Voll motiviert – Der Musikpädagogik-Podcast

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#48 – Arbeitsplatz Musikschule: Berufsbild Musikschullehrer/in und Fachkräftemangel

Raphael Amend: Also aus Musikschulsicht ist es natürlich so, dass wir viele junge Menschen ja auch bei uns in der Musikschule erreichen und einfach nur dadurch, dass wir unsere Arbeit tun, die bei uns auch erleben, was eigentlich das Berufsbild Musikschullehrer in so mit sich bringt und was es bedeutet. Und ich glaube schon, dass man erstmal sagen kann, das ist einfach einer der schönsten Berufe, die es überhaupt gibt. So also die Vielfältigkeit, die in diesem Beruf steckt, die die Sinnhaftigkeit, etwas zu tun, was so unmittelbar auch ankommt und was so unmittelbar Reaktionen hervorruft. Und vielleicht auch mit Blick auf das, was uns im Moment alle ja sehr beschäftigt, was die Demokratieförderung oder die nötige Demokratieförderung angeht, ist, glaube ich, unser Beruf in der Musikschule wirklich, wirklich sehr wertvoll.

Intro: «Voll motiviert» – der Musikpädagogik-Podcast von Schott Music, dem Verband deutscher Musikschulen und Kristin Thielemann.

Kristin Thielemann: Heute geht’s ums Berufsbild und den Fachkräftemangel. Zu Gast sind Lucia Gatzweiler, Kerstin Weuthen und Raphael Amend. Und die drei stellen sich euch gerade selbst vor.

Lucia Gatzweiler: Hallo, ich bin Lucia Gatzweiler. Ich bin Studentin an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln und ich studiere im Bachelor Instrumentalpädagogik mit Hauptfach Geige. Kerstin war auch meine Fachdidaktikdozentin für ein paar Semester; und ich studiere außerdem im Master Lehramt Musik mit Zweitfach Englisch.

Kerstin Weuthen: Kerstin Weuthen. Ich bin seit April letzten Jahres Professorin für Instrumental und Gesangspädagogik an der Robert Schumann Hochschule in Düsseldorf und habe davor die Musik- und Kunstschule in Duisburg geleitet. Und noch davor war ich Geigenlehrerin und Fachleiterin für Streichinstrumente an der Musikschule der Stadt Mönchengladbach.

Raphael Amend: Ja, Raphael Amend. Ich bin Leiter der Bergischen Musikschule in Wuppertal. Ich bin im Landesverband der Musikschulen NRW stellvertretender Vorsitzender und ich bin Ausschussvorsitzender des Landeswettbewerbs «Jugend musiziert» in NRW.

Kristin Thielemann: Und mein Name ist Kristin Thielemann. Ich bin Musikerin, Musikpädagogin und Autorin und seit nunmehr 48 Folgen für euch Podcasterin hier bei «Voll motiviert». Ja, gleich mal in medias res. Musik ist ja schon länger nicht mehr die in Anführungszeichen brotlose Kunst, denn man kann ja auch hier durchaus ein gutes Einkommen erzielen. Außerdem sehen viele von uns ja auch die Vorteile des kreativen Arbeitens, die Möglichkeit, sich künstlerisch und pädagogisch in verschiedensten Facetten auszutoben. Aber kommt dieses schöne Bild unseres Berufs denn wirklich auch bei den jungen Menschen an, die gerade im Berufswahlprozess stehen? Kerstin, welche Erfahrungen hast du da gemacht? Wie entdecken die Leute, dass alles rund um die Musikpädagogik eine unglaublich wertvolle Facette in den Musikberufen ist?

Kerstin Weuthen: Ich habe schon viele Studierende erlebt, die schon früh gesagt haben, sie haben irgendwie eine Leidenschaft fürs Unterrichten und wollen auf jeden Fall, dass das auch Teil ihres beruflichen Lebens ist. Da hakt es dann noch immer sehr von der Gewichtung ab. Dann gibt es aber auch Menschen, die erstmal damit gar nicht so viel zu tun haben, sondern die hauptsächlich künstlerisch studieren und ihr Instrument gut im Zentrum und im Fokus für sich selbst haben. Und die kommen häufig dann ein bisschen später, entweder noch während des Studiums nach ihrem Bachelor, weil sie dann schon merken, meine Kommilitonen unterrichten vielleicht auch schon ein bisschen, da kann man auch was machen. Und dann kommen sie manchmal auf die Idee, das könnte für mich vielleicht auch was sein und kommen dann also vielleicht dann später in einem Master noch mal zu uns. Und dann gibt es auch Menschen, für die ist es vielleicht auch gar nicht attraktiv oder scheint es gar nicht attraktiv. Und das ist vielleicht dann eben auch die die Kehrseite. Was wir manchmal an Musikschulen auch schon durchaus beobachten, ist, wenn Menschen eigentlich was anderes machen wollten, also hauptsächlich künstlerisch tätig sein wollen und dann das Gefühl haben, sie müssen aber unterrichten und das kann dann zu Frustration führen und ist dann vielleicht auch manchmal nicht so erfüllend für alle Beteiligten. Aber ansonsten, ja, habe ich jetzt bis jetzt in letzter Zeit wirklich viele Menschen erlebt, die, die den Weg finden und dann in verschiedener entweder als Patchwork oder als Haupttätigkeit. Da sich auch wirklich, wie du sagtest, austoben und da frei gestalten.

Kristin Thielemann: Ja, ist auch mein Eindruck, dass die Musikpädagogik gerade eine ganz neue Wertschätzung erfährt. Auch wenn wir jetzt aus der MULEM-EX-Studie wissen, dass wir noch ein bisschen Luft nach oben haben. Raphael, wie ist das bei dir? Wie nimmst du diesen Berufswahlprozess aus Musikschulleitungssicht wahr?

Raphael Amend: Also aus Musikschulsicht ist es natürlich so, dass wir viele junge Menschen ja auch bei uns in der Musikschule erreichen und einfach nur dadurch, dass wir unsere Arbeit tun, die bei uns auch erleben, was eigentlich das Berufsbild Musikschullehrer in so mit sich bringt und was es bedeutet. Und ich glaube schon, dass man erstmal sagen kann, das ist einfach einer der schönsten Berufe, die es überhaupt gibt. So also die Vielfältigkeit, die in diesem Beruf steckt, die die Sinnhaftigkeit, etwas zu tun, was so unmittelbar auch ankommt und was so unmittelbar Reaktionen hervorruft. Und vielleicht auch mit Blick auf das, was uns im Moment alle ja sehr beschäftigt, was die Demokratieförderung oder die nötige Demokratieförderung angeht, ist, glaube ich, unser Beruf in der Musikschule wirklich, wirklich sehr wertvoll. Und das erleben unsere Schülerinnen und Schüler natürlich jeden Tag. Vielleicht ist es dann aber doch auch manchmal so, dass wir den, dass wir die Brücke nicht richtig schlagen, dass wir nicht, dass wir es nicht schaffen zu sagen: Ist das nicht vielleicht auch was für dich? Also viel früher schon zu probieren, die in dieses Feld mit einzubeziehen und diesen Lehrkraft-SchülerInnen-Wechsel durchzuführen. Ich glaube das ist was, was wir manchmal nicht so machen. Und dann würden wir vielleicht auch die jungen Menschen, von denen du eben sprachst, schon früher auch begeistern können.

Kerstin Weuthen: Ja, was ich, was mir jetzt gerade durch den Kopf geht, wenn ich Raphael sprechen höre und auch noch mal reflektiere, was ich eben gesagt habe, ist dass ist ja auch erstaunlich eigentlich ist, dass wir so eine Trennung machen da, also zwischen dem, dem Künstlerischen und dem Pädagogischen. Denn eigentlich ist gerade an Musikschulen, wenn ich mir überlege, wie ich da unterrichte, ist das Vermitteln immer eine künstlerische Tätigkeit auch. Also, und die künstlerische Tätigkeit hat immer was mit Vermitteln zu tun. Wenn ich auf der Bühne stehe, vermittle ich etwas, und wenn ich im Musikschulraum stehe, vermittle ich auch meine Begeisterung und meine Leidenschaft für Musik. Also eigentlich sind diese beiden Dinge sowieso untrennbar miteinander verzahnt, und da kommen wir vielleicht später noch drauf, könnten wir vielleicht an Musikschulen, an Hochschulen und gesamtgesellschaftlich was dran tun, dass das ein bisschen deutlicher wird.

Kristin Thielemann: Ja, es ist ja die Frage, ob wir uns als Musikwelt, aber auch als gesamte Gesellschaft einen Gefallen damit tun, die Pädagogik als Sonderfall auszuklammern. Oder ob wir nicht mittlerweile wissen, dass Pädagogik untrennbar mit jeder Form eines Musikstudiums verbunden sein sollte.

