Voll motiviert – Der Musikpädagogik-Podcast

Transkript

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#44 Hausaufgaben und Üben daheim

Kristin Thielemann: Heute gibt es Fragen an euch, liebe Voll-motiviert-Community. Nämlich: Wie macht ihr euren Schülerinnen und Schülern klar, dass das Üben daheim wichtig ist, um Fortschritte zu erzielen? Wie notiert ihr die Hausaufgaben, damit sie auch gerne und gut erledigt werden? Was macht ihr mit hartnäckig Nicht-Übenden? Und gibt es bei euch auch Aufgaben, die digitale Inhalte für die Hausaufgaben nutzen? Sind bei euren Schülerinnen und Schülern eigentlich die Eltern mit ins Üben daheim eingebunden? Das hier ist die erste interaktive Folge von «Voll motiviert». Das heißt, Ihr, liebe Hörerinnen und Hörer, seid eingeladen, mitzudiskutieren und eure Ideen und Impulse ganz aktiv einzubringen. Und das funktioniert so: Ihr nehmt von dem, was ihr in Sachen Hausaufgaben mit der Voll-motiviert-Community teilen möchtet, eine Audiodatei auf und schickt diese bis zum 14.06.2024 an podcast@schott-music.com. Wenn ihr keine Audiodatei von euch machen möchtet, aber dennoch etwas zu sagen habt, könnt ihr eure Gedanken auch schriftlich zusammenfassen und uns mailen. Aus all dem, was ihr schickt, entsteht eine neue Folge, die ihr dann demnächst hier auf diesem Kanal hört. Damit ihr euch schon mal auf das Thema Hausaufgaben einstimmen könnt, diskutiert heute ein musikpädagogisches Quartett mit Kerstin Weuthen, Sylke Pasold, Ulrich Schliephake und mir über diese Fragen. Viel Spaß mit Folge 44 von «Voll motiviert» – eurem Musikpädagogik-Podcast.

Intro: «Voll motiviert» – der Musikpädagogik-Podcast von Schott Music, dem Verband Deutscher Musikschulen und Kristin Thielemann.

Kristin Thielemann: Heute wieder «Musikpädagogisches Quartett», diesmal zum Thema Hausaufgaben. Danke, dass ihr euch die Zeit nehmt. Kerstin Weuthen…

Kerstin Weuthen: Hallo! Hallo Kristin!

Kristin Thielemann: …Sylke Pasold…

Sylke Pasold: Hallo Kristin!

Kristin Thielemann: …und Ulrich Schliephake.

Ulrich Schliephake: Hallo aus Leipzig!

Kristin Thielemann: Und die drei stellen sich gerade einmal selbst vor, damit ihr wisst, wer heute für euch miteinander spricht.

Kerstin Weuthen: Ich bin Kerstin Weuthen. Ich bin seit letztem Jahr im April Professorin für Instrumental- und Gesangspädagogik an der Robert Schumann Hochschule in Düsseldorf, habe davor die Musik- und Kunstschule der Stadt Duisburg geleitet und bin ganz langjährige Geigenlehrerin. Das habe ich auch die ganze Zeit nie aufgegeben, weil ich mir «Ein Leben ohne Unterrichten ist möglich, aber sinnlos!» als Motto genommen habe.

Sylke Pasold: Ja, ich bin Sylke Pasold. Ich bin seit 30 Jahren Musikpädagogin. Ich bin Trompeterin, ich leite einen Musikschulstandort mit 400 Schülern, unterrichte selbst Schüler vom dreijährigen Kind in der musikalischen Früherziehung bis zum Oberstufenabsolventen. Und ich habe Erfahrungen im Bereich Einzel- und Gruppenunterricht und leite verschiedene Ensembles.

Ulrich Schliephake: Ich bin Ulrich Schliephake. Ich bin Geigenlehrer an der Musikschule Johann Sebastian Bach. Ich bin Fachbereichsleiter und Fachberater. Ich habe auch einen kleinen Lehrauftrag an der Musikhochschule hier in Leipzig für Lehrpraxis. Ich bin in Leipzig geboren, aufgewachsen und unterrichte seit 42 Jahren. Ich bin sozialisiert worden in der DDR, und ich bin jetzt im Herbst meines Berufslebens angekommen.

Kristin Thielemann: Das nenne ich doch mal eine bunte Runde. Wird bestimmt ein spannendes Gespräch. Ich freue mich drauf. Gehen wir doch gleich mal mittenrein. Wie sieht es aus: Post-its oder doch eher klassisches Hausaufgabenheft? Wie notiert ihr die Hausaufgaben? Und vor allem warum habt ihr diese Methodik für euch gewählt?

Ulrich Schliephake: Ja, ich habe ein Hausaufgabenblatt entwickelt für meine Schülerinnen und Schüler. Das dient der Notation der Hausaufgaben und gleichzeitig ist es aber auch eine Dokumentation. Es ist ein Monatsblatt, es ist DIN A4 und es wird eingeheftet und wir schauen immer zu Beginn der Stunde drauf und sprechen dann über die vergangene Woche. Das ist ein Ritual bei mir im Unterricht. Bei dem Monatsblatt, das die Schülerinnen und Schüler einheften, sollen sie erfahren – auch Zeiträume –, wie lange braucht etwas? Und das sehen sie dann anhand des Hefters. Wir können dann zurückschlagen und sagen: Okay, im Februar war das und das haben wir begonnen oder da waren wir schon dort und dort. Ja, und das… Sie notieren das natürlich in eigener Zusammenfassung und ich notiere das natürlich für mich parallel trotzdem in ein Heft. So funktioniert das bei uns.

Kristin Thielemann: Oh, jetzt komme ich mir ja ganz schlecht vor, Uli. Das ist ja ein total ausgefeiltes System bei dir, was du da hast! Und ich habe ja auch in der Vorbereitung zu dieser Folge schon in deine Unterrichtsnotizen reinschauen dürfen. Respekt! Bei mir kommt das immer ganz aufs Alter der Schülerinnen und Schüler an und ich nutze da auch durchaus unterschiedliche Tools. In der ersten gemeinsamen Zeit mit dem Kind versuche ich ja überhaupt erst mal beizubringen, dass regelmäßig geübt wird und ja, dass regelmäßig eben auch täglich bedeutet. Also nicht so wie in der Schule: Eine Aufgabe bekommen, einmal dransetzen, erledigen, fertig. Sondern dass es beim Instrument lernen einfach dazugehört, dass man möglichst häufig eine Sache immer weiter und weiter verbessert, ergo täglich übt. Dann komme ich dann auch recht schnell zu dem wie üben. Also ich bringe so ein klein wenig schöne Übemethodik bei, meist verknüpft mit Situationen aus dem Straßenverkehr. Da gibt es dann so Methodiken wie «Baustelle», «Schlagloch» oder «Koffer ein- und auspacken»; «Rastplatz» manchmal auch. Denn es ist meine Erfahrung, wenn das Üben mit solchen Kleinigkeiten erstmal Spaß macht und eine liebgewonnene Gewohnheit geworden ist, dann haben wir echt was für den Unterricht gewonnen. Als Notationsform nehme ich für die Kleinen meist so ein Memoboard aus Plastik, wo es Felder gibt, in die ich was reinschreiben kann oder wo auch die Kinder was reinschreiben können. Und die Kinder können dann zu Hause einen Haken auf «Yes» schieben, wenn es erledigt ist. Ich verlinke mal so ein Memoboard. Ja, ich habe die leider nicht im Musikgeschäft nebenan gesehen. Bisher noch nicht! Wohl aber bei bekannten Online-Großhändlern. Ich gestehe! Ja, die Älteren, die haben eher seltener Notizbücher bei mir, häufiger aber so die Notiz-App, wo wir uns eine gemeinsame Notiz teilen. Bei manchen arbeite ich auch mit Kanban-Boards. Das habe ich ein «Digital jetzt!» beschrieben und wieder anderen reichen einfach ein paar Post-its in den Noten. Also ganz individuell und auch irgendwie abwechslungsreich für mich. Sylke, wie hältst du es denn mit den Hausaufgaben?

