Voll motiviert – Der Musikpädagogik-Podcast

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#28 Barbara Metzger: Generationsverbindendes Musizieren

Intro: Voll motiviert – der Musikpädagogik-Podcast von Schott Music und Kristian Thielemann.

Kristin Thielemann: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von «Voll motiviert», eurem Musikpädagogik-Podcast. Heute geht es um ein Thema, was extrem viel Potenzial für die Motivation hat. Für unsere eigene, aber auch für die Motivation unserer Schülerinnen und Schüler. Aber ein Thema, was wir im Alltagstrott häufig gar nicht so im Blick haben. Die Rede ist vom Generationsverbindenden Musizieren. Generationsverbindendes Musizieren!? Brauche ich das in meinem Leben? Ich kann euch verraten: Schon nach dem Vorgespräch mit der heutigen Expertin habe ich so viele schöne und einfache Möglichkeiten entdeckt, die einen Musikschulalltag noch spannender und vielfältiger machen, die viel Potenzial für genialste Lernimpulse bieten. Und so freue ich mich auf die heutige Expertin, nämlich auf Barbara Metzger. Barbara ist Diplompädagogin, Grundschullehrerin, Flötistin und Autorin. Bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 2018 war sie Professorin für Elementare Musikpädagogik an der Musikhochschule in Würzburg. Und jetzt, in ihrem neuen Lebensabschnitt widmet sie ihre Zeit weiteren spannenden Musikprojekten und erfindet sich selbst mit viel ehrenamtlicher musikalischer Tätigkeit ganz neu. Herzlich willkommen, liebe Barbara Metzger und vielen Dank, dass du dir die Zeit für «Voll motiviert» nimmst.

Barbara Metzger: Ja, dann muss ich gleich sagen: Ganz, ganz herzlichen Dank, liebe Kristin, dass «Voll motiviert» sich diesem doch noch relativ neuen Thema widmet. Und ich freue mich natürlich sehr, dass ihr dazu gerade mich eingeladen habt in unser Gespräch.

Kristin Thielemann: Generationsverbindendes Musizieren. Barbara, was muss ich mir denn darunter eigentlich vorstellen?

Barbara Metzger: Man kann sich, glaube ich, aus den beiden Worten «Generation» und «verbinden» schon ein bisschen vorstellen, was es ist. Generation bedeutet: Man trifft auf Menschen oder Menschen treffen sich, die in ihrem Alter laut Lehrbuch gesehen ungefähr 25 Jahre auseinander sind. Und verbindend: Das bedeutet, dass man diese Menschen aus verschiedenen Alterspools hier durch die Musik zusammenbringen will. Es ist etwas, was eigentlich jeder Mensch aus der eigenen Familie kennt. Das heißt, ich habe oft Eltern oder auch Großeltern, die mit mir 25 Jahre oder weiter auseinander sind. Aber dieses generationenverbindende Musizieren, auch intergeneratives Musizieren genannt hat, hat nicht unbedingt diesen familiären Kontext im Hauptblickpunkt, sondern möchte eigentlich vor allem Menschen verschiedener Altersgruppierungen zusammenbringen, die sich jetzt nicht verwandtschaftlich oder familiär kennen, sondern die einfach unter anderen Bedingungen musikalisch aufeinandertreffen. Das ist der Hintergrund, wenn man diese, dieses Generationsverbindende genauer anschaut. Und dann geht es darum, musikorientiert miteinander, voneinander, übereinander zu lernen und vor allem eben miteinander zu musizieren.

Kristin Thielemann: So schön gesagt, liebe Barbara! Generationsverbindendes Podcasten ist das heute bei uns zweien! Und wir haben auch schon jede Menge Spaß dabei gehabt! Was sind denn die Vorteile vom Generationsverbindenden Musizieren? Warum kann ich nicht einfach mit Menschen in meinem Alter Musik machen?