Raphael Amend: Das darf natürlich nicht so bleiben! Also…

Kristin Thielemann: Ja…

Raphael Amend: Das ist definitiv ein Ansatzpunkt. Und das, was Kerstin gesagt hat, sehe ich, sehe ich ganz genauso. Und ich erlebe auch immer, immer dann, wenn Musikschullehrkräfte sich wirklich positiv über ihren Berufsalltag äußern, dann hat das immer ganz viel damit zu tun, dass sie diese beiden Professionen in sich tragen und die auch zum Tragen kommen und sie auch beides ausleben dürfen und es nicht eine Beschränkung gibt. Also ich glaube, dass dieser Beruf auch deswegen so schön ist, weil man eben diese vielfältigen Möglichkeiten hat und diese großen Freiräume hat. Und das, was wir natürlich im Moment auch erleben, ist dass, dass die Herausforderungen einfach so groß werden. Also es hat sich so viel, viel geändert in relativ kurzer Zeit, was unsere Zielgruppen angeht, was die Art der Arbeit angeht, wie wir in den Kooperationen tätig sind. Es ist ja durchaus auch nicht einfacher geworden, die Menschen zu erreichen. Ja, das ist das, was uns im Moment alle sehr beschäftigt.

Kristin Thielemann: Ein toller Beruf, in den man sich unglaublich kreativ einbringen und mitgestalten kann, aber auch ein Berufsfeld, was gerade extremst im Wandel ist. Jetzt möchte ich aber sehr gern Lucia Gatzweiler mit ins Gespräch reinholen, denn wer könnte besser über den Berufswahlprozess berichten als jemand, der sich gerade mittendrin befindet? Lucia, wie war es denn für dich? Was war dein ursprünglicher Wunsch im Berufsfeld Musik? Und wie hat sich das Ganze jetzt im Laufe des Studiums für dich weiterentwickelt?

Lucia Gatzweiler: Ich habe mit Lehramt angefangen und selbst das war gar nicht meine ursprünglich erste Wahl, sondern ich wollte erst künstlerisch studieren. Und dann habe ich aber Einblick in das Lehramtsstudium bekommen und habe mich dann sehr schnell für Lehramt entschieden. Und für mich war es also eine lange Zeit keine… also keine wirkliche Option, tatsächlich an die Musikschule zu gehen. Deswegen habe ich auch erst… Ich habe vor drei Jahren oder so angefangen, erst mit Instrumentalpädagogik und das halt eben auch erst über die Zeit hinweg im Austausch mit anderen Studierenden zu schauen, was es eigentlich... Also mir macht es doch irgendwie Spaß, mir auch Geige zu unterrichten und ich habe auch noch mal lange, jetzt auch vor dem Podcast noch mal darüber nachgedacht, warum ich vielleicht auch ein anderes Bild von Musikschule hatte, damals, als ich vielleicht auch jetzt habe. Und vor allem auch schon so im Nachgang mit Gesprächen mit euch. Weil ich also meine erste Geigenlehrerin privat unterrichtet hat, also sie war nicht an der Musikschule, hatte eine eigene große Geigenklasse aufgebaut. Suzuki. Deswegen auch eher Austausch mit anderen Städten und Ländern und meine zweite Geigenlehrerin hauptberuflich im Orchester tätig war und deswegen nur ein paar Stunden an der Musikschule war. Und ich habe glaube ich nie so wirklich den Einblick darein bekommen, wie Musikschule Leben aussehen kann. Jetzt auch so gerade bei Raphael in Wuppertal. Meine jetzige Fachdidaktik Dozentin ist auch da und wir bekommen super viel, super viele Informationen, was sie alles machen kann und wie und wie Projekte aussehen und wie man sich eben künstlerisch und pädagogisch gleichzeitig ausleben kann. Und ich glaube, dass das für mich nie so ein nur so ein… Ich hatte diesen Einblick nicht und deswegen hat es bis ins Studium gebraucht, um das irgendwie als Option zu sehen. Und natürlich ist es aber auch leider in der Hochschule so, dass da einfach eine relativ große Trennung immer noch ist zwischen künstlerisch und pädagogisch, zumindest in der Studierendenschaft. Also ich finde im Studium eigentlich nicht, weil ein großer Wert darauf gelegt wird, dass wir uns im Pädagogikbereich sehr künstlerisch ausleben können und sollen, damit wir uns eben auch hinterher wohlfühlen, beides zu vereinen. Aber ich glaube, dass es nicht überall in den Köpfen angekommen ist, dass man sowohl gut künstlerisch unterwegs sein muss, um pädagogisch zu arbeiten, und dass ja auch nur der künstlerischen Tätigkeit hilft zu wissen, was tue ich da eigentlich und wie können andere Menschen davon profitieren?

Kristin Thielemann: Ja, das finde ich echt ein gutes Statement und einen wichtigen Hinweis auch für die Hochschulen. Ich kann mich noch gut an die ratlosen Gesichter meiner Profs und auch meiner Kommilitoninnen in der Hochschule erinnern, als ich während meiner Zeit im Orchester der Deutschen Oper Berlin gesagt habe: So, jetzt möchte ich aber bitte auch pädagogisch so richtig gut werden. Genauso gut, wie ich es künstlerisch bin und ich mache auf jeden Fall meine Musikpädagogik Studium fertig. Da kamen dann oft so Sprüche wie: «Ach so, mit einer festen Stelle im Orchester braucht man das doch gar nicht mehr.» Ich musste mich da irgendwie rechtfertigen, aber ich habe das absolut nicht bereut, das durchgezogen zu haben. Ja, ganz im Gegenteil. Ich weiß nicht, war das in der Podcastfolge mit dem Koh Dolge, wo wir drüber gesprochen haben? Ich sehe das mittlerweile so wie beim Sport: Zu Beginn der Karriere stehen viele aktiv auf dem Platz und wechseln dann irgendwann aber auf die Trainerbank. Oder sie sind aktive Spieler und trainieren gleichzeitig Jugendmannschaften, weil sie einfach wissen, wie wichtig da auch eine gute Anleitung sein kann.

Kerstin Weuthen: Und das Coole ist ja bei uns eigentlich das, dass wir eben die ganze Zeit noch Trainer und Spieler sind. Und das ist gerade im Studium, finde ich. Lucia hat eben die Fachdidaktik angesprochen, die mir immer eine totale Herzensangelegenheit ist. Unterrichte ich jetzt auch in Düsseldorf noch, obwohl es gar nicht eigentlich ursprünglich in meinem Fächerkanon wäre. Gerade diese Zeit im Studium ist so eine Möglichkeit, weil man hat die ganze Zeit ja Unterricht bekommen. Lucia hat ja gerade auch erzählt über ihre eigene Bildungsbiografie musikalisch. Man bekommt selber noch Unterricht im Studium vom Hauptfachprofessor oder Hauptfachprofessorin. Und man fängt an, erste Schritte beim eigenen Unterrichten zu tun. Und das finde ich so wertvoll, dass ich dieses Fach wirklich, also diese Fachdidaktik des eigenen Instrumentes am liebsten tatsächlich, um auf deine Frage, Kristin, eben noch mal zurückzukommen, wirklich am liebsten verankern würde für alle. Und ich glaube, da wäre auch der Ankerpunkt, wo alle auch tatsächlich pädagogisch was lernen, was vermitteln, was mitnehmen könnten, was ihnen auch wirklich in dem Moment auch schon nützt. Weil man reflektiert einfach, wenn man das eigene Instrument vermitteln will so unglaublich viel über das eigene Instrument, über das eigene Üben. Und das fände ich wahrscheinlich den besten Ansatzpunkt, um so eine Pädagogik für alle ins Studium rein zu bekommen. Denn alles, was so, ja, was so ansonsten was man so machen kann an pädagogischen Kursen ist natürlich auch spannend und vielleicht bekommen da auch Menschen dann Lust drauf, aber wenn es, so glaube ich, direkt im Zentrum des eigenen Tuns steht, finde ich das am besten.