Sylke Pasold: Ja, bei mir unterteilt sich das ein bisschen, da ich auch sehr kleine Schüler unterrichte, die noch gar nicht lesen können. Aber alle haben generell ein Hausaufgabenheft und die Hausaufgaben werden da altersgerecht notiert und sehr individuell. Also bei den Kleinen ist das Ritual bei uns, dass die eine Farbe aussuchen dürfen, mit der die Hausaufgaben geschrieben werden. So unterscheiden sich die Hausaufgaben der einen Woche visuell sehr gut von den Hausaufgaben der vergangenen Wochen. Ganz wichtig ist, leserlich zu schreiben, denn Erst- und Zweitklässler sind ja stolz drauf, dass sie lesen können. Aber die sind unglaublich frustriert, das habe ich auch zu Hause selbst erlebt, was das ausmacht, wenn ein Kind seine Aufgaben nicht lesen kann. Geschaffte Aufgaben werden abgehakt oder mit Bildchen versehen oder so, dass die Kinder auch da wirklich visuell gut sehen, wie weit sie stehen und wo sie stehen. Dann gibt es noch ganz viele Tiere und Pfeile und ich habe halt die Möglichkeit in einem Notenheft individuell auf das Kind zugeschnitten, kurze Fingerübungen usw. zu notieren, die mir wichtig sind.

Kristin Thielemann: Kerstin?

Kerstin Weuthen: Ja, ich wollte auch was zum Post-it noch mal sagen als eine gute Möglichkeit. Also die nutze ich auch variabel. Ich nutze die sehr gerne, manchmal bei jüngeren Schülern, um ein bisschen aus dieser ständigen «Abhakmentalität» raus zu kommen. Also wir markieren damit Stücke, dann die, die besonders gerne gespielt haben. Die bekommen so einen Post, so einen, so einen bunten Klebestreifen, nicht unbedingt ein Post-it. Und dann gibt es immer so die Möglichkeit, dass wir eben sagen so: Zum Einspielen oder am Schluss des Übens sollte man immer aus dieser Rubrik eins von diesen Stücken wiederholen, die man besonders gerne mochte. Das hilft auch so ein bisschen, damit die sich ein Repertoire aufbauen können. Und bei Älteren, wenn dann schon so die Pubertät zuschlägt, dann habe ich oft so, dass wir zum Beispiel drei oder vier Etüden haben, die alle eine Möglichkeit sind. Und dann können die selber, also die alle auch ein ähnliches Thema behandeln. Und die können aber selber schauen, worauf habe ich vielleicht ein bisschen mehr Lust als auf was anderes und dann können die das selber priorisieren nach so einem bestimmten System, was wir zusammen entwickeln.

Kristin Thielemann: Ja, das sind alles unglaublich gute Ideen. Ich denke auch, gerade so eine Repertoireliste eignet sich ja auch gut, um was Erarbeitetes wirklich wertzuschätzen und dann nicht eben abzuhaken und zu sagen: «So, bäm! Nächste Seite!» Sylke sieht aus, als wollte sie was sagen. Sie winkt schon ganz freundlich.

Sylke Pasold: Ja, was mir ganz wichtig ist, dass für Kinder eine Woche manchmal genauso schnell vergeht wie für uns. Und wenn man dann fragt: «War die Flöte diese Woche nett, durfte die mal aus der Tasche aussteigen?» Dann wissen die das manchmal gar nicht mehr. Also gibt es bei mir in den Hausaufgabenheften kleine Bildchen, sei es eine Blume oder sieben Wolken. Und jeden Tag, wenn man einmal geübt hat, kann man was anmalen oder ankreuzen. Für die, die nicht gern malen, die will ich ja nicht zwingen. Dann sehen die Kinder vor sich auch selbst, wie oft sie das Instrument in der Hand hatten.

Kristin Thielemann: Das ist natürlich auch eine super Idee. Das sollte ich vielleicht auch mal ausprobieren bei den Kleinen. Aber die Großen… also ich habe jetzt mit einem der älteren Schüler abgemacht, dass wir uns gegenseitig Kalendereinträge schicken und uns damit ans Üben erinnern können. Gegenseitig. Aber, aber ich muss sagen, ich weiß noch nicht genau… Ich meine also das kann man ja auch nicht auf Dauer und in großer Stückzahl machen. Da drehe ich auch frei, wenn ich so viele Nachrichten bekomme. Uli?

Ulrich Schliephake: Ja, ich denke, das hängt auch wirklich sehr vom Alter ab. Ich habe vor allen Dingen größere Schüler. Und das Instrument Violine erfordert halt: Man muss regelmäßig Dinge wiederholen und tun. Und die Farbigkeit mag das eine sein, aber diese Stringenz, dass man eben wirklich regelmäßig immer auch das Gleiche tut, variiert, erfordert eigentlich für meine Begriffe gar nicht so viel, dass man da bunt und und farbig arbeitet und tolle Ideen hat, sondern dass man einfach Dinge kontrolliert, bespricht, abspricht und immer wieder ergänzt.

Sylke Pasold: Der Trick dahinter ist: Was ich mit den Kleinen so aufwendig betreibe, habe ich bei den Großen ja wieder. Also ich unterrichte die zum Teil vom Dreijährigen bis zum Oberstufenabsolventen und natürlich können die irgendwann üben. Also dann fällt die Methodik auch weg und dann wird gesagt: Dein Kopf hat es kapiert, aber die Finger müssen es trainieren! Also lass uns den Kopf beschäftigen, während die Finger das immer wieder dasselbe tun.

Kristin Thielemann: Apropos immer dasselbe tun: Meine Schülerinnen und Schüler haben so eine Routine von mir bekommen, mit der sie in jede Stunde starten, die sie auswendig können und die dann auch daheim ohne großen Aufwand zu erledigen ist. Die bewirkt, dass sie sich danach richtig wohlfühlen auf dem Instrument und dass sie dann einfach auch gerne weitermachen. Und ja, dadurch muss ich für die Hausaufgaben nicht so viel Sachen notieren, sondern sie wissen einfach Punkt 1 = Routine.

Ulrich Schliephake: Ich kann das nur unterstützen. Also ich finde vor allen Dingen, dass Rituale heute eine größere Bedeutung noch im Unterricht bräuchten, als es vielleicht früher war. Gerade weil so viel in den Köpfen los ist und so viel Unruhe ist überall, ist es doch gut, wenn die Kinder wissen: Damit geht's los, damit geht es weiter. Und der Kopf hat ziemlich viel Ruhe. Und ich sehe das genauso: Ich habe am Anfang auch ein Programm, die wissen, wie es losgeht. Und ich denke, dass das gerade heute, in dieser unruhigen Zeit und in diesem unruhigen Setting, in dem die Kinder überall sind, sehr, sehr wichtig ist, dass Rituale eine größere Bedeutung gewinnen im Unterricht.

Kristin Thielemann: Das war jetzt ein ganz großer erster Block zum Hausaufgaben notieren. Und unser «Musikpädagogisches Quartett» hatte vorab besprochen, dass hier in erster Linie Sylke und Uli etwas dazu sagen, denn Kerstin, die hat kürzlich etwas ganz Tolles zum Thema digitale Hausaufgabennotation, in der «üben & musizieren» 6/23 publiziert. Ich erinnere mich da an das Stichwort «Ente 6». Deshalb bekommt Kerstin jetzt die Bühne für das Digitale, nämlich um genau darüber zu berichten. Und ich danke Dir ganz herzlich für Deine Geduld, liebe Kerstin. Wie sieht es aus mit den digitalen Zusätzen bei den Hausaufgaben?