Barbara Metzger: Ja, das kann man natürlich genauso und es ist mit Sicherheit auch wunderschön. Die Vorteile sind ganz unterschiedlich. Die liegen zum einen dabei, dass ich tatsächlich von älter nach jünger oder auch von jünger nach älter geblickt, andere Denk- und Handlungsweisen und vor allem auch Erfahrungen kennenlernen darf. Ich würde das gern mal gleich einem praktischen Beispiel festmachen. Es ist nämlich, glaube ich viel einfacher, wenn wir uns das so vorstellen: Und zwar spiele ich im Moment selbst, da ich ja jetzt nach meiner Pensionierung Zeit habe, in einer Bläserklasse beziehungsweise in einem Blasorchester in einem Dorf mit. Ich habe das noch nie in meinem Leben gemacht, bin also klassische Flötistin und finde es jetzt eine unheimlich interessante Erfahrung. Da gucke natürlich immer mit meinem «Methodikerinnen-Blick» drauf, weil mich das einfach wahnsinnig interessiert. Und da ist jetzt folgende Situation: Wir haben mich zum Beispiel als ältestes Mitglied dieser Bläserklasse. Also zunächst war eine Bläserklasse, jetzt ist es ein Blasorchester. Und dann wir haben zum Beispiel einen Schlagzeuger dabei, der dürfte so um die 15 Jahre alt sein. Dazwischen sind auch noch sehr viele Altersklassen, so dass da also schon eine ganz schöne Bandbreite an Alter ist. Wir musizieren einmal pro Woche gemeinsam zwei Stunden. Und ja, was passiert da jetzt intergenerativ? Also wenn ich mir das mal unter diesem Aspekt anschaue. Wir möchten gerne umeinander, voneinander, miteinander usw. lernen. Da passiert in der Pause zum Beispiel jetzt gar nicht so was ganz Musikalisches, ist aber dann doch wieder sehr musikaffin: Eine etwas jüngere Dame als ich geht zu diesem jungen Schlagzeuger und sagt zu ihm: «Sag mal, ich komm mit diesem Spotify nicht zurecht. Ich wollte das Stück, dass wir da spielen, jeder gern runterladen, aber ich kann das nicht. Kannst du mir das mal zeigen?» Ja, und der junge Mann, der eigentlich sonst nicht so wahnsinnig wortgewandt ist, also zumindest als Pubertierender keine so große Lust hat, mit uns Alten zu reden, der hat ja ihr da in einer größeren Bandbreite das alles erzählt und erklärt und gemacht und getan. Und siehe da, innerhalb von drei, vier Minuten war also irgendwie so eine Brücke geschlagen. Nicht nur für diese beiden Menschen, sondern auch für alle, die das mitgekriegt haben und die dann gesagt haben: «Oh, der hilft ihr und sie fragt ihn!» und Ähnliches. Also das wäre jetzt so was, wo man denkt, es ist toll, wenn sich Generationen mit ihrem jeweiligen Knowhow einfach austauschen können. Und in derselben Vereinigung passiert dann auch folgendes: Dass wir Literatur spielen, meinetwegen… Jetzt wird mit ein bisschen Fasching vorbereitet und wir spielen verschiedene Stücke der Comedian Harmonists und die sind wieder den jüngeren Leuten überhaupt nicht bekannt. Und als wir das erfahren haben, ging es sofort los: «Oh ja, natürlich! Mein kleiner grüner Kaktus» (singt) usw. Und die Jugendlichen oder jüngeren Erwachsene haben uns Ältere mit großen Augen angeschaut und wollten wissen: «Ja, was ist denn das?» Und wir kannten natürlich die Stücke alle und haben die also richtig mit ins Boot genommen – auch mit unserer Lust zu musizieren. Also das wäre zum Beispiel so eine Sache, wo man sagt, hier kann man sich zum Beispiel in der Literaturauswahl oder auch in der Technik, im Umgang mit musikaffinen Medien – da kann man sich einfach toll gegenseitig helfen.