Kristin Thielemann: Jetzt geht's aber los, Frau Weuthen. Ich sehe schon den Fachkräftemangel in der Fachdidaktik für alle. Aber eigentlich die Idee, muss man sagen! Aber es bedingt natürlich dann auch, dass die Lehrenden an den Hochschulen dann auch viel kritikfähiger sein müssen, wenn plötzlich alle Studierenden viel kompetenter in Pädagogik und Didaktik daherkommen. Da muss man dann möglicherweise halt auch mal eine andere Haltung an den Tag legen als Lehrender und ja, auch mal über sich selbst sagen können: «Tja, gelingt mir beim Unterrichten eben auch nicht alles, lieber Student, liebe Studentin. Ja, wenn dieser Unterricht bei dir jetzt nicht so gut ankommt, wie er von mir gemeint war, dann bitte sag mir das ganz offen und lass uns gemeinsam bessere Schritte für deinen Lernweg finden. Denn letztlich mache ich ja diesen Unterricht nicht für mich, sondern ich mache ihn ja, damit du was lernst für dich.» Aber zurück zum Schauplatz des Geschehens. Wir nehmen eine harte Wendung, nämlich zurück an die Musikschulen. Auch wenn man gar nicht so sehr Buschfunk hört, bekommt man trotzdem an vielen Stellen die Bergische Musikschule in Wuppertal als Vorbild genannt. By the way, natürlich auch einige andere Musikschulen. Aber deine Schule, Raphael, die schwimmt da wohl ganz vorne mit. Freut mich für dich! Was würdest du denn sagen, Raphael, was muss eine Musikschule denn heute idealerweise alles bieten, damit sie sowohl ein attraktiver Lehr- oder auch Arbeitsort sein kann, aber auch gleichzeitig ein ganz beliebter Lernort ist.

Raphael Amend: Also ich freue mich über das Feedback. Ich glaube, dass es viele andere Musikschulen gibt, die wirklich auch gut unterwegs sind. Aber meine ist toll! Absolut! Das liegt an einem, an einem großartigen Kollegium, an einem vielfältigen Kollegium, die glaube ich hoffe ich zumindest auch spüren, dass man bei uns mit dem, was man an Ideen und an Stärken als Lehrkraft mitbringt, auch. Auch Platz findet, also wir haben immer wieder darüber nachgedacht, wie man zum Beispiel eine Ausschreibung von einer Stelle nach draußen bringt und das ist ja schwierig, so was dann in Worte zu fassen. Aber irgendwie ist dann doch immer klar, wenn jemand kommt, dann ist die diese Stelle, die da besetzt werden soll, ja nur eine, ein grober Rahmen. Und dann gibt es immer Freiräume, Dinge zu tun, die einen interessieren, sei es im Bereich Digitales oder im Bereich der Inklusion oder wenn jemand besondere Schwerpunktsetzungen im Bereich der Talentförderung, im besten Fall auch der ganz frühen Talentförderung hat, dann machen wir Dinge möglich. Und ich glaube, das ist das, was unser Kollegium auch spürt. Dann wird es ein schöner Ort zum Lehren und auch ein schöner Ort zum Lernen. Denn das überträgt sich natürlich auch auf die SchülerInnen. Ich glaube, die Bergische Musikschule ist auch aus der Historie heraus, dadurch, dass sie sehr eng an dem Wuppertaler Standort der Hochschule für Musik und Tanz Köln ist immer auch gemeinsam mit dieser Hochschule gewachsen. Und das ist das, was wirklich ein stetiger Mehrwert ist, dass es einen großen Austausch gibt. Das ist wirklich etwas, was vielleicht auch deswegen so ein bisschen modellhaft ist, weil wir, weil wir da so nah dran sind und einen guten Austausch pflegen und sehr früh Studierende natürlich auch mit in unsere, in unser Kollegium einbinden können und neue Ideen, neue Strömungen da zum Tragen kommen.

Kristin Thielemann: Engen Kontakt suchen und Austausch mit der Hochschule pflegen. Das ist natürlich, so eine Hochschule in erreichbarer Nähe, echt eine tolle Möglichkeit für beide Seiten. Da hatten wir ja auch gerade in Folge 46 mit Karolin Schmitt-Weidmann aus Stuttgart ein Gespräch drüber, die da auf einem ganz ähnlichen Weg unterwegs ist. Weiß nicht, ob ihr die Folge schon gehört habt oder ob sie im Sommerloch verschwunden ist. Ja, ja und ich sag noch Zukunft heißt Vernetzung! Aber, apropos neue KollegInnen einbinden. Lucia, Du hast ja auch schon die ersten Schritte in den Beruf gewagt. Magst du für uns von deinen ersten Lehrerfahrungen an der Musikschule berichten?

Lucia Gatzweiler: Kann ich gern machen. Also aktuell unterrichte ich nicht, weil ich wegen meines Praxissemesters im Lehramtsmaster aufhören musste. Es hätte nicht gepasst, dass beides noch gleichzeitig zu machen. Ich habe zwei Jahre lang aber als Honorarkraft an einer Musikschule gearbeitet. Und da muss ich eben auch sagen, das war jetzt auch eine Erfahrung, die jetzt nicht mich dazu gebracht hat, genau dort… oder was heißt dort, das war jetzt nicht der Ort im Grunde das Problem, sondern eher… es ist es schon auch an vielen Musikschulen nicht… sind natürlich nicht immer die besten Begebenheiten. Und bei mir war es dann einfach… Das sind dann so Basisdinge wie es ist kein richtiger Musikschulraum, sondern ich hatte dann, wenn ich wollte, ein relativ schlechtes Keyboard zur Verfügung war, hatte immer einen Notenständer, aber auch akustisch jetzt Räume, die jetzt nicht dazu einladen, besonders gut zu unterrichten. Und ich muss auch zugeben, dass ich mich da jetzt auch in der Musikschule nicht besonders eingebracht habe. Ich hatte gar nicht das Gefühl, dass… natürlich wurden wir eingeladen zu Versammlungen, aber ich wusste gar nicht, dass das irgendwie auch mein Part als mit so ein paar Stunden, die ich da die Woche gearbeitet habe, dass ich da überhaupt auch im Grunde sein sollte und mitgestalten soll. Muss man auch sagen, wenn man gleichzeitig studiert, ist auch alles ein bisschen viel. Aber die Begebenheiten dort waren jetzt nicht die einfachsten, um sich auch wirklich künstlerisch was heißt künstlerisch, aber halt auch durch Projekte oder irgendwas auszuleben. Und ich… das war trotzdem eine tolle Erfahrung. Ich hatte sehr, sehr nette SchülerInnen und auch an der Musikschule. Alle, mit denen ich Kontakt hatte, waren sehr nett und haben mir immer geholfen, wenn ich irgendwas brauchte. Aber ich glaube das einfach nicht überall die Möglichkeiten für alle die unterrichten wollen sind, das auszuleben was sie wollen. Und wenn man eben auch nur in so was Einblick bekommt. Das war halt für mich kein im Grunde nicht jetzt die Traumvorstellung. So möchte ich später arbeiten und es hat sehr lange mein Bild davon dann auch geprägt und erst danach jetzt durch Austausch nochmal Dinge verändert.

Kristin Thielemann: Ja, darüber müssen wir uns ja auch echt im Klaren sein an den Musikschulen, dass es bei jungen Menschen oder auch bei Aushilfen im Team immer darum geht, sich auch als Arbeitsplatz zu präsentieren, an dem man gerne bleiben mag und wo man sich auch längerfristig einbringen möchte als junger Mensch. Ich habe auch mal bei einer Musikschule gekündigt, wo ich als «die Neue», die man ja eigentlich nicht wirklich im Team brauchte, mit meinem Unterricht in einen schimmeligen Kellerraum verbannt war. Und zwar ohne Klavier, aber immerhin mit Notenständer. Raphael?

Raphael Amend: Ich möchte noch mal, was die Lucia gerade sagte. Es ist so, das ist wirklich so wichtig. Das Thema mit den mit den Rahmenbedingungen. Zum einen das, was da räumlich ja geboten oder auch nicht geboten wird, das ist etwas, was vielleicht zu selten auch angeschaut wird, weil es natürlich auch immer besonderen Aufwand bedarf, was Finanzierung und ja, Veränderung von Räumen angeht. Ich will da auch ein bisschen auch alle in Schutz nehmen, die da diese Probleme haben, dass die haben wir zum Teil auch und das ist echt auch schwierig, weil oft bewegt man sich ja in großen städtischen Zusammenhängen, wo sowas wirklich lange braucht. Aber ich finde das total wichtig, dass wir da hingucken. Und dass andere das Thema mit dem Honorarbeschäftigung, die uns in Wuppertal ja auch seit jeher immer beschäftigt und wir im Moment immer noch etwa 130 Honorarkräfte bei uns tätig haben, das ist auf der einen Seite ein guter Einstieg und eine flexible Möglichkeit, auf Bedarfe zu reagieren und auch Studierende relativ früh mit an Bord zu holen. Aber gleichzeitig finde ich es gerade total spannend, dass Lucia sagt, sie hat dadurch überhaupt gar nicht den Einblick bekommen, den sie jetzt vielleicht so langsam erahnt, was an der Musikschule eigentlich auch möglich ist, weil es eigentlich genau nicht das ist, was wir uns vorstellen. Es ist genau nicht das, was wir uns wünschen für unsere Lehrkräfte. Es ist gar nicht die Möglichkeit, mit wenigen Stunden in diesem Honorarbeschäftigungsverhältnis wirklich auch das Gefühl zu vermitteln, dass jemand sich einbringen kann, einbringen soll. In Klammern: Es muss ja auch bezahlt werden, wenn jemand sich zusätzlich einbringt. Und deswegen ist dieses Honorarbeschäftigungsverhältnis für Musikschulen schlicht und einfach nicht gut geeignet, um das, was wir uns für die Zukunft wünschen, irgendwie auf den Weg zu bringen total wichtig.