Kerstin Weuthen: Ja, also da gibt es natürlich zwei Dinge, die man erstmal grundsätzlich unterscheiden kann. Also einmal gibt es natürlich die Möglichkeit, Hausaufgaben vielleicht digital zu notieren, in… also dass man du sagst jetzt auch schon gerade Kanban oder ich habe dafür Taskcards oder Moodle genutzt. Und das hat vor allen Dingen für einen, also für einen Gruppenunterricht einen großen Vorteil, weil da bin ich ja manchmal mit denen, mit denen komme ich gar nicht mit aufschreiben so schnell hinterher, wie ich das machen müsste. Aber ich gebe es dann einmal ein und die ganze Gruppe bekommt es. Und vor allen Dingen auch im Grundschulkontext bekommen die Eltern es eben auch und die Kinder und können alle gleichzeitig unsere Klassenpinnwand da sehen. Und dann kann man eben dann auch schauen, dass man eben die analogen Dinge das mir auch ganz wichtig, dass wirklich viel Analoges passiert im Unterricht und auch beim Üben.

Kristin Thielemann: Ihr seht das ja jetzt nicht, aber beim Stichwort analog sehe ich alle ganz kräftig nicken.

Kerstin Weuthen: Na ja, das ist schon mal der Kern unserer Tätigkeit, würde ich schon sagen. Und das ist eigentlich ja auch gerade, auch wenn ich jetzt Uli sprechen höre, zur Ruhe in den Kopf bekommen, das finde ich auch tatsächlich ganz wichtig, dass man mit seinem Instrument da viel Zeit verbringt und dann nicht zwischendurch immer doch noch abgelenkt wird vom Smartgerät. Und deswegen muss man natürlich auch schauen, wie man das dann dosiert, wenn jetzt die Hausaufgaben digital notiert sind oder digitale Aufgabe dabei ist, dass es eben nicht in die Mitte des Übens gerät. Was ich trotzdem ganz gerne ab und zu mache, ist, dass ich zum meinen Übe-Hausaufgaben, also zum Training, zum Automatisieren auch immer gerne irgendwie so einen Forschungsauftrag mitgebe dazu. Und das ist natürlich was, wozu sich dann digitale Medien wiederum sehr gut eignen. Also ich kann zum Beispiel beim neuen Stück sagen: Bitte vergleiche mal drei Aufnahmen dazu und wir diskutieren in der nächsten Unterrichtsstunde, warum uns welche Interpretation besonders gefällt. Oder einmal hatte ich sogar mit einer 13-jährigen Schülerin die Herausforderung gestellt, den ganz berühmten Csárdás von Monti gar nicht nach Noten, sondern nur von einer YouTube-Aufnahme, also imitatorisch lernend sich zu erarbeiten, was auch sehr spannend war und dann auch mal zu Diskussionen geführt hat. Was ist eben doch auch was ist der Vorteil von welcher Methode?

Kristin Thielemann: Mega Ideen, Kerstin. Ist eben nicht nur wichtig, digitale Geräte zur Verfügung zu haben, sondern man muss das eben auch didaktisch clever einsetzen. Bei mir gibt es im Unterricht für Kinder und Jugendliche, die gern Handys nutzen und die da immer so ein wenig «suchten», digitale Zusätze, weil ich ihnen auch zeigen möchte, was sie eigentlich alles Cooles für den Musikunterricht und fürs Musizieren mit ihrem Handy machen können. Dazu drucke ich meist den Link zu online verfügbaren Inhalten von YouTube oder auch anderen Plattformen mittels Minilabeldrucker auf Etiketten. Und die klebe ich dann in die Noten. In der App «Print Master» kann ich dann schnell diese Etiketten auch speichern und bei Bedarf wiederbeleben, also reaktivieren. Das hatte ich in einem Beitrag für «üben & musizieren» beschrieben. Der hieß «Druckreife Tipps» und war auch in der 6/23 war da glaube ich drin. Ich verlinke das auf jeden Fall beides in den Shownotes. Aber ich habe auch zusätzlich noch eine digitale Lernplattform, die ja dann 24/7 für die Schülerinnen und Schüler geöffnet ist. Und ich habe auf deine Anregung hin versucht, diese digitale Lernplattform, die du da beschrieben hast, auf Taskcards.de nachzubauen, aber mit Inhalten für den Trompetenunterricht.

Ulrich Schliephake: Ja, ich weiß nicht, ob das passt, aber ich würde dem Zeitgeist ein bisschen was dagegensetzen. Ich bin ja der Älteste in der Runde und unterrichte seit 42 Jahren schon. Und es ist ganz klar, dass ich anders sozialisiert worden bin. Mir ist auch bewusst, dass die Generation Alpha nur das gar nicht mehr kennengelernt hat, wie das ist, wenn es keine digitalen Geräte gibt. Aber ist es nicht vielleicht auch so, dass wir schauen müssten, dass wir das vielleicht ein bisschen begrenzen? Gerade die Sicht auf die Bildschirme ist ja so dominant geworden, und ich bin eigentlich froh über jeden, der nicht auf Bildschirme guckt, sondern auf auch noch mal gedruckte Noten, ja, auch wenn das vielleicht Oldschool ist, und eben nicht immer irgendwo rumtippt, guckt, macht, tut und sondern sich mit seinem Instrument beschäftigt, die Ohren weit aufmacht und von mir aus auch mal die Augen schließt. Das fände ich eigentlich sehr, sehr wichtig, Gerade in unserer Zeit heute, wo die Kinder eben eigentlich wunderbar und gerne mit diesen Dingen zu tun haben. Aber wir müssen ja eine Balance auch herstellen. Und es gibt ja auch viel Kritik am digitalen Übermaß. Ich weiß nicht, wie ihr das seht.

Kristin Thielemann: Sylke?

Sylke Pasold: Ja, das sehe ich nach 30 Jahren unterrichten ganz ähnlich. Das Musikmachen ist eine sehr soziale, sehr analoge Tätigkeit. Das Handy daneben zu haben, ist noch ein Arbeitsmittel mehr, was ich auspacken, vorbereiten und auf… öffnen muss… die ganzen Sachen. Dazu kommt, dass ich aktuell hier weiß, dass sehr viele Kinder in ihrer Handynutzungszeit eingeschränkt sind durch die Eltern. Gott sei Dank! Dann glaube ich, kommt das nicht gut, wenn ich auch noch Zeit davon beanspruche. Und ich stehe auch dazu, dass ich sage: Es ist analog und es darf noch Dinge geben, die analog sind.

Kristin Thielemann: Ich denke, auch hier müssen wir das wieder ganz, ganz individuell handhaben. In meiner Klasse sind aktuell auch Kinder, deren Eltern haben ganz bewusst kein Handy. Nicht für sich selbst und auch nicht für die Kinder. Die haben einen Computer und der wird einmal am Tag angeschaltet, um Mails zu checken. Das muss ich als Lehrerin dann auch respektieren und ich muss trotzdem in der Lage sein, ganz hochwertigen Unterricht zu leisten.

Kerstin Weuthen: Ja, ich glaube auch, dass also einerseits wirklich tatsächlich ist es so schön, dass wir mit unseren Händen und wirklich dieses Instrument anpacken können und dass auch dieses Schauen auf… Schauen gar nicht vielleicht so in den Aufmerksamkeitsfokus, so so sehr zu nehmen. Noch nicht mal das Notenblatt, sondern vielleicht tatsächlich das Hören und was du sagst mit den offenen Ohren, Uli. Und das finde ich auch ganz wertvoll und muss noch viel, viel mehr den Kindern auch wieder nahe oder auch durch uns nahegebracht werden. Ich habe ja eine Studie zur Aufmerksamkeit gemacht und da berichten die elf bis 15-jährigen, dass das Hören eigentlich das erste ist, was bei denen in den Hintergrund rutscht, wenn etwas anderes komplexer wird. Das heißt, da haben wir schon die große Aufgabe und auch die große Chance, dass wir das fördern können und sollten. Gleichzeitig sehe ich auch, dass wenn ich jetzt meinen eigenen Lernweg von früher mir anschaue, dass es viele Dinge jetzt gibt, über die ich schon doch echt sehr froh gewesen wäre, wenn ich die als als Jugendliche zur Verfügung gehabt hätte. Möglichkeiten, leicht in Gehörbildung ins Komponieren einzusteigen oder mal so eine Masterclass von Heifetz mir anzuschauen. Und alle diese Dinge und die sollten wir ja auch. Diese Welt sollten wir denen ja auch mit eröffnen.