Kristin Thielemann: Ja, ich glaube, es kommt unheimlich gut an bei der nächst jüngeren Generation, wenn wir uns für ihre Belange interessieren. Sprich: Ich interessiere mich für das, was mein Gegenüber tut und nicht nur, weil ich so tue, als ob ich mich dafür interessiere, sondern weil es wirklich echt spannend ist, was, was diese jungen Menschen heute machen. Ich meine, natürlich sind Comedian Harmonists super – oder auch Operette und Chansons – und jedes Mal, wenn ich das einer SchülerInnengruppe vorgestellt habe, fressen diese jungen Leute mir das aus der Hand. Aber sie fressen mir noch besser aus der Hand, wenn sie merken: Ich interessiere mich auch für das, was, was sie gerne mögen.

Barbara Metzger: Also das kann ich jetzt nur bestätigen, dass ich auch aus der Hand fraß. Genau nämlich in diesem Zusammenhang, weil ich plötzlich in diesem Blasorchester die Gelegenheit hatte, viele Melodien aus der aktuellen Filmmusik zu spielen. Ich kannte die nicht, muss ich ganz ehrlich sagen. Ich bin kein so ein Kinogänger. Aber dann plötzlich «Pirates of the Caribbean» oder irgendwie so was in der Art, also das ist so interessant! Und da waren die uns Jüngeren uns Älteren einfach Meilen voraus, weil sie a) die Melodien kannten, b) die Zusammenhänge, uns auch ein bisschen eingeführt haben in das, was in diesen Filmen und in dieser Musik passiert, also uns auch beim Interpretieren eigentlich geholfen haben. Also das ist wirklich eine Win-win-Situation auf beiden Seiten.

Kristin Thielemann: Absolut. Aber so etwas wie Pirates ist ja jetzt auch schon Standard, oder auch die Musik von «Harry Potter». Genau das hatte ich kürzlich in einem nur Schulkonzert gespielt. Das pfeifen die Erst-, Zweit- und Drittklässler mit! Aber was jetzt glaube ich noch im Kommen ist, sind glaube ich die Musiken zu Netflixserien oder auch Mangacomic-Verfilmungen. Ich habe hier gerade Naruto Comics liegen. Ich weiß nicht, ob das jetzt jemand von den Hörerinnen und Hörern kennt. Mein Sohn hat gerade 24 Bände Naruto gelesen - und bei den Verfilmungen dazu gibt es unglaublich schöne Musik: Alles so ein bisschen mit einem japanischen Touch und dazu kann man auch ganz toll improvisieren. Ich habe jetzt hier eine ganze Reihe von acht bis 11-jährigen Jungen und Mädchen, die sich durch die japanische Tonalität improvisieren, so mit den Jahren mit dem Tonrahmen, den so ein Naruto Manga, den so eine Manga-Musik dann vorgibt.

Barbara Metzger: Ja, also das ist wirklich was Bereicherndes. Soll ich noch ein Beispiel aus einem völlig anderen Zusammenhang nennen? Zum Beispiel, wenn ich in Seniorenheim gehe und mich dort mit Kindern treffe. Also das ist, das sind jetzt Erfahrungen, die ich selbst jahrelang machen konnte. Ich hole mein kleines bisschen aus: Wir hatten an der Hochschule in Würzburg, also im Fach Elementare Musikpädagogik die Idee, dass die Studierenden sobald wie möglich die Berufsrealität erleben und haben dafür sogenannte Modellklassen eingerichtet. Und da gibt es unter anderem auch immer ein Semester lang eine Modellklasse in einem Seniorenheim. Und ich durfte das erleben, dass elf Jahre lang tatsächlich im Sommersemester immer die Erst-, Zweit oder Drittklässler einer benachbarten Grundschule einmal in der Woche zu uns in dieses Altenheim herüberkamen und wir dort gemeinsam musiziert haben. Das sind so ungeheuerliche Erlebnisse, die man dort haben kann, wie das so funktionieren kann, dass Kinder im Grundschulalter eben wirklich ins Altenheim kommen und dann mit den Senioren musizieren. Da ist natürlich die Elementare Musikpädagogik, das elementare Musizieren genial.