Lucia Gatzweiler: Ich würde nur noch ergänzen, dass natürlich auch einfach der Punkt dann die Bezahlung ist. Also jetzt unabhängig davon, ob es dann ein Honorarvertrag ist, ist ja eh eine große Debatte. Ich bin eben ich bin noch… ich bin auch im studentischen Büro die die IGP- und EMP-Studierenden vertritt oder berät und und… wir leiten ganz viele Stellenanzeigen weiter. Und wir schauen eben auch, dass wir nicht Stellenanzeigen weiterleiten, die absurd wenig bezahlen. Also wir haben wirklich bekommen manchmal Anfragen, da fasst man sich an den Kopf und das, das ist natürlich auch ein Zeichen von Wertschätzung, der dann einfach fehlt, wenn man schon eben dann also nicht unbedingt die idealen Rahmenbedingungen hat und dabei auch noch schlecht bezahlt wird, viele Studierende aber eben auch nicht wissen, wo sie dann schnell auch an andere Jobs bekommen, wo sie eben ihre Erfahrungen sammeln können.

Kristin Thielemann: Wertschätzung durch Bezahlung das ist natürlich auch ein ganz großes Stichwort. Und dann aber auch rückzumelden: Hallo, hier ist echt eine Honoraruntergrenze, die absolute Schallmauer ganz klar durchbrochen von euch. Überdenkt doch bitte mal diese Stellenausschreibung! So gibt es hier jedenfalls kein qualifiziertes Personal!

Raphael Amend: Also das ist in NRW war das jetzt auch die Überlegung. Da gibt es die sogenannten Honoraruntergrenzen, die jetzt sich für Musikschulen noch nicht auswirken. Und jetzt das große Aber: Wir haben das Problem in dem Sinne ja hoffentlich bald auch nicht mehr, da das Thema Honorarbeschäftigungsverhältnisse ja sich wirklich dem Ende entgegenentwickelt. Und das finde ich auch ganz richtig so! Auf Basis dieses Herrenberg-Urteils des Bundessozialgerichtes werden die die meisten Musikschulen denke ich auf sich auf den Weg machen und diese Stellen umwandeln. Und dann sprechen wir natürlich immer noch darüber, wie man dann in einer Festanstellung in der Regel dann nach Tarifvertrag öffentlicher Dienst bezahlt wird. Auch das ist jetzt nicht der Weg zum Reichtum.

Kristin Thielemann: Kerstin?

Kerstin Weuthen: Ich wollte mal auf diese Raumsituation und die Rahmenbedingungen zurückkommen, die Lucia angesprochen hat. Und ich bin auch ganz bei Raphael und weiß aus eigener Erfahrung in Duisburg auch, wie herausfordernd das ist, dafür sich einzusetzen und zu kämpfen. Aber gleichzeitig ist es natürlich auch auf einer… aus einer Metaperspektive aus ganz verschiedenen Gründen total wichtig, dass man sich darum kümmert, dass das eben in der Form nicht geschieht, denn gleichzeitig ist ja hier ein dauerhafter Kreislauf. Also auf der einen Seite haben wir die jungen Kolleginnen und Kollegen oder die ja auch schon älter werdenden Kolleginnen und Kollegen, die wir wirklich damit frustrieren, wenn die ihren ganzen Nachmittag oder mehrere Nachmittage unter solchen Umständen zubringen müssen, mit teilweise kaputter Heizung und ich weiß es nicht.

Kristin Thielemann: Tja, da kommt dann die gute Tchibo-Heizdecke wieder zum Einsatz.

Kerstin Weuthen: Für den Schüler ist es ja immer nur 45 Minuten. Aber für die Lehrkraft ist es dann der ganze Nachmittag. Und gleichzeitig aber ja auch eben diese Schülerinnen und Schüler, weil was Raphael eben sagte, die können schon als junge Schülerinnen und Schüler den Eindruck bekommen, dass es schön ist, diesen Beruf auszuüben. Aber wenn ich mitbekomme: Jede Woche meine Lehrerin, mein Lehrer sitzt da in fünf Quadratmetern…

Kristin Thielemann: Ja, ja, ohne Heizung, aber dafür mit Keyboard…

Raphael Amend: Oh Mann!

Kerstin Weuthen: …ist das ja auch nicht Werbung für den Beruf. Also das ist ja nichts, was Eltern sich für ihre Kinder wünschen oder was die Jugendlichen sich dann vielleicht irgendwann selber wünschen. Das wären die zwei Punkte. Um die Attraktivität des Berufsbildes zu steigern, müsste man da also wirklich tatsächlich gucken, dass das so wenig wie möglich geschieht. Und der dritte Punkt ist dann wirklich ein künstlerisch-pädagogischer. Nämlich wir wissen, wie wichtig Lernumgebung ist und wie inspirierend, aber auch wie demotivierend die wirken kann. Und da muss ich wirklich unglaublich viel Begeisterung und all meine Kompetenz reinbringen, um in so einem ganz schlecht geeigneten Raum überhaupt Leidenschaft fürs Musizieren wecken zu können. Und andersrum: Wenn ich gut geeignete, gut geschaffene Umgebung vielleicht sogar unter so Traumumständen, wie Andreas Doerne sie beschreibt, in seinem «Musikschule neu erfinden», unterrichten kann, dann werde ich auch motiviert sein, als Lehrkraft mein Bestes zu geben. Aber dann hilft mir und unterstützt mich auch die Umgebung da ganz viel.

Kristin Thielemann: Andreas Doerne, «Musikschule neu erfinden» habt ihr ja wohl hoffentlich inzwischen schon alle gelesen, respektive die Folge 12 hier bei «Voll motiviert», wo Andreas Doerne zu Gast war, angehört. Aber die Frage dürfte ja auch ganz allgemein angesichts des Fachkräftemangels sein: Können es sich Musikschulen heute eigentlich noch leisten, mit solch prekären Arbeitsbedingungen sich da zu präsentieren?!

Raphael Amend: Doch noch ein Satz zu den Räumen, weil ich finde, wir müssen dann aufpassen: Wir werden das nie erreichen, dass wir total zufrieden sind und alles großartig ist. Also ich finde da auch die Ideen von Andreas Doerne total schön als Inspiration und als Impuls, sich auf den Weg zu machen. Denn oft reicht es auch schon, gemeinsam mit einem Kollegium zu sagen: Wir, wir wollen jetzt mal was verbessern, wir haben begrenzte Ressourcen, aber wir versuchen jetzt mal gemeinsam, was daraus zu machen. Und dann arbeiten alle auch mit und arbeiten dafür, dass es besser wird und können ihre Ideen einbringen. Und schon habe ich im Ergebnis vielleicht nicht den perfekten Raum mit der perfekten Akustik und der besten Lernumgebung, die es gibt. Aber ich habe irgendwie Partizipation geschaffen und eine Verbesserung erreicht. Und das hilft manchmal auch schon, damit eine hohe Identifikation der Lehrkräfte und vielleicht auch der Schülerinnen und Schüler mit ihrer Musikschule passiert.

Kristin Thielemann: Und vor allem ist das, wie du das jetzt schilderst, Raphael ja auch so, dass man sich bei dir mit seinem Anliegen auch gehört fühlt als Lehrkraft, statt wie mein Chef damals mit seinem Schimmelraum zu sagen: «Ja, stell dich doch nicht so an, wir hätten ja noch kleinere Räume zu bieten für dich!»

Raphael Amend: Ja, also das ist natürlich, das ist natürlich wirklich dann fatal, wenn das dann die Reaktion ist. Ich glaube, es sollte jeder zu seinem, vor allem zu seinem Arbeitsplatz auch sich äußern dürfen. Denn kein Musikschulleiter einer großen Musikschule wird immer alle Räume im Blick haben und immer wissen, wo gerade der erste Schimmel entsteht und wo das Klavier scheppert und wo die Akustik eigentlich nicht gut funktioniert. Und insofern sind wir doch wirklich gut beraten, das erstmal ernst zu nehmen und dann natürlich in eine Form von Ranking zu bringen und zu gucken, welche Baustellen müssen wir jetzt zuerst angehen. Das ist natürlich auch klar.