Kristin Thielemann: Digitalität ist für mich immer dann angezeigt, wenn sie etwas ermöglicht und auch was erleichtert, was in der analogen Welt nur schwer oder gar nicht möglich wäre. Ich kann mich daran erinnern, dass ich manche Abende den Sohn meines Trompetenlehrers gebabysittet habe, um dann, wenn der Kleine schlief, die CDs meines Trompetenlehrers, die er hatte, von den Bruckners Sinfonien auf Kassette zu kopieren. Dann bin ich in die Hamburger Musikbibliothek gefahren und habe dort per Hand aus den Partituren dieser Sinfonien die Trompetenstimmen abgeschrieben. Das würde heute natürlich um einiges schneller und bequemer gehen. Und ja, da teile ich meinen Schülern dann auch schon mal gerne Links zu Aufnahmen und Noten. Oder mal eine Hörbiographie. Letzte Woche habe ich Udo Wachtveitl erzählt Beethovens Leben geteilt, weil ich das alles gar nicht in einer Unterrichtsstunde unterbringen würde und ich das ja auch überhaupt nicht ermöglichen könnte, das so zu erzählen. So, jetzt aber mal zur heutigen Publikumsfrage. P. S.: Publikumsfragen dürft ihr mir natürlich gerne über meine Social Media schicken, aber die Adresse, wo eure Frage goldrichtig ist und auch immer ankommen wird, ist podcast@schott-music.com. Die heutige Publikumsfrage, die habe ich ein wenig eingedampft und das ganze Drumherum an Erzählung weggelassen. Verzeihung! Aber die Quintessenz daraus war: Was mache ich denn mit hartnäckig nichtübenden Schülerinnen und Schülern? So, jetzt bin ich aber gespannt, was ihr dazu zu sagen habt. Und ich bin natürlich auch gespannt, was ihr aus dem Publikum uns dazu schreibt oder für Audioaufnahmen schickt. Sylkes Augen leuchten schon. Sylke wie sieht's aus? Die nichtübenden Schülerinnen und Schüler in Bad Lobenstein. Womit haben die bei dir zu rechnen?

Sylke Pasold: Ja, also eine Idee, die sich sehr gut etabliert hat, ist, dass ich tatsächlich die Unterrichtszeit teile und die zweimal pro Woche bestelle. Das heißt, die sind dann schon mal regelmäßiger mit dem Instrument beschäftigt, dann fällt das leichter. Plus dass ich versuche, jeden Schüler in einem Ensemble unterzubringen, macht dreimal pro Woche das Instrument in der Hand. Und dann ist es auch leichter sehr wahrscheinlich, dass der eine Routine entwickelt, dass das zu Hause auch funktioniert.

Kristin Thielemann: Jetzt muss man ja sagen, Sylke, wir unterrichten beide Trompete, und ich sehe da natürlich schon die Parallelen. Ich bin aber auch nicht sicher, ob sich das so auf andere Instrumente eins zu eins übertragen lässt. Aber solch hartnäckige Fälle, für die wähle ich immer einen sehr ähnlichen Weg. Vielleicht noch mit der Ergänzung einer Musikpatenschaft, so die Familien das denn auch möchten. Aber was macht man im Geigenunterricht mit diesen hartnäckigen Fällen? Wer möchte zuerst was sagen? Ah, Uli.

Ulrich Schliephake: Ja, jede Unterrichtsstunde ist ja auch eine Übungsstunde. Also Paul Harris hat ja darauf hingewiesen: Das Entscheidende ist immer das Üben. Der Unterricht ist ja nur wie ein Brückenpfeiler. Sechs Tage der Woche sind Sie alleine. Das ist mir klar, dass das schwierig ist. Deswegen ist der Unterricht eigentlich von der ersten bis zur letzten Minute zu nutzen. Dass man wirbt für sein Instrument, für das Üben und dass man eben, ich nenne das dann «BÜ», betreuendes Üben macht. Dass man eben so mit dem Schüler übt, in der Hoffnung, dass dieser merkt, wenn er Dinge wiederholt, Übestrategien an die Hand bekommt, selber entwickelt auch natürlich – viel besser, dass er dann vorwärtskommt und dass es ihm dann mehr Spaß macht. Also diese Stunde einfach so intensiv zu nutzen, dass jede Stunde, die sowieso eine Übestunde ist, ich meine, das ist klar, dass exemplarisches Üben ein essentieller Bestandteil des Unterrichts ist. Aber der ist eben dann extrem zu nutzen für hartnäckig nichtübende Schülerinnen, dass sie die Erfahrung machen, dass man eben darüber irgendwas, irgendwas passiert und dass es dann schöner klingt und dass sich das schön anfühlt und in die Hoffnung dann einsteigt, das ist zu Hause dann auch irgendwie doch mal selber so gemacht wird.

Kristin Thielemann: Danke, Uli. Kerstin?

Kerstin Weuthen: Ja, das kann ich alles unterstreichen, was bisher gesagt wurde. Ich versuche auch genauso auch darauf auch so irgendwie so ein Narrativ zu entwickeln, dass ja das eigentliche Tolle ist, eben das Instrument für sich zu spielen und dass eigentlich der Unterricht genau dafür die Impulse gibt. Und dass das, was sie sich ja jetzt zunächst auf jeden Fall erst mal als Hobby ausgesucht haben, dass das eigentliche Hobby also wäre, im Ensemble, zu Hause, mit Freunden zu spielen. Und ich versuche dafür eben Impulse zu geben. Gleichzeitig habe ich aber auch immer wieder dann doch mal den einen oder anderen Fall gehabt, wo diese Hoffnung, wenn ich nur oft genug übe und das mit denen mache, dann doch nicht so nachhaltig aufgegangen ist. Und dann habe ich schon auch nicht so schlechte Erfahrungen gemacht, mich irgendwann dann mit denen gemeinsam und mit den Eltern vielleicht auch zusammen in so einem Agreement, vielleicht in einem zeitlich befristeten erstmal mal zu sagen: Okay, jetzt trennen wir uns einfach für ein halbes Jahr mal von der Idee, dass das jetzt unbedingt weit vorwärts gehen müsste, sondern jetzt gucken wir einfach, dass wir auch zusammen musizieren in dem Moment, dass wir vielleicht an den Unterricht mal mit einem Stück machen, was wir ganz langfristig zusammen machen, wo es vielleicht die Stimme erstmal im Schwierigkeitsgrad reduziert ist und dann nach so einem Baukasten-Live-Arrangement-Prinzip immer weiter sich langsam aufbaut. Oder indem wir vielleicht auch ein bisschen mehr improvisieren, komponieren. Ohne jetzt sagen zu wollen, dass das Tätigkeiten sind, die nicht auch eine häusliche eigene Beschäftigung benötigen würden, aber dass ich eben in der Unterrichtsgestaltung versuche, so diesem Motto von Frieda Loebenstein, ist eine Klavierpädagogin Anfang des 20. Jahrhunderts gewesen. Die hat gesagt: Jede Stunde mit einem Kind sollte ein Fest sein. Und da versuche ich mich auch nicht von zu verabschieden, wenn jemand mal nicht geübt hat oder auch dauerhaft nicht geübt hat.

Kristin Thielemann: Oh, was für ein schönes Zitat, Kerstin! Das ist wirklich toll. Jede Stunde sollte ein Fest sein.