Kristin Thielemann: Darf ich etwas fragen, Barbara?

Barbara Metzger: Ja klar!

Kristin Thielemann: Macht das den Kindern denn Spaß oder finden das nur die älteren Leuten gut?

Barbara Metzger: Das habe ich mich am Anfang auch gefragt, weil ich mich erst wirklich da sehr vorsichtig vorgetastet habe und dachte: Ist es jetzt für die Kinder jetzt interessant oder was passiert da mit denen eigentlich? Und da muss ich sagen, das ist jetzt eine Frage, wie das Ganze pädagogisch geführt wird. Wir hatten damals wunderbare MitarbeiterInnen an der an der Grundschule, die sehr viel Wert gelegt haben darauf, dass die Kinder mit anderen Leuten in Kontakt kommen. Und diese MitarbeiterInnen waren auch sehr musikaffin. Die Kinder haben in Absprache natürlich mit ihrer Lehrkraft, die das sehr unterstützt hat und sich auch gut vorbereitet hat, haben die wirklich sehr, sehr viel Spaß dabei gehabt und auch sehr, sehr profitiert. Und zwar sowohl in musikalischer Hinsicht: Da ging es eben auch so, dass die Senioren ihr Liedgut oder auch ihre ihr Wissen über Kunstlieder, Operette, Oper, alte Ufa-Schlager mit eingebracht haben. Und die Kinder kamen dann eben und haben aus der Schule und haben Lieder wie «Hello good morning, my dear friends» mitgebracht. Und die Senioren dort, die in dieser ländlichen Region kaum Englisch verstanden (da haben die jetzt 80 bis 100-jährigen nicht so sehr Englischkenntnisse) haben dann gefragt haben: «Ja, was singt ihr denn da überhaupt? Was heißt denn das?» «Das heißt nur «Guten Morgen!»» «Ach so. Gut. Dann haben wir bisschen Englisch von euch gelernt.» Also das waren ganz drollige Situationen. Zum einen auf musikalischer Ebene und auf der anderen Seite eben auch auf der sozialen Begegnungsebene. Also und wir hatten da ein Erlebnis, das war so umwerfend in jeder Hinsicht. Wir waren alle zusammen – wunderschön: Im Kreis sitzt immer ein Kind, ein Senior, ein Kind, eine Seniorin nebeneinander und wir wollten gerade anfangen, da klopft es an der Tür. Es ist eine Dame im Rollstuhl. «Darf ich mitmachen? Ich bin hier in der Kurzzeitpflege.» Und dann habe ich gesagt: «Ja, wir schaufeln Ihnen halt hier noch einen Platz.» Und ich hab’ gedacht, ich habe irgendwie einen Sehfehler: Die Dame war beinamputiert, kam also im Rollstuhl. Und alle Erwachsenen, die das wahrgenommen haben, wurden, ich würde mal sagen 15 Zentimeter kleiner, weil wir alle Angst hatten: Wie reagieren jetzt die Kinder? Also es war eine ganz brenzlige Situation und was natürlich sofort passiert ist: Die Dame war sehr gut drauf und kam da strahlend reingerollt, hat ihren Platz eingenommen und sofort fragt ein Kind sofort: «Was ist denn mit deinen Beinen los?»

Kristin Thielemann: Das wir Erwachsenen uns nie getraut hätten zu fragen!