Kerstin Weuthen: Ja, da sind wir jetzt auch schon so bei Gesprächskultur und Mitgestaltung und so, das ist ja auch was, was Studierende ganz oft äußern, was sie sich wünschen, wenn man mal mit ihnen darüber spricht, wie sie sich ihren Beruf später wünschen. Und Raphael hatte auch schon die vielen Veränderungen angesprochen. Und das ist ja auch ein bisschen so, dass wir auch da insgesamt von dem noch relativ traditionellen Bild ein Musikschullehrer, ein Musikschullehrerin in ihrem Raum und da kommen wir nach und nach, ein Schüler nach dem anderen, «parken» da einen in diesem Raum und werden dann «musikalisiert». Also ein bisschen wegkommen, das heißt da auch noch mal positiv gesprochen ist natürlich das Musikschulgebäude immer noch ganz wichtig, aber wird auf Dauer natürlich für die einzelne Lehrkraft auch noch mehr Gestaltungsmöglichkeiten geben, als nur zu sagen, wie möchte ich meinen Raum haben. Sondern man kann und das finde ich das Tolle an diesem Beruf, der wirklich mit viel Selbstwirksamkeit eigentlich auch die Arbeitskontexte mitgestalten. Wenn man offene Musikschulleitungen hat, die da gesprächsbereit sind, dann hat man da eben wirklich mehr als bei den meisten anderen Berufen, die ich kenne, die Möglichkeit zu sagen: Ich wünsch mir mal ein Ensemble zu leiten. Ich möchte gerne in der in der Kooperation mich dafür einsetzen zum Beispiel. Wir haben in NRW dieses EMSA-Projekt, ich möchte da einen Baustein entwickeln, oder… Also das heißt, man hat einen Beruf, der ja auch nicht für 30, 35 Jahre gleichbleibt. Und ich gehe jetzt jeden Tag in diesen Raum und mache immer das Gleiche, sondern ich kann eben nicht nur Räume, sondern auch meine Arbeit gestalten. Und diese Selbstwirksamkeit, die hat mir selbst als Geigenlehrerin, ja, total mich total begeistert. Wirklich. Also ich habe das sehr genossen, Geigenlehrerin zu sein, weil ich sowohl mit jedem anderen neuen Menschen noch mal wieder neu was Neues ausprobieren konnte, als auch wirklich in meinem Arbeitsumfeld eigentlich jede Idee, auf die ich kam, umsetzen konnte, solange ich sie dann eben auch in die Hand genommen habe.

Kristin Thielemann: Wer jetzt zum Stichwort EMSA noch ein ganz großes Fragezeichen sendet, der kann sich die «Voll motiviert» Folge 29 anhören. Hier zu Gast Stephanie Buyken-Hölker und Ursula Schmidt-Laukamp, Verantwortliche aus dem EMSA-Projekt. Dann kann man auf der schicken neuen Webpräsenz www.emsa-zentrum.de schauen und bei «Üben und Musizieren - Texte zur Instrumentalpädagogik», die schönen dunkelblauen Bücher, die kennt ihr ja wahrscheinlich, gibt es auch ein Buch, das da heißt «EMSA – eine (Musik-)Schule für alle». Großer Lesetipp. Lucia, wie wichtig ist es, den jungen Menschen wie dir, auch wirklich Kreativität am Arbeitsplatz ausleben zu können?

Lucia Gatzweiler: Ich glaube, das ist ein wirklich wichtiger Punkt, der nicht unbedingt immer… also ich habe das auch sehr lange nur als dieses «einparkende Schüler» nacheinander gesehen und dieser ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt ist für Studierende zu sehen, dass es die Möglichkeit gibt, sich auch anders in Projekten oder in Ideen auszuleben. Denn ich glaube, wir alle MusikerInnen sind ja irgendwie auch Freigeister und man ist es vielleicht nicht… Vielleicht ist es dann nicht die Traumvorstellung, wirklich genau dasselbe eben 35 Jahre am Stück zu machen. Irgendwie habe ich das Gefühl, das kommt mit dem Bereich Musik auch hinzu, dass man eben nicht an einem Ort irgendwie bleiben will. Und das ist diese Möglichkeit gibt, ist glaube ich, ganz, ganz wichtig zu vermitteln, weil das habe ich erst über die Jahre herausgefunden und das hat mich überhaupt erst dazu gebracht, Instrumentalpädagogik dann zu studieren. Unser Studium ist super breit aufgelegt, weil es eben auch diesen, diesen größer werdenden Bereich aus musikalischer Bildung gerecht werden will. Und das sollte sich ja dann im besten Fall auch tatsächlich auch in Festanstellungen an Musikschulen realisieren lassen, das, was wir gelernt haben und das, was wir alles erlebt haben, gemeinsam auch weiterzuentwickeln.

Kristin Thielemann: Hey, ja, da hast du natürlich vollkommen recht, Lucia. Ich versuche das so in meinem Unterricht mit Schülerinnen und Schülern, die für ein Musikstudium ja vielleicht mal in Frage kommen würden, immer zu zeigen, welche enormen Möglichkeiten wir ja auch in diesem künstlerisch-pädagogischen Berufsfeld eigentlich haben, was so die Weiterentwicklung und Wandlung auch angeht, aber auch, wie wichtig das für das ganz persönliche Berufsleben sein kann, dass ein Job eben nicht das ganze Arbeitsleben hindurch gleich bleibt, sondern dass wir uns in der Musikpädagogik eben auch selbst einbringen und auch mitgestalten können.

Raphael Amend: Was ich spannend finde, ein bisschen beißt sich gerade, finde ich an der Stelle die Katze in den Schwanz, wenn wir darüber sprechen, wie vielfältig und das Berufsbild ist und dass gesagt wird okay, also es gibt so viele Möglichkeiten, auch außerhalb des Einzelunterrichtes, außerhalb der der Zelle Dinge zu tun, vor allem auch gemeinsam zu tun, im Tandem zu tun, im Team zu tun. Also all die Dinge, die oft benannt wurden, die den Lehrkräften in den letzten Jahren, Jahrzehnten gefehlt haben, um einen glücklichen Berufsalltag zu erleben. Und gleichzeitig spüre ich aber auch manchmal an den Musikschulen insgesamt, auch manchmal an meiner Musikschule, dass der dann doch noch so stark am Einzelunterricht festgehalten wird als die einzig wahre Möglichkeit, wirklich guten Instrumental- oder Gesangsunterricht durchzuführen. Und da müssen wir uns echt auch noch mal bewegen, Denn in der Möglichkeit viele verschiedene Gruppensettings im Berufsalltag zu platzieren, steckt ja eben dann auch, dass der Beruf spannender wird, vielfältiger wird und vieles mehr. Und vielleicht dann aber doch an der Stelle einen Satz zum Thema «Was hat sich verändert», oder die vielen Dinge, die sich verändert haben. Das, was sich nicht verändert hat, ist der Tarifvertrag seit 37 Jahren. Und das ist dann schon eine große Herausforderung, wenn man dann als Musikschulleiter da steht und Stellen besetzen will nach TVÖD sich diesen Tarifvertrag dann anguckt und eben sieht, dass da Tarifmerkmale drin stehen, dass da Tätigkeitsbeschreibungen drin stehen, die mit dem heutigen Berufsbild wirklich nicht mehr viel zu tun haben.

Kristin Thielemann: Immerhin steht mittlerweile hoffentlich schon Euro drin und nicht mehr D-Mark.

Raphael Amend: Das schon, das wurde, das wurde dann auch mal angefasst. Aber was eben nicht angefasst wurde: Wie ist ein Musikschullehrer eingruppiert und warum ist er so eingruppiert und welche Merkmale stehen dahinter? Und das ist etwas, was sich unbedingt ändern muss, damit wir auch da wieder zeitgemäß unterwegs sind.

Kristin Thielemann: Und wenn ich gerade fragen darf Raphael, wer genau kommt da in die Umsetzung und kümmert sich, dass wir dieses Problem gelöst kriegen?

Raphael Amend: Ja, das ist eine komplexe Geschichte. Normalerweise würde man ja jetzt denken, das ist einfach klassischerweise eine Aufgabe für Ver.di, die ja die Musikschullehrkräfte auch vertreten. Allerdings ist natürlich die Fachschaft Musik in Ver.di und auch die Personenzahl der Lehrkräfte an Musikschulen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen wirklich, wirklich eine sehr, sehr kleine. Insofern kann man auch nicht erwarten, dass da der große Kampf für eine Neueingruppierung stattfinden wird. Aber was jetzt auch bei der letzten VdM-Hauptarbeitstagung, die in Wuppertal stattfand, platziert wurde, ist, dass es jetzt durchaus eine Möglichkeit gibt, mit dem mit den kommunalen Arbeitgeberverbänden ins Gespräch zu gehen, die sich das vor der nächsten Tarifrunde wenn möglich wirklich auch noch mal angucken und die auch sagen Ja, also das ist jetzt so lange nicht angefasst worden, da müssen wir mal ran und wir müssen doch Möglichkeiten finden zu sagen: Also wenn man als Musikschullehrkraft arbeitet, dann wird man etwas besser eingruppiert und hat dann auch und das fehlt ja im Moment auch fast komplett, entsprechende Aufstiegsmöglichkeiten. Also sobald ich in der Elementaren Musikpädagogik, in der Talentförderung arbeite, sobald ich in den Kooperationen unterwegs bin, dann auch entsprechend höher eingruppiert zu werden. Dann die Fachbereichsleitung, die Bezirksleitung bis hin zur Musikschulleitung, dass sich da wirklich einen Stufenplan ergibt, der den Tätigkeiten auch gerecht wird.