Sylke Pasold: Beim Thema nicht geübt, sollte man auch tunlichst herausfinden, warum nicht geübt wird. Also es gibt tatsächlich unmotivierte Schüler. Das ist aber der seltenste Fall. Oft sind Kinder davon abhängig, dass die Eltern ja den Zeitplan am Nachmittag in der Familie vorgeben, wo sich tatsächlich Lücken finden müssen, auch für die Kinder zum Üben, wo die viel unterwegs sind, vielleicht noch andere Hobbys haben. Ich würde gerne eine kleine Geschichte erzählen dazu. Und zwar hatte ich auch eine Schülerin, die nicht geübt hat und habe sie motiviert. Ich habe gesagt, wir haben da den Auftritt und komm. Und es ging nicht vorwärts. Und ich habe sie gefragt: Wie machst du das denn zu Hause? Wo steht denn die Musiktasche? Die steht im Arbeitszimmer. Bist du da überhaupt mal? Nö, da hole ich mir nur Blätter zum Malen, sagte sie und das ging so weiter. Dann habe ich gefragt, ob die Tasche eventuell ins Kinderzimmer umziehen darf, damit sie dort ist, wo auch die Musik laufen soll. Ähm, das ging auch nicht. Und dann fand ich raus, das Kind macht Sport! Und beim Sport nehme ich meine Sporttasche, geht zum Training, kommen wieder heim, stellt die Tasche an einen Platz und nehme sie in der nächsten Woche zum nächsten Training wieder. Ich mache das Training gut, aber das war's dann auch mit Sport. Und genauso hat sie die Musik gesehen. Sie hat ihre Tasche genommen, ist pünktlich und motiviert zum Unterricht gekommen, hat sie wie beim Sport zu Hause hingestellt, um in der nächsten Woche pünktlich und motiviert, wieder in die Musikschule zu gehen. Als ich das raus… Das war wirklich ein ganz großer Schlüsselmoment für mich, wo ich gesagt habe Lasst uns rausfinden, was für eine Routine die Kinder haben, gegebenenfalls die Eltern, sollte man mit einbeziehen. Vielleicht kann man da später noch was dazu sagen, aber die Kinder machen das meistens nicht mit Absicht. Also oft Zeitmanagement der Eltern beziehungsweise eine Routine, mit der sie ein anderes Verständnis haben.

Kristin Thielemann: Hey, aber gut rausgefunden. Detektivarbeit in Bad Lobenstein. Zauberhafte Erzählung, liebe Silke. Für so ein Kind würden sich ja dann wahrscheinlich auch offene Überäume in Musikschulen eignen, wie sehr jetzt schon an einigen Orten entstanden sind. Und zu diesen offenen Räumen, da wird es auch noch eine Folge geben, so viel darf ich schon verraten. Aber was es auch immer geben wird, sind Schülerinnen und Schüler, die Phasen haben, in denen sie nicht üben wollen oder können. Und es wird auch immer welche geben, die praktisch überhaupt nicht zum Üben zu bewegen sind, egal was wir machen. Deshalb habe ich mir für diese hartnäckigen Fälle immer ein spezielles Programm, so eine Art Basisprogramm zusammengestellt, wo trotzdem die Grundzüge des Trompetespielens und des Musizierens drin sind, aber eben auch echt nur die Grundzüge. Ich sage das dann auch sehr deutlich, dass so ein gewisses Talent plus nicht üben zwar irgendwie weiterbringt, aber eben auch nur irgendwie. Und dass der Spaß am Musizieren dann echt auch auf der Strecke bleiben könnte. Aber auch für die hartnäckigen Fälle, da findet sich immer irgendwie ein kleines Ziel, wo sie dann trotzdem plötzlich anfangen, irgendwas zu tun. Und manchmal ist es ja auch nur, dass tief in ihnen drinsteckt, ohne dass sie das explizit wissen: Meine Eltern wollen, dass ich Musik mache und ich will mich von meinen Eltern emanzipieren, vulgo ich bin in der Pubertät und ich finde alles doof, was meine Eltern wollen. Und wenn dann ein Jugendlicher auch abgemeldet wird von den Eltern und noch seine letzten sechs Wochen Unterricht so sind, dann hat schon so mancher plötzlich seine heiße Liebe zum Musikmachen entdeckt und wollte dann am Ende doch noch bleiben. Aber es muss einfach immer dieses «Ich will das Selbst haben!» die Eigenmotivation, die intrinsische Motivation, ohne die geht es einfach nicht. Und ich fände es auch übergriffig, Kinder und Jugendliche dauerhaft extrinsisch zu motivieren, wenn sie nicht Musik machen wollen.

Ulrich Schliephake: Ich wollte da Sylke noch mal beipflichten. Man muss immer natürlich darüber im Gespräch bleiben, warum jemand nicht übt. Aber man muss auch die Erwartungshaltung formulieren, dass es eben täglich gemacht werden muss. Und da erlebe ich eben ganz oft jetzt so, also anders als vor 20 Jahren, dass man sich von Stunde zu Stunde irgendwie rettet und sagt: Okay, woah, hast du was gemacht? Nee, ach naja… gut, dann machen wir jetzt was und so...! Also das finde ich nicht gut, weil das Instrument natürlich das erfordert. Ja, das Instrument erfordert eine bestimmte Handhabung. Dazu muss ich Training machen. Deswegen fand ich auch das Buch ist ja schon vorgestellt worden, das Navi von Ulrich Menke gut, dass er eben das Wort Üben mit Training ersetzt. Es ist einfach Training. Und ich muss die Erwartungshaltung schon formulieren: Es muss eigentlich regelmäßig gespielt werden! Und in meinem Plan ist eben auch eine Spalte immer noch mit Übzeiten und die Schüler sollen schreiben, ich weiß, dass es umstritten, ist mir auch klar, dass das nicht ganz aussagefähig ist, aber die schreiben ehrlich rein: Fünf Minuten, ein Strich, zehn Minuten, 12, 3, 20 usw. Aber ich frage dann auch du was war Sonntag? Was war Sonnabend? Dann sagen die okay, da war dieses und jenes. Und dann sage ich: Na klar, ist völlig klar, aber macht… gebt euch bitte Rechenschaft, ihr müsst es regelmäßig machen! Und das noch mal zu der Erwartungshaltung, ich weiß nicht, wie ihr das seht, aber ich denke, die muss man immer formulieren, auch von Anfang an.

Kristin Thielemann: Ich übe ja immer so ein bisschen gegen mich selbst. Und ich versuche in den Schülerinnen und Schülern auch die Lust dazu zu wecken. Da nutze ich dann meistens die App «Andante Practice». Haha, da sind wir wieder bei den digitalen Tools. Bei der App kann man auf Start drücken, wenn man anfängt zu spielen und die zählt dann ganz tapfer die Zeit mit, die ich verübe. Und ich habe dann am Ende auch die Möglichkeit, die Qualität meines Übens für mich selbst zu bewerten. Das finde ich auch immer eine ganz schöne Sache.

Kerstin Weuthen: Was ich auch mal ausprobiert habe. Das waren jetzt nicht unbedingt hartnäckig nicht übende Schülerinnen und Schüler, sondern vielleicht welche, die noch jung waren und noch keine eigene Methodik hatten. Und auch, wo Eltern sich entweder weil sie alleinerziehend oder sehr beruflich eingebunden waren, nicht so sehr in der Lage gefühlt hatten, das wahnsinnig zu unterstützen. Dann habe ich, als ich noch sehr viele Schülerinnen und Schüler hatte, in Mönchengladbach an der Musikschule so ein Mentorenprogramm mit meinen älteren Schülern entwickelt. Das heißt, die Älteren waren dann Übepaten und sind zu den Jüngeren tatsächlich wie Nachhilfelehrer ein-, zweimal in der Woche zusätzlich zum Unterricht nach Hause gefahren. Die waren auch teilweise im Unterricht des Kindes mit mir dann mit dabei, so dass die bisschen mitbekommen haben, was wird da gemacht. Und das hat auch noch mal total viel für alle irgendwie gebracht. Also für die Jüngeren das natürlich dann, nicht wahr, die haben dann auch, das waren irgendwie auch Vorbilder noch mal anders als ich natürlich dann die die älteren Schüler. Und für die... also mancher von den älteren Schülern hat tatsächlich auch seine Leidenschaft am pädagogischen Beruf dadurch entdeckt und dann auch Lehramt oder Instrumentalpädagogik studiert.