Barbara Metzger: Nein! Nie! Ein Erwachsener hätte das nie gemacht. Niemals. Und der Zweit- oder Drittklässler hat es einfach gesagt: «Also was ist denn mit deinen Beinen los?» Und da hat sie gesagt: «Ach wisst ihr, meine Beine waren beide kaputt und krank und haben mir nur wehgetan. Und dann habe ich die im Krankenhaus einfach abmachen lassen und jetzt geht es mir blendend.» «Aha!», haben die Kinder gesagt. Und wir Erwachsene sind alle wieder 15 Zentimeter größer geworden, denn das Thema war gegessen. Da wurde nie mehr drüber diskutiert oder gesprochen. Und es ist also es ist so irre, was durch solche Situationen einfach passieren kann. Und ich glaube, man sollte viel, viel mehr so Konfrontationen auch einfach wagen oder zumindest keine Angst davor haben, weil gerade Kinder klären das wirklich von alleine. Und es war so eine irre Situation!

Kristin Thielemann: Also Kinder haben in so einem Altenheim dann ja auch ein ganz ehrliches Publikum. Wenn da jetzt Seniorinnen und Senioren sitzen, die natürlich den ganzen Tag relativ wenig zu tun haben und da kommen jetzt Kinder kommen, die singen und tanzen etwas, dann sind die älteren Menschen daran total interessiert. Und ich kann mir gut vorstellen, dass es auch an dieser Stelle sehr dankbar ist.

Barbara Metzger: Also ich weiß nicht, ob ich es richtig verstanden habe, aber wenn du sagst, vor Seniorinnen und Senioren etwas zu machen – wir arbeiten nur mit Seniorinnen und Senioren. Das heißt die Kinder führen nicht irgendwie etwas vor oder so, sondern wir musizieren und tanzen und bewegen uns und spielen Instrumente und begleiten Lieder usw. wirklich alles miteinander. Und das ist jetzt eigentlich das Entscheidende beim Intergenerativen. Also nicht jemand kommt sie Lied und geht wieder oder jemand gibt mir ein kleines Konzert und sie trägt ein Gedicht vor und geht wieder, sondern wir tun es wirklich zusammen. Und das ist auch so eine ganz entscheidende Definition von intergenerativem oder generationsverbindenden Musizieren.

Kristin Thielemann: Das heißt, es geht sowohl um musikalische als auch um außermusikalische Lernimpulse, um ein Miteinander und ein um ein voneinander lernen. Wenn du jetzt gerade schon so schön bei Geschichten bist… Ich habe als ganz jung Studentin, als ich in meinem ersten und zweiten Semester das erste Mal in einem Profiorchester spielen durfte, auch so eine Erfahrung machen dürfen. Da saß ich im Orchestergraben neben einem Trompeter, der damals so um die 60 Jahre alt gewesen sein muss. Der war natürlich im Orchester ein totaler Fuchs, der kannte die Werke in- und auswendig. Und wenn ich angesichts eines Solos die Schweißperlen auf der Stirn hatte oder nicht ganz wusste, wie ich eineinhalb Seiten Pausentakte in Puccini-Opern zählen sollte, dann hatte der für mich immer die besten Tipps auf Lager. Und er hat mir wirklich seine gesamte Erfahrung weitergegeben, leise zugeflüstert in dieser letzten Reihe des Orchestergrabens. Und das sind aber alles Dinge, von denen ich auch heute immer noch profitiere. Und das Schöne ist: Er hat mir neben all diesem Musikalischen auch Sachen aus seinem Leben erzählt. Erfahrungen, die er gemacht hat, auch schreckliche Erfahrungen. Wie zum Beispiel folgendes: Er war als Kind auf dem Todesmarsch aus Brünn dabei. Das hat er miterlebt und das waren bis dato Dinge, die hatte ich zwar im Geschichtsunterricht gehört, aber die waren so für mich nicht wirklich greifbar. Und ja, so sind meine ersten Schritte im Profiorchester dann auch ganz, ganz eng mit den Lebenserfahrungen dieses mittlerweile schon verstorbenen Trompeters verbunden.