Kristin Thielemann: Kerstin?

Kerstin Weuthen: Ja, ich möchte das unterstreichen, diese Notwendigkeit, da was zu tun, denn das hat sich nicht verändert. Der Tarifvertrag hat sich null verändert, aber sowohl der Berufsalltag hat sich sehr, sehr stark verändert im Vergleich zu vor 37 Jahren, als auch das darauf vorbereitende Studium hat sich verändert und ist, Lucia hat es eben schon erzählt, vielfältiger, noch und professionalisierter und wirklich auch wissenschaftlicher. Und ich glaube, beide Dinge zusammen sind der Hebel, dass wir sagen müssen, das ist in der Form, wie es jetzt gerade ist, wirklich nicht mehr adäquat. Und ich hoffe sehr, dass ich da was bewegen wird! Und dann noch ein eine Sache zu der Vielfalt, die ich ja eben so propagiert habe, weil ich tatsächlich jemand bin, die das sehr mag für sich. Die Kehrseite der Medaille ist natürlich, wenn man dann sagt, in dieser Vielfalt, die theoretisch möglich wäre, muss auch jede Lehrkraft alles davon bedienen. Das passiert ja dann eben auch manchmal, dass man so Ausschreibungen liest, wo man so denkt, okay, das ist jetzt aber schon wirklich heftig, was da alles gefordert wird, von Talentförderung bis zu inklusivesten Settings. Und das ist natürlich dann eine Seite, die auch Menschen überfordern kann. Das heißt, da hat ja Peter Röpke schon mal von der «eierlegenden Wollmilchsau», die Musikschullehrkräfte dann sein müssen, geschrieben. Und da müssen wir, glaube ich auch aufpassen, dass diese Vielfalt eben Profilierung ermöglicht und nicht die komplette Palette erzwingt. Und das ist natürlich gerade in Sachen in Zeiten des Fachkräftemangels bestimmt für Musikschulleitungen ganz oft schwierig, das bewusst nicht zu tun. Aber ich glaube, das würde dem Berufsbild helfen, wenn man nicht von einer Person dann fordert, alle Lücken, die man gerade hat, in seinem Angebot abdecken zu müssen.

Kristin Thielemann: Ja, die Lücken im Angebot. Stichwort Fachkräftemangel. Da sind wir wieder. Raphael, wie geht ihr denn bei euch an der Musikschule mit diesem Fachkräftemangel um? Woher kommen bei euch die neuen Musiklehrkräfte? Werden die einfach, ganz böse, habe ich jetzt hier zweimal erlebt, von anderen Schulen abgeworben?

Raphael Amend: Das ist echt ein schwieriges Thema. Wir haben so gut sind die Bedingungen ja bei uns auch noch nicht. Ich gebe Kerstin auch total recht: Die eierlegende Wollmilchsau ist ein Produkt, das aus der Not geboren ist, dass Musikschulen, die eben viel mit Honorarkräften arbeiten müssen und wenige Festangestellte haben einen Teil der Aufgaben, die Musikschulen eben tun, die nur Festangestellte tun können, auf wenige Schultern verteilen muss. Und dann ergibt sich automatisch die eierlegende Wollmilchsau, die nicht nur unterrichten muss, sondern auch noch top organisieren muss, im Zweifel dann auch noch Räume aufräumen muss und vieles mehr. Also ich hoffe, dass wir durch die sukzessive Umwandlung der Honorarstellen in Festanstellungen davon auch wirklich wegkommen. Denn diese Profilierung, die ja der Vielfalt in keiner Weise entgegensteht, finde ich total wichtig und total sinnvoll. Jetzt ist es in NRW schon so, dass es viele, viele große Musikschulen gibt, die natürlich Anker sind und mit Sicherheit auch der ein oder anderen kleineren ländlichen Musikschule Sorgen bereiten, weil da eine gewisse Sogwirkung auch entsteht. Und das ist etwas, wo wir schon auch aufpassen müssen, denn ich bin auch als jemand, der im Vorsitzendenteam des Landesverbands der Musikschulen mitarbeitet, natürlich sehr darauf bedacht, dass wir ein flächendeckendes Angebot erhalten. Und vielleicht schaffen wir es ja, gemeinsam in den Regionen im Kontakt zu sein, sodass wir unsere Lehrkräfte nicht uns gegenseitig wegnehmen, sondern dass es auch Möglichkeiten gibt zu sagen; Also nicht überall hat jemand eine volle Stelle, dass es also kleinere Deputate gibt, die man, die man eben in guter Absprache auch auf mehrere Musikschulen verteilt, ohne dass es für die Lehrkraft zum wahnsinnigen Stress wird, hin und her zu fahren. Denn das passiert ja im Moment vor allem im Bereich der Honorarkräfte auch, die ja zum Teil an drei oder vier Musikschulen beschäftigt sind. Aber das zeitlich kaum hinbekommen. Also ich glaube, hier ist wirklich auch noch mal eine gute Organisations- und Kommunikationsleistung nötig, damit wir uns jetzt nicht gegenseitig kannibalisieren.

Kristin Thielemann: Ja, da hast du vollkommen recht und überdies auch noch schön ausgedrückt was das. Das Ja könnte ja auch so aussehen, dass da eine Musikschule eine Lehrkraft eines Fachs mit einem Vollpensum anstellt und eine andere Musikschule, eine Lehrkraft eines anderen Fachs und man dann in gegenseitiger Absprache einen guten Weg findet, sich bei Engpässen auszuhelfen und sich die Lehrkräfte dann gegenseitig «ausleiht». Leiharbeit sozusagen. Also sofern das natürlich versicherungstechnisch möglich ist und in den Stundenplan auch noch irgendwie reinpasst. Aber ich glaube, ich fände es attraktiver, nur einen Arbeitgeber zu haben, anstatt ganz viele kleine Pensen an unterschiedlichen Schulen zu bedienen. Der einzige Vorteil wäre natürlich an so vielen Pensen, dass man halt mehrfach Weihnachtsfeier hat.

Raphael Amend: Ja, also ich kenne, ich kenne diese Umsetzung solcher Modelle tatsächlich noch nicht, aber diese Ideen sind im Raum und ich finde, die müssen wir wirklich gut, gut betrachten.

Kristin Thielemann: Lucia, dir stehen ja nun wirklich alle Türen offen mit deinen Studiengängen, die du da jetzt absolviert hast. Aber darf ich mal ganz neugierig fragen: Wenn du dich heute für einen Arbeitsplatz entscheiden solltest, was würdest du wählen: Musikschule oder Schulmusik? Oder gäbe es da vielleicht auch eine Option, irgendwie beides zu verbinden?

Lucia Gatzweiler: Das ist die große Frage, die mich schon länger beschäftigt. Ich ist es tatsächlich... es ändert sich immer wieder. Ich würde sehr, sehr gerne das Referendariat nach dem Studium machen, weil ich das Gefühl habe, also, das ist ja an sich wie die Fachdidaktik in Instrumentalpädagogik im Studium und ich würde es gerne tatsächlich richtig können, auch Schulmusik unterrichten. Und das lernt man leider erst so richtig, dann im Referendariat. Wo es mich danach hin treibt, das weiß ich tatsächlich auch noch nicht. Jetzt gerade ich… ich finde, es ist wirklich immer davon abhängig, was einen auch so in dem Moment inspiriert. Und ich hatte gerade einfach ein ganz tolles Semester Fachdidaktik einer Musikschullehrkraft auch von Raphael, die tolle Silvia Navarro und die hat mich sehr inspiriert, auch nochmal und viele Ideen gegeben und so viel uns gezeigt, dass ich direkt einfach Lust bekommen habe, wieder viel zu unterrichten und… oder jetzt auch wieder anzufangen und mich weiterzubilden und Möglichkeiten zu schaffen, da viel tätig zu sein. Und ich werde es auf jeden Fall auf irgendeine Art und Weise später auch machen wollen. Ob es dann sowas ist, auch keine Ahnung… ja, halb-halb ist auch mal schwierig. Aber irgendwie eine Kombination zu schaffen oder eine Abwechslung zu schaffen, das ist ein paar Jahre abwechselnd zu machen, das wird sich dann zeigen. Aber das ist ja dann auch eigentlich die Auswahl zwischen zwei tollen Dingen. Deswegen finde ich, das ist ja nicht irgendwie… also ich bin ja da nicht unglücklich in der einen Sache, nur weil ich das gewählt habe.