Kristin Thielemann: Das finde ich ja auch gerade den Clou an Musikpatenschaften und die Erfahrungen, die du gemacht hast, Kerstin, die habe ich ganz genauso in meiner Klasse erlebt. Dass die Jugendlichen wirklich merken: Hey, unterrichten ist ein unglaublich wertvoller und erfüllender Beruf. Und über so eine Musikpatenschaft hat sich auch schon so mancher gesagt: Ja, ich will Musik studieren, ich will Musikpädagoge oder Musikpädagogin werden. Also Musikpatenschaft einfach und schnell für uns zu organisieren. Aber auch hier: Wer das nicht möchte oder auch wenn die Familie nicht bereit ist, das in ihren Plan zu integrieren, dann gibt es für dieses Kind, für diesen Jugendlichen eben keine Patenschaft.

Sylke Pasold: Ich fand das Thema Agreement von vorhin sehr, sehr gut. Also gerade mit den größeren Schülern funktioniert das toll. Ich habe die oft schon viele Jahre und wenn man dann sagt: Du, der Maurer muss wissen, wie man den Putz anrührt, der kann das Haus noch so schön finden, wenn er das Handwerk nicht beherrscht, kann der das Haus nicht bauen! Oder: Der Bauer muss wissen, welchen Dünger er streut, oder was auch immer. Die Vergleiche sitzen und ziehen und das Verständnis, ich brauche das Handwerk! Also wenn ich gerade als Trompeter in Höhe oder Technik eingeschränkt bin, dann entgeht mir verdammt viel gute Musik. Und das verstehen die. Also wenn man in ihrer Sprache mit ihnen spricht, dann, ja, dann gibt es oft die Möglichkeit, dass da ein Einsehen kommt.

Kerstin Weuthen: Das hat ja was auch mit Mitpflege, auch mit Selbstpflege irgendwie in dem Moment zu tun. Irgendwie sowas, sowas ganz regelmäßig, wo ich mich irgendwie um kümmere, wo ich nachher Verantwortung für habe. Deswegen probiere ich es mit den ganz jungen Kindern manchmal so ein bisschen einzuführen, wie das die Geige wie ein Haustier ist, was zu Hause einzieht und dann eben um dieses tägliche reinzubekommen, täglich gefüttert werden soll, aber mit schönen Tönen und nicht mit Gummibärchen. Und natürlich mit Älteren muss man dann da natürlich nicht mehr auf solche Bilder zurückgreifen, sondern dann tatsächlich, sie eben auch daran erinnern, was ihre eigenen Ziele sind. Vielleicht oder mit Ihnen das auch immer wieder abstimmen, ja.

Kristin Thielemann: Soll ich noch mal provozieren mit einer App, wo du das gerade erwähnt hast mit dem Haustier, Kerstin. Ich habe eine Übe-App für Kinder entdeckt, die ich euch in der aktuellen Version aber noch nicht empfehlen kann, weil das System echt noch ein bisschen in den Kinderschuhen steckt. Als Lehrkraft kann ich da aber auf meinem Account das jeweilige Kind aus meiner Klasse aussuchen, ihm eine Hausaufgabe eintragen und ein Tier dazu aussuchen. Und das Kind kann dann zu Hause auf dem eigenen Mobilgerät diese Aufgaben lesen. Und wenn die Aufgabe erledigt ist, fängt das Tier an zu lächeln. Das fand ich doch mal ganz charmant. Ich habe damit aber echt noch keine Erfahrungswerte in der Unterrichtspraxis gesammelt, weil das System mit diesem Memoboard absolut super läuft und never change a running system, oder? Also bleibe ich zumindest bei den Kleinen analog.

Ulrich Schliephake: Da sind wir schon wieder bei Belohnungen. Ich bin da ja ein bisschen vorsichtig, also mit diesen Belohnungen, aber da kommen wir vielleicht noch dazu. Ich werde noch mal zur Sylke sagen. Ich sehe das auch dieses ermöglichen also. Also ein Ziel wäre für mich schon, dass ein Schüler oder eine Schülerin eines Tages vielleicht doch einmal eine Dvořák-Symphonie mitspielen kann im Laienorchester. Und damit es aber gelingt, muss es ja über die Jahre hinweg muss ja etwas getan werden. Und wenn es das nicht einmal erleben darf, wie sich das anfühlt, in so einem Sound Gestalter zu sein, dann weiß es das natürlich nicht. Und ich möchte eben gerne, dass mein Wunsch, dass sie das mal erleben können, das ist eines Tages verstehen können, was das bedeutet und wie schön sich das anfühlt. Wir haben ja in unserer Musikschule, ich bin ja eine große Musikschule hier in Leipzig Johann Sebastian Bach, die Schülerinnen und Schüler spielen in zwei Wochen, spielen die Brahms zweite Sinfonie. Also nur die Schülerinnen und Schüler, muss man dazu sagen. Und das kommt nicht von irgendwoher. Und da muss man natürlich die ganze Zeit dranbleiben, wenn man das nicht tut. Ja, ist klar. Die ganzen Krisen, die kommen, das ist mir alles klar. Aber die Rituale und da sind wir wieder dort, die verhelfen schon. Also man muss da auch gar nicht immer so viel reden. Einfach nur tun, immer tun, tun, tun.

Sylke Pasold: Und genau dafür, wie toll diese Erfahrung ist, mit anderen zusammen zu spielen, fangen bei uns schon die Allerkleinsten mit den Minikenntnissen an, in Ensembles zu spielen. Die üben dann nämlich für ihre Truppe, für ihre Freunde, mit denen sie zusammen sind und um das nächste Level zu erreichen, ins nächste Ensemble zu kommen. Wir haben am Donnerstag 45 Grundschüler da sitzen, die die erste Erfahrung machen, in einem großen Orchester zu spielen. Und das geht weiter bis es das Projekt Zukunftsmusik gibt mit den Thüringer Symphonikern, wo die Kinder als Solisten und auch als Orchestermusiker die Möglichkeit haben, die Erfahrung zu sammeln. Für die Bläser haben wir das Blasorchester, was dieses Jahr 60 Jahre alt wird. Also die brauchen ein Ziel und üben ins Leere – das ist nie eine gute Sache. Also man muss wissen, wofür man es tut.

Kristin Thielemann: Ganz, ganz wichtiger Punkt. Jetzt hattest du, Sylke, vorhin schon mal auf die Eltern Bezug genommen. Inwieweit sind denn die Eltern bei euch in die Hausaufgaben mit eingebunden? Wer möchte? Ah, Sylke lächelt. Möchtest du gerade?

Sylke Pasold: Da würde ich sehr gern anfangen. Das ist ein mir sehr, sehr wichtiges Thema. Denn für viele Eltern ist das Thema Musik machen und Üben ein sehr neues. Das heißt, auch Eltern müssen lernen, dass es eine Überoutine braucht. Eltern müssen den Platz im Tagesablauf schaffen für das Kind, um zu üben. Eltern müssen gucken, dass das Kind nicht isoliert wird beim Üben, aber eine ruhige Zone hat in der Wohnung zum Üben. Also da gibt es ganz viele Routinen. Bei uns gibt es einen Flyer, da gibt es eine Seite über Tipps für Eltern.