Barbara Metzger: Ist ein unwahrscheinlich berührendes und wunderschönes Beispiel und bringt mich auch gleich noch auf so eine Spur, die für jemanden, der so was anbieten möchte, eigentlich auch sehr überlegenswert ist und auch sehr vorplanenswert ist. Ist nämlich die Frage: Was biete ich an Inhalten an? Also da ist es auch immer wieder so: Je älter die Menschen sind, kommen also gerade jetzt auch bei demenziell veränderten Menschen ja die Erinnerung an ganz frühe Jahre, also an ihre Kinder- und Volkslieder. Und da ist es eine riesengroße Frage: Soll ich also zum Beispiel Liedgut aus der NS-Zeit, aus dem BDM oder wo auch immer die organisiert waren, soll ich das mit aufnehmen? Kann ich das in irgendeiner Form guten Gewissens oder wie kommentierend dann mit in das Angebot nehmen? Es sind ganz komplizierte Sachverhalte, die da manchmal zu klären sind und wo man dann sehr, sehr vorsichtig einfach gewisse Wünsche der Senioren ein bisschen relativiert oder auch ein bisschen umgeht und abwägt und auf der anderen Seite tatsächlich spürt, dass die emotional so dabei sind. Vor allem bei den Männern ist es ganz klar, weil die alle im Kriegsdienst waren. Wir hatten da einen Mann in einer Gruppe, der hat also wirklich, so irre Tränen in den Augen gehabt und dann will ich auch das Weinen angefangen. Weil er es gesagt hat: Wenn wir dieses Lied singen… bei diesem Lied ist mein bester Kumpel im Schützengraben neben mir erschossen worden. Also das waren dann so Sachen, die haben sie uns mitgeteilt, ohne dass die Kinder dabei waren. Aber wo ich dann auch oft denke: «Also was das da alles teilweise über die Musik eben wieder aufploppt oder welche Bedeutung auch früher das Singen hatte! Oder auch die die älteren Frauen, die erzählen, dass sie also beim Bügeln, beim Waschen und weiß der Teufel wo überall immer gesungen haben. Aber das sind jetzt die 80 bis 100-jährigen, die das alles noch erlebt haben. Und es ist teilweise faszinierend, beruhigend, berührend. Aber es ist auch stellt denen, denen die Anleiterin vor, ganz schöne Probleme manchmal da schnell zu schalten oder schnell zu überlegen wie reagiere ich jetzt auch auf Wünsche zum Beispiel.

Kristin Thielemann: Ah, guter Aspekt. Ja, große Stolperfallen. Denn wenn die Kinder da erst einmal Lieder der NS-Zeit in ihrem Musikprojekt lernen, ich glaube, das kommt tendenziell nicht so gut an. Ja, das muss alles bedacht sein. Wenn ich denn jetzt in der Praxis so ein Projekt umsetzen möchte, muss ich dafür eine Fortbildung gemacht haben, oder meinst du, man kann sich auch einfach mal so dran wagen?

Barbara Metzger: Das ist jetzt ein bisschen eine Frage, wo man herkommt und was, was man überhaupt anbieten will. Also ich habe mal so überlegt, wo könnte man so was eigentlich überall anbieten. Wenn man jetzt mal sagt: Oh, ich will jetzt mal intergenerativ arbeiten. Ich fange mal von ganz unten an: Also ich kann zum Beispiel in der Kita anfangen und kann sagen: Ich leite eine Kita oder ich bin musikaffiner Erzieher oder Erzieherin und möchte einfach mal Großeltern einladen, die einigermaßen musikalisch fit sin, dass sie in den Kindergarten kommen, in die Kita kommen und mit uns irgendwie musizieren oder irgendwas zusammen machen.

Kristin Thielemann: Das klingt schön und einfach.