Kristin Thielemann: Es bestünde ja mit deinem Studienhintergrund auch durchaus die Möglichkeit, die Schnittstelle zu werden zwischen beiden Institutionen als Person, die wirklich auch in beiden Welten zu Hause ist. Und dann was dahingehend zu bewegen, dass die Musikschule so ein bisschen in die Schule reinwächst und die Schule in die Musikschule.

Lucia Gatzweiler: Das wäre natürlich auch ein Traum, dann in Kombination mit also Streicherklassen, aber auch so was, was EMSA, also noch weitere EMSA-Bausteine hinzuzufügen. Das ergänzt sich ja auch gegenseitig. Ich… der Schulmusikbereich ist super wichtig, um generell musikalische Bildung irgendwie als Bestandteil zu haben von… des Lebens von Jugendlichen. Aber die Musikschule wissen wir alles ja auch sehr erfüllend und ein ganz wichtiger Teil zur Persönlichkeitsbildung.

Kristin Thielemann: Ja, ich bin ganz gespannt, was du draus machst. Auf jeden Fall betrittst du ja erstmal das Spielfeld. Der Schiedsrichter hält schon Ball und Trillerpfeife und jetzt musst du dich nur noch für ein Trikot entscheiden. Ja, wir hatten das Stichwort MULEM-EX-Studie. Ja, ganz zu Beginn unseres Gesprächs schon mal. MULEM-EX oder auch «Musiklehrkräftemangel – eine explorative Studie», so der volle Titel in seiner gesamten Schönheit, da kam ja heraus, wenn interessierte Musikschülerinnen und Schüler bei der Studienvorbereitung und auch bei der Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung Unterstützung und Begleitung bekommen. Und auch wenn sie überhaupt mal die Vielfalt an Möglichkeiten eines Musikstudiums aufgezeigt bekommen, dann sind sie eher bereit, sich anzumelden und sich auch so einer Aufnahmeprüfung zu stellen. Wie läuft denn so eine Unterstützung bei euch an der Bergischen Musikschule in Wuppertal, Raphael? Habt ihr da eine extra studienvorbereitende Ausbildung, oder wie nennt sich das bei euch?

Raphael Amend: Talentakademie – die ist das Dach für eine etwas frühere Förderung. Die nennen wir Förderstufe und dann natürlich die studienvorbereitende Ausbildung. Und die beinhaltet zum einen das ganz Klassische, was man kennt: Also mehr Unterricht an Nebenfach Theorie und natürlich Ensemblearbeit. Und was wir im Rahmen dieser Talentakademie aber versuchen, ist, allen Angebote zu machen, die Berufsbilder wirklich kennenzulernen. Da sind wir auch noch nicht so weit, wie ich mir das wünschen würde. Und da gibt es noch einiges zu tun. Aber was wir, was wir versuchen, ist, dass wir von den. Von den Hochschulen, also zum einen bei uns die Bergische Universität, an der kann man Schulmusik studieren und natürlich auch die Hochschule für Musik und Tanz Köln, dass wir sie einladen und dass wir versuchen, Kontakt herzustellen, das heißt über die Berufsbilder informieren. Jetzt gibt es aber noch etliche andere Berufsbilder. Auch das ist unser Job, finde ich an Musikschulen zu sagen, was sind deine Möglichkeiten, wenn du in Richtung Musik was machen willst?

Kristin Thielemann:Ja, finde ich richtig gut, wenn es an den Musikschulen so was gibt. Aber ist natürlich auch eine Aufgabe für uns im Unterricht, dass wir auch immer mal wieder so zumindest so ein klein wenig in die Richtung stupsen können und mal die Tür öffnen können in Richtung Musikberufe. Was gäbe es denn eigentlich alles für Möglichkeiten? Kerstin, was bedeutet denn diese MULEM-EX-Studie für euch an den Hochschulen?

Kerstin Weuthen: Ja, also zuallererst ist es natürlich wirklich ganz toll, dass wir da jetzt empirische Daten haben dazu, wie junge Menschen eben darauf blicken. Und zuallererst einmal ist es uns jetzt sehr wichtig für den künstlerisch-pädagogischen Kontext, also für IGP und EMP aufbauend auf die MULEM-EX-Studie jetzt auch Daten zu erheben. Da haben wir gerade eine Steuerungsgruppe gebildet und werden mit 17 Standorten deutschlandweit eben jetzt eine Forschungs… ja viele verschiedene Forschungsprojekte machen, die wir zusammen bündeln. Also eigentlich genau das gleiche Vorgehen wie MULEM-EX es hatte mit vielen kleinen Mikrostudien, die dann gebündelt und ausgewertet werden, damit wir eben schauen können, was ist vielleicht da ähnlich und was ist für uns... Aber vielleicht auch noch mal wo sind andere Bedingungen, die da eine Rolle spielen? Und dann heißt es natürlich für uns als Hochschulen, dass wir ein bisschen schauen müssen, die Dinge, die uns da genau betreffen. MULEM-EX hat ja im Prinzip drei größere Handlungsfelder. Einmal die die Eignungsprüfung als Scharnier ins Studium, also überhaupt den Studienwunsch realisieren zu können. Dann die Passung des Studiums und dann wieder die Kontaktstelle in zwischen Studium und Berufseinstieg. Und ich finde, an allen drei Scharnieren müssen wir uns dann tatsächlich bewegen. Was Eignungsprüfungen angeht, sind wir natürlich da im Schulterschluss mit den Musikschulen unterwegs. Wir haben zum Beispiel an der Robert Schumann Hochschule fünf TutorInnen, die die Studienberatung machen und die jetzt auch mit mir schon im Gespräch sind, weil deren Aufgabe eben auch nicht nur sein soll, die Menschen zu beraten, die schon im Studium sind, sondern eben auch in der Vorstufe. Die werden jetzt auch Kontakt aufnehmen zu den Musikschulen der Region Düsseldorf, damit sie eben auch schon die Schülerinnen und Schüler vielleicht, die schon in die Stufe gefunden haben, vielleicht aber auch mal mit Lehrerinnen und Lehrern sprechen. Denn das ist manchmal ja tatsächlich auch noch eine Schwierigkeit, dass Lehrerinnen und Lehrer nicht nur für alle Dinge beraten können, die jetzt auch man zum Beispiel studieren kann wie zum Beispiel am Institut für Musik und Medien, sondern manchmal raten ja Lehrkräfte gezielt sogar ihren Schülerinnen und Schülern, die eigentlich motiviert wären, ab. Und da müssen wir also auch die Hemmschwellen noch ein bisschen senken, also dass wir die eine Sache. Dann im Studium müssen wir natürlich schauen, da hat Raphael eben richtig gesagt, wenn wir jetzt mal von diesem Paradigmenwechsel sprechen, dass Einzelunterricht nicht mehr der einzig gute Vermittlungskontext ist. Es soll ja auch auf gar keinen Fall abgeschafft werden. Aber wir müssen einfach da gucken, dass wir Menschen noch besser aufs Berufsbild, also auf die auf die berufliche Tätigkeit vorbereiten, indem wir eben diese Settings noch viel stärker auch im Studium schon mit vermitteln, damit man dann voller Freude startet und nicht immer mit so einem latenten Gefühl von Überforderung. Das heißt, da würde ich wichtig finden, das Studium so gut es kann, wir haben halt auch da immer diese strukturellen Bedingungen. Das heißt, für jede Änderung, die ich machen will, muss ich jedes Mal entweder ja, wenn was Kleineres ist, geht das, aber wenn es größere Dinge sind, müssen wir jedes Mal eine Studienreform durch Studiengangsreformen durchführen, was dann auch immer wieder ein Akt ist, den man sich vielleicht auch als Studiengangsleitung nur so alle fünf, sechs Jahre mal leisten möchte. Das heißt, da muss man natürlich dann auch immer schauen, wie gut kann man schon in die Zukunft blicken und wie sehr passt es dann auch? Und dann, was mir wirklich ein wichtiges Anliegen ist, ist, dass wir stärker noch mit in die Verantwortung gehen, was den Berufseinstieg angeht. Also da wünsche ich mir schon seit langem, habe ich auch schon mal in «üben & musizieren» beschrieben, dass es da eine Möglichkeit gibt, die jetzt nicht so genau so ist wie ein Referendariat, weil Referendariat, finde ich, hat viele positive, aber auch einige negative Punkte, sondern so ein bisschen eine unterstützte, mentorierte Phase im Schulterschluss zwischen Hochschulen, zwischen den Musikschulen als Arbeitgebern und dann vielleicht den Landesmusikakademien oder den Bundesakademien. Also so, so eine Möglichkeit dann auch, dass Berufseinsteigerinnen sich auch musikschulübergreifend miteinander austauschen und ihre Erfahrungen reflektieren.