Kristin Thielemann: Ah, den habe ich neulich gesehen, als ich bei euch zu Gast sein durfte. Darf ich den in die Shownotes stellen?

Sylke Pasold: Den dürft ihr sehr gern verlinken! Also eine Seite Übetipps für Eltern und eine Seite Übetipps für Schüler, sodass auch die Eltern eine große Chance haben, das zu lernen. Denn vielleicht sind die Eltern auch Sportler, die eben zum Training gehen und wieder heim gehen und das so auch mit der Musikschule umsetzen. Habe ich selbst erlebt. Und wenn man dann mit denen spricht, also mir… bei mir, werden zum Beispiel Eltern in die letzten fünf Minuten des Unterrichts eingeladen. Das Kind darf vorspielen, was es gemacht hat. So wissen die Eltern, worauf sie zu Hause achten können. Oder das Kind nimmt im Unterricht ein kleines Video auf, was die Eltern geschickt bekommen. So wissen die auch Bescheid. Und Eltern nehme ich die Angst: Ihr müsst keine Musiker sein und ihr müsst nicht mit üben. Ihr sollt nur motivieren und und initiieren, dass die Kinder üben können.

Ulrich Schliephake: Ja, es kommt natürlich voll aufs Alter drauf an und auf auch auf das Milieu natürlich, aus dem die Kinder kommen, das ist völlig klar. Aber da wir von Anfang an auf die Selbstständigkeit und Erziehung zur Selbstständigkeit hinarbeiten, ist es wichtig, finde ich auch noch mal zu ergänzen, dass man den Schülern das von Anfang an auch versucht, die Eigenverantwortung zu übertragen, dass sie da selbstständig das machen müssen. Und ich versuche dann ab einem bestimmten Punkt die Eltern möglichst rauszuhalten, weil, die Eltern haben oft ein schlechtes Gewissen. Die sagen, wir können nicht helfen, sollen wir und so? Und da sage ich: Nein, Frau Müller oder Frau Zimmermann oder wer auch immer, das ist mein Job! Ich muss das klären. Mit, mit, mit, mit Fridolin, mit Charlotte usw. Das ist ihr Ding. Die müssen üben. Das Üben kann denen keiner abnehmen, wenn sie die schaffen, die Bedingungen gut schaffen. Und wenn sie es schaffen, immer mal zu motivieren, ist das wunderbar. Aber wir müssen den Schülerinnen und Schülern die Verantwortung auch dazu schieben. Und ich finde das einfach wichtig. Auch, dass man dann so nach und nach auch das schlechte Gewissen der Eltern ein bisschen zur Seite schiebt. Na, ich weiß nicht, wie ihr das seht.

Sylke Pasold: Das sehe ich nicht ganz so, denn wie ich vorhin schon gesagt habe, gerade bis zum Grundschulalter ungefähr planen die Eltern sehr den Tagesablauf ihrer Kinder. So dass die Kinder, wenn nicht offiziell, eine Zeit zum Üben geschaffen wird, manchmal da wirklich im Strudel versinken. Also dann sind die Hausaufgaben, dann kommt der Freund, dann… Die Verantwortung ist aus meiner Sicht zu groß für einen Grundschüler. Also wie ich schon sagte, ich mache die Arbeit mit den Kleinen und investiere da viel, auch mit den Eltern. Und die Großen können üben und arbeiten von selbst und. Aber die Kleinen brauchen die Unterstützung und die Eltern brauchen die Überzeugung. Die sollen nicht erklären, wie das Fis gegriffen wird! Überhaupt nicht! Aber die sollen sagen: «Hey, hast schon ein Instrument in die Hand genommen? Wenn du vor dem Abendbrot übst, decken wir den Tisch. Brauchst nicht mitmachen!» Und so kleine Motivationen, die diese Nische am Tag einfach finden lassen.

Kerstin Weuthen: Ja, es ist, glaube ich, tatsächlich einfach eine Balance, die mit jedem… mit jeder Konstellation zu finden ist und dann eben tatsächlich sich auch mit der Entwicklung, mit dem Alter noch mal immer wieder verändert. Und das sind ja dann auch manchmal interessante Momente, wann passt es eben jetzt tatsächlich nicht mehr, dass das Eltern üben, unterstützen oder so? Oder wann fühlt sich vielleicht auch ein Kind irgendwie ja tatsächlich dazu irgendwie verpflichtet zu üben? Oder wie schafft man es eben, dass die von… dass die wissen, dass es ihre eigene Aufgabe ist? Und wie schafft man trotzdem, dass generell Kinder sich unterstützt fühlen und dass die Organisation dafür da ist? Und ich habe da auch ganz unterschiedliche Dinge erlebt, also mit Müttern, die selber Geigerin waren und wo die Kinder dann jedes Mal einen Kampf angefangen haben, wenn die Mutter sie erinnert hat und wir dann auf dem Handy der Mutter aufgenommen haben, dass das Kind selber dann, wo ich dabei war, gesagt hat: «Hurra, ich darf jetzt Geige üben!» Weil wir uns zusammen daran erinnert haben, dass das Kind eigentlich gerne Geige spielt, so dass die Mutter heraus kam aus der Rolle immer erinnern zu müssen, weil sie dann einfach diese diesen Spruch selber abspielen konnte. Bis hin aber auch zu Kindern, die sich wünschen, dass ihre Eltern mit ihm üben, weil sie das irgendwie auch als so eine Art Qualitytime empfinden, wenn da zumindest am Ende sie was vorspielen dürfen und mal auch mal zeigen dürfen, was sie jetzt erreicht haben oder so. Also ja, ich glaube, da sind wir sehr gefragt, das immer wieder einzupendeln und auszuhandeln, mit allen Beteiligten.

Kristin Thielemann: Das gute und individuelle ausbalancieren, das ist es einfach. Da gibt es nicht das eine Rezept, was für jeden passt. Deshalb ist der Unterricht ja auch echt handmade und ein Unikat für jeden. Echt guter Musikunterricht ist was, was kein Computerkurs und keine App wird ersetzen können. Aber jetzt gehen wir mal weiter im Text. Da ist nämlich eine Frage, die mir schon so häufig in Fortbildung gestellt wurde und wo ich mich immer enorm schwer tue, so eine allgemeingültige Antwort zu geben. Wie ist denn eure Haltung dazu? Vielleicht mal erst mit einem kurzen Ja oder Nein als Antwort: Wird von euch als Lehrkraft ein Kind für erledigte Hausaufgaben materiell belohnt, zum Beispiel mit Aufklebern, Stempeln oder irgendwie sowas in der Art.

Ulrich Schliephake: Nein, nein!

Kristin Thielemann: Ein ganz klares Doppel-Nein aus Leipzig. Kerstin, wie sieht es bei dir aus im Geigenunterricht? Belohnung ja oder nein?

Kerstin Weuthen: Nicht für erledigte Hausaufgaben, manchmal für besondere Challenges oder so, da habe ich manchmal so ein Spiel.

Kristin Thielemann: Und Sylke, wie ist das bei dir?

Sylke Pasold: Kindabhängig.

Kristin Thielemann: Bei Uli gibt es nichts, bei Kerstins Challenges gibt es Belohnungen und bei Sylke ist das kindabhängig. Ich muss sagen, bei mir gibt es auch nichts. Also ein ganz klares Nein. Aber bei mir gibt es Anerkennung, Lob und Wertschätzung. Das ist ja eine immaterielle Belohnung, wenn man so will. Aber kann auch so viel Gutes bewirken.

Sylke Pasold: Also wofür es bei mir auch ein Lob gibt, zumindest mündlich, ist, wenn jemand kommt und sagt, er hat nicht geübt, weil dann sage ich: Gut, dann weiß ich, was ich heute von dir zu erwarten habe. Ich müsste dich ja für doof halten oder mich, dass ich es nicht gut erklärt habe, wenn du mir sagst, du hast geübt und kannst es nicht. Also dann müsste ich mich ja in Frage stellen. Und deswegen ein Klares: Ich habe zu viel Schule gehabt. Bei uns haben die Eltern sich getrennt irgendwas. Wenn jemand zugibt, dass er nicht geübt hat, finde ich das richtig stark, weil, das macht die Kinder auch stark.