Barbara Metzger: Und genau das ist jetzt glaube ich kein großes Problem, wenn ich da musikaffine Großeltern finde. Wenn ich jetzt zum Beispiel die allgemeinbildenden Schulen schaue, dann ist es immer die Frage hier kann ich auch projektorientiert irgendwie in den Kontakt zu Seniorenheimen oder zur Tagesstätte oder über die Musikschule zum Beispiel irgendwas laufen lassen, dass man gemeinsam musiziert. Und hier ist es, glaube ich, schon ganz wichtig, dass man, wenn man so was leitet, einfach ein bisschen Ahnung hat von den verschiedenen Bedürfnissen dieser unterschiedlichen Altersgruppen. Ich sage mal so: Je fitter die Senioren oder die älteren Menschen noch sind umso einfacher ist es. Dann ist es nichts anderes, als wenn ich mit ganz normalen Erwachsenen arbeite. Aber wenn eben, dann sagen wir mal gesundheitliche Defizite oder gerade auch kognitive Defizite dazu kommen, dann sollte man schon wirklich eine Ahnung haben. Und da ist es dann schon gut, wenn man eine Fortbildung in irgendeiner Form macht und hinter sich gebracht hat, in der es eben speziell um altersspezifische gesundheitliche Probleme geht. Gehen wir mal gedanklich wieder in meine Blaskapelle zurück. Ich muss zum Beispiel dafür sorgen, dass die Sitzgelegenheiten so sind, dass ältere Menschen, die vielleicht auch schon ein bisschen gesundheitliche Handicaps haben, dass die einfach auch mindestens eine Stunde sitzen können. Ich muss das Licht richtig haben, dass sie was sehen. Die Noten dürfen nicht zu klein sein.

Kristin Thielemann: Für Kinder dürfen die Noten ja auch nicht zu klein sein.

Barbara Metzger: Ja, das ist.

Kristin Thielemann: Sowieso ein Plädoyer für große Notendrucke.

Barbara Metzger: Genau! Da treffen sich Jung und Alt natürlich schon auch wieder. Oder ich kann einfach auch nicht mein Probentempo zu schnell machen, weil dann kriegen sie über keine Luft mehr, oder die Anweisungen dürfen nicht zu schnell hintereinanderkommen. Die Sprache muss deutlich sein, langsam sein, wenige Anregungen. Also ich sind so Sachen, wo ich wirklich einfach schon mich entweder lesender Weise damit auseinandergesetzt haben sollte. Gibt es sehr schöne Literatur von der Frau Spiekermann, die sich mit altersspezifischen Besonderheiten beim Musizieren auseinandergesetzt hat.

Kristin Thielemann: Ganz großer Tipp: Reinhild Spiekermann – und das verlinken wir in den Shownotes und in der üben & musizieren 02_17, da ist ja auch ein ganz genialer Beitrag von dir und Barbara Busch drin: «Musik verbindet Generationen» heißt der. Das ist im Grunde auch so ein kleiner Mini-Leitfaden für alle, die in die Unterrichtspraxis einsteigen möchten. Es gibt da drin so eine ganze Reihe von Tipps zum generationsverbindenden Musizieren. Dinge, über die man einfach schnell stolpert, wenn man sie nicht auf dem Schirm hat. Das ist in dieser Zusammenfassung finde ich wirklich gut gelungen und alles kurz und knapp auf den Punkt gebracht, was man bedenken sollte. Also ja eben, dass Kinder und gerade ältere Erwachsene, Seniorinnen, Senioren häufig sehr unterschiedliche Bedürfnisse auch an die Stimmlage haben.

Barbara Metzger: Genau das ist auch so ein Problem.

Kristin Thielemann: Ja. Notationen gerade schon angesprochen. Die einen können vielleicht auch noch gar keine Noten lesen und die anderen können sie nicht mehr lesen, wenn sie so klein gedruckt sind. Dann natürlich auch die Anforderungen an die Auswahl der Musik, die wir ja eben schon an deinem schönen Beispiel hatten. Ja, ich glaube, jeder muss da auch so ein bisschen auf seine Kosten kommen beim Musikgeschmack und keiner sollte da