Kristin Thielemann: «Beginner's Please» heißt dieser Artikel. «Ansprüche, Herausforderungen und Chancen der Berufseinstiegsphase an Musikschulen.» Gut, wenn man Zeit hat zum Googeln. War in «üben & musizieren» 3/2020 auf Seite 6 und das verlinke ich euch. Wie sieht das denn eigentlich aus, wenn jetzt beispielsweise eine Mitte 40-jährige Person kommt, die vielleicht schon jahrelang leidenschaftlich unterrichtet hat, aber eigentlich kein Musikstudium gemacht hat, sondern ja, learning by doing. Gibt es da denn eigentlich Chancen auf eine berufliche Qualifizierung? Wie sieht es bei euch in der Hochschule aus, Kerstin. Und ja, wie in der Musikschule, Raphael? Oder anders gefragt: Können wir es uns in Zeiten von Fachkräftemangel eigentlich noch leisten, auf Menschen zu verzichten die Musikpädagogik auf dem zweiten oder dritten oder vierten Bildungsweg machen möchten?

Kerstin Weuthen: Also an der Hochschule ist es ein bisschen so, dass die Menschen jetzt mehr auch kommen tatsächlich, die später einen Weg hauptsächlich dann aber zur Pädagogik finden. Also meistens haben die schon künstlerisch studiert und möchten jetzt sich pädagogisch nachqualifizieren. Menschen, die jetzt noch gar nicht Musik studiert haben und Mitte 40 sind, sind an Hochschulen natürlich, da ist es strukturell einfach immer ein bisschen schwierig. Also was man theoretisch anbieten könnte, wäre, dass sie als GasthörerInnen sich einschreiben können und teilweise die Seminare besuchen. Aber dadurch erwerben sie natürlich keine Berufsqualifikation. Und das ist für Personalämter…

Kristin Thielemann:Ja, ein bisschen unkünstlerisch. Aber für Personalämter ist so ein Abschluss durchaus wichtig. Raphael nickt fleißig.

Raphael Amend: Ja, das ist tatsächlich die Hürde, dass die Personalämter ja auch zu Recht gucken müssen: Liegt eine Berufsqualifizierung vor, denn auch da ist der Tarifvertrag ja sehr, sehr eindeutig. Aber es gibt durchaus auch Möglichkeit, da haben wir auch bei uns im Kollegium Beispiele, wo eben die Berufsqualifizierung über eine bestimmte Erfahrung und über Weiterbildung sozusagen nachgeholt wurde oder wird. Auch nicht jeder, der in den Musikerberuf geht, hat ja so einen ganz geraden Lebenslauf und geht definitiv erstmal an die Musikhochschule. Es gibt ja durchaus auch Fächer, wo die Musikhochschule jetzt erstmal gar nicht der der erste Weg ist. Also das ist jetzt nicht ausgeschlossen, dass man auch ohne ein Diplom oder Bachelor oder Master oder ähnliches auch an der Musikschule im Tarifvertrag landen kann. Aber es ist dann ein bisschen komplizierter. Deswegen ist die Nachqualifizierung auch an den Landesmusikakademien oder eben auch an den Hochschulen total wünschenswert. Weil je mehr man da auch vorweisen kann, desto wahrscheinlicher ist es, dass man an der Musikschule auch eine ordentliche Stelle bekommt.

Kristin Thielemann: Ah, verstehe. Ist ja auch durchaus sinnvoll, so wie es läuft. Jetzt geht schon langsam in Richtung Finale. Wie könnte denn eurer Meinung nach die Arbeit in unserem Beruf oder auch das Musikpädagogikstudium noch viel stärker sichtbar gemacht werden für die Öffentlichkeit? Lucia, wo sind denn Menschen deines Alters und Jünger unterwegs und würden auf Musik oder Musikpädagogik als Berufsfeld aufmerksam werden?

Lucia Gatzweiler: Gute Frage. Ich glaube, dass es schon natürlich in Teilen… Ich kann jetzt aus dem Studium irgendwie sprechen, was uns eben sichtbar gemacht wird, in Teilen auch wirklich stattfindet. Wir haben auch Kurse, die in Professionalisierung dann zeigen, wie sieht ein Musikschulalltag aus, was ist wichtig, auch zu beachten oder was Tipps und wo einfach mal so das Profil an Musikschulen auch durchgegangen wird. Aber das ist schon oft glaube ich, dass das Wichtige, dass die Menschen einen inspirieren und deswegen wäre eine strukturelle Verankerung noch mal sinnvoll. Wir haben natürlich Kurse, auch so was wie «Musikpädagogische Berufsfelder und Profile», so heißt der Kurs. Aber da wird natürlich auch eher die Breite der Möglichkeiten nach dem Studium gezeigt. Und noch mal konkret auch zu schauen, wie sieht es an der Musikschule aus, findet halt hauptsächlich im Praktikum statt. Da muss man dann Glück haben, an gute MentorInnen zu geraten, wird man natürlich auch oft beraten, wo man hingehen kann. Aber es ist dann auch immer sind so Schraubstellen, die müssen dann zusammenpassen, dass dann auch wirklich die Euphorie für eine Musikschulstelle auch entsteht. Und ja, ich weiß gar nicht, ob es da eine wirkliche Lösung gibt, außer zu gucken, dass wirklich die Leute dafür brennen, in Musikschulen zu arbeiten. Ja, aber ich glaube, ihr habt da vielleicht mehr Ideen als ich.

Kristin Thielemann: Wie sieht es denn mit Social Media an den Hochschulen aus, Kerstin?

Kerstin Weuthen: Tatsächlich sind wir da auf dem Weg. Es ist halt, es muss halt wie immer überall jemand machen. Also ich erlebe es jetzt bei uns an der RSH, dass es überhaupt nicht daran liegt, dass jemand keine Erfolge der Musikpädagogik posten will, sondern dass ich einfach halt diejenige sein muss, die die Erfolge weiß als Studiengangsleitung. Das heißt, ich schreibe dem netten Menschen der Pressestelle, der sich irrsinnig freut. Und wenn ihr jetzt mal auf die RSH-Homepage guckt, dann haben wir gerade Erfolg aus der Musikpädagogik: Eine Studentin kriegt die Stelle als Projektmanagerin beim Kinderorchester NRW, und ich glaube, da müssen wir einfach auch insgesamt selbstbewusster werden als Pädagoginnen und Pädagogen. Und eben nicht denken: Ah, das, das interessiert jetzt keinen oder so, das posten wir mal nicht, sondern das zu machen und das ja dazu stolz zu stehen, was unsere Erfolge sind und so.

Kristin Thielemann: Raphael, ein Schlusswort hierzu.

Raphael Amend: Was ich total spannend finde und wichtig finde, dass wir mehr Begegnung zwischen Studierenden und auch den Schülerinnen an den Musikschulen schaffen. Denn das ist, glaube ich was, was… Das findet statt im Praktikum im besten Fall. Aber das könnte ja viel früher stattfinden. Also dass auch beide Gruppen erleben voneinander, was bedeutet das eigentlich, an einer Musikhochschule zu studieren? Ich befasse mich mal oder ich befasse mich unterbewusst mal damit, ob das nicht auch was für mich wäre und andersrum aber auch Studierende erleben Wie ticken Schüler innen im Kontext Musikschule momentan? Was beschäftigt die eigentlich? Was erwartet mich denn später im Beruf? Auf wen treffe ich denn da? Insofern finde ich diese Begegnung total wichtig. Und das andere, was mir eben noch einfiel, das ist so eine Kleinigkeit. Aber das platziere ich auch gerne immer mal wieder die künstlerisch pädagogische Exzellenz in den Musikhochschulen auch darzustellen. Also oft sieht man ja auf Displays, auf Homepages, dass künstlerisch Studierende einen Meisterkurs gemacht haben oder irgendeine Orchesterstelle gewonnen haben, einen Preis gewonnen haben oder oder oder. Sehr, sehr selten sieht man eben, dass es auch im pädagogisch-künstlerischen Bereich große Erfolge gibt. Und das ist eine, finde ich ganz einfache Sache, die aber vielleicht einen kleinen Beitrag leisten könnte.

Kristin Thielemann: Ihr möchtet mehr zum Thema Berufsbild erfahren? Hört doch mal in Folge 23 von «Voll motiviert» rein. Da ist Friedrich Koh Dolge, der Bundesvorsitzende des VdM, Verband deutscher Musikschulen, zu Gast. Es geht um die Zukunft Musikschule: Wie verändert sich das Berufsbild von Musikschullehrkräften und welche Fähigkeiten brauchen Lehrkräfte, um die Musikschulen in die Zukunft zu führen?