Ulrich Schliephake: Das stimmt ja alles. Aber wenn wir sagen: Üben ist wie Zähneputzen, ja, das wird immer wieder gemacht, dass als Beispiel, dann kann man auch nicht sagen in der Woche ich putze jetzt mal eine Woche lang nicht die Zähne, mir war einfach nicht so danach oder so. Ich finde, das Instrument fordert schon, dass man ein bisschen was macht. Da sind wir ein bisschen im Dissens, aber ich natürlich, nachvollziehen kann ich auch vieles. Aber ich denke, es hat nicht nur eine emotionale so eine Seite, sondern einfach auch eine Seite, dass man Dinge einfach mal macht, auch wenn es hart ist. Und dann belohnt man natürlich umso mehr und sagt: Mensch, ich finde das großartig. Du hast dich mal durchgerungen, hast da mal fünf Minuten was gemacht. Ist eine tolle Sache. Du bist ein starker Typ!

Kerstin Weuthen: Ja, also das finde ich auch total wichtig, dass die merken, eigentlich letztendlich endlich übe ich und das was die Belohnung ist, ist die Musik ja schon und dass ich was, was erreiche und dass ich vorwärtskomme. Deswegen fürs Üben an sich üben, finde ich auch, sollte irgendwie in so einer Form zur Selbstverständlichkeit werden, dass ich jetzt nicht Üben generell belohnen würde, also dass jemand geübt hat.

Kristin Thielemann: Aber das mit deinen Challenges, das würde mich ja noch mal interessieren, Kerstin.

Kerstin Weuthen: Was ich manchmal tatsächlich mache, das ist aber eher so ein bisschen in Richtung von Herausforderungen schaffen oder so ist, dass ich eine Challenge der Woche formuliere. Das ist aber dann eher mal auf so was zu achten, worauf sie sonst nicht achten würden. Zum Beispiel den, bei uns den Daumen mal ganz rund zu halten und nicht durchzudrücken. Oder wirklich mal sich durch eine echt fiese Lagenwechsel-Etüde zu beißen, bei den bei den Älteren und jeden Lagenwechsel analysiert zu haben oder sowas. Also nicht die die Etüde an sich, aber dann noch irgendwie sowas zusätzlich und manchmal sagen die dann auch schon: Oh ja, das ist unangenehm, aber ich weiß schon, das wird Challenge der Woche. Wenn wir das dann in der nächsten Woche tatsächlich uns anschauen und die haben die Challenge gemeistert. Dann bekommen die ein Challengepunkt und wenn nicht, bekomme ich einen Challengepunkt. Also das ist schon so eine extrinsische Sache. Und dann bei einer gewissen Anzahl, ähnlich wie bei Paybackpunkten, kann man das dann für einen Konzertbesuch oder irgendwas einlösen. Das haben wir immer unterschiedlich vereinbart. Das ist natürlich schon ein extrinsisches System, aber es funktioniert irgendwie ganz gut, um eben über die Dinge, für die die eigene Motivation vielleicht doch manchmal nicht ausreicht, weil sie so unbequem sind, noch ein bisschen einen Kick zu geben.

Ulrich Schliephake: Aber ohne extrinsische Motivation geht es doch wahrscheinlich gar nicht, oder? Also ich meine jede, jeder, jedem ist klar die, die die Königsdisziplin ist, das Intrinsische. Aber ohne extrinsisch geht es doch nicht, oder wie seht ihr das?

Kristin Thielemann: Schwere Frage, Kerstin, Sylke: Wie sehen wir das? Ihr da draußen? Wie seht ihr das? Schreibt uns!

Sylke Pasold: Extrinsisch. Das ist der Sinn, weil ich muss ja wissen, wofür ich das tue. Und das tue ich immer, um irgendwas mit anderen zusammen oder für andere zu machen, nämlich das Konzert zu spielen, oder? Natürlich ist das auch ein eigener Sieg. Also ich habe zum Beispiel auch Blockflötenschüler und da ist ganz oft die Challenge: Also ich erwarte schon, dass du das schneller kannst als ich, weil, ich bin ja Trompeter und nicht Blockflötenspieler und großer Sieg immer toll, also ich bin besser als. Das geht ja in den Schulen auch verloren. Also da wird gerade so gegen Wettbewerb und gegen Vergleichbarkeit gearbeitet und keine Diktate dürfen mehr geschrieben werden, keine Noten werden mehr laut gesagt. Aber dieser Wettbewerbsgedanke ist ja eigentlich natürlich basiert. Also so entsteht unser ganzes Leben, so überleben Arten mit Wettbewerb.

Kristin Thielemann: Das war jetzt ungefähr genau das, was Reinhold Friedrich in Folge 39 gesagt hat. Der sieht ja den Wettbewerb auch als Fighten miteinander im positiven Sinne.

Sylke Pasold: Ja.

Ulrich Schliephake: Also da würde ich sagen, auch das ist natürlich wieder vom Alter abhängig. Ich, ich würde mich jetzt mal outen: Ich versuche Schüler bis zum bis zum zehnten Lebensjahr möglichst von den Wettbewerben fernzuhalten, weil die bei sich bleiben sollen. Und die sollen sich nicht vergleichen. Aber mir ist klar, dass es dann nach und nach in den Vergleich geht und viele wollen das auch. Aber diesen, diesen Vergleichsgedanken und Konkurrenzgedanken, den muss man nicht unbedingt fördern. Das kommt wirklich sehr aufs Alter drauf an, finde ich schon. Aber ansonsten gebe ich dir schon recht. Klar, Ich meine ja, es kommt nur was raus, wenn man immer was macht. Und ich will noch mal auf das Ritual hinweisen, eben einfach zum Beispiel bei den Fingerübungen. Also ich, ich mache keine Tonleitern, klingt vielleicht ein bisschen komisch, aber ich habe ein eigenes System entwickelt, was ich auch selber mache und wo auch das Metronom immer höher gestellt wird usw. Also hat auch eine sportliche Note und das wird einfach gemacht und wir gucken dann nächste Stunde: Wo stehst du, wo bin ich das auch? Das Wort Challenge ist mir jetzt relativ neu. Ich kenne das mittlerweile jetzt schon auch, aber erstmal muss ich das noch vor zwei Jahren nachschlagen. Herausforderung, alles klar!

Kristin Thielemann: Und ich setze noch einen drauf, Uli! Ist nämlich eigentlich ein Gamification-Element, gegen sich selbst zu batteln und sich selbst upzuleveln.

Sylke Pasold: Kristin, das hast du gut gesagt: Wettbewerb mit sich selbst ist auch ein Wettbewerb, dass ich mich selbst weiterentwickele und diese Intention habe. Und wenn wir alle Wettbewerbe abschaffen wollen, dann müssten wir alle Sportwettbewerbe auch abschaffen. Denn das ist eine absolute Vergleichbarkeit und Leistungsgesellschaft. Und ähm, ich schicke auch meine Schüler nicht alle zum Wettbewerb, aber dieses: Ich kann mich selbst besiegen und komme da noch einen Schritt weiter, als ich eigentlich dachte. Also das mag ich schon ganz gern!

Kristin Thielemann: Jetzt seid ihr am Ende dieser Folge voller Impulse und Diskussionen zum Thema Hausaufgaben angekommen und ich bin absolut gespannt darauf, ob ihr euch wirklich dazu aufraffen werdet, uns eure Meinung, eure Kommentare, Ideen und Impulse in Sachen Hausaufgaben zu schicken. Ich würde mich echt unglaublich freuen, von euch zu hören. Eure Kristin Thielemann.