielst und die meint, sie wäre jetzt die Ersatzlehrkraft, wo ich denke: Nein, will ich das eigentlich wirklich besprechen? Und will ich das Leuten suggerieren, dass es sowas gäbe? Weil zum Unterrichten gehört ja nun wirklich noch mehr, als dass ich höre, ob jemand zu laut, zu leise, zu langsam, zu hoch oder zu wenig klangschön ist.
Volker Gerland: Das ist glaube ich das, wo auch ganz viele Kolleginnen und Kollegen im Grunde genommen vor Angst haben, dass das man sich dass man ersetzt wird sozusagen durch durch diese Medien. Aber ich glaube, dass das in unserem Beruf gar nicht sinnvoll passieren kann, weil diese Beziehung zwischen Schüler und Lehrer ist, glaube ich, eigentlich das wichtigste tragende Element, was bei der Musikvermittlung, bei der Vermittlung von Instrumentalspiel auch eine Rolle spielt. Und das kann keine KI ersetzen. Also ich kann mir eher vorstellen, einen Englischkurs, das mache ich auch und und Französischkurs ohne präsente Lehrkraft zu besuchen. Wobei das vielleicht auch besser wäre, wenn ich jemanden hätte, der mich vernünftig betreut. Aber Musik funktioniert glaube ich so überhaupt nicht, weil da wirkt doch auf ganz anderen Ebenen noch eine Form von Zuwendung und Austausch und Kontrolle und Motivation. Vor allen Dingen und da müssen wir, glaube ich, auch aufpassen, dass wir uns klar abgrenzen. Also das ist, glaube ich, das, was keiner bei uns in den Musikschulen will dass das Schüler Lehrer direkt zusammenarbeiten, irgendwo durchgesetzt wird. Nein, es muss ergänzt werden.
Kristin Thielemann: Zwischen Wertschätzung und Weiterentwicklung. Musikschule als attraktiver Arbeitsplatz. Das war die Folge 62. Jetzt war ich drauf gespannt von euch zu erfahren, was eure Musikschule zu einem absolut attraktiven Arbeitsplatz macht. Wenn ihr es teilen mögt, schreibt uns doch an podcast@schottmusic.com. Ich freue mich von euch zu lesen. Eure Kristin Thielemann.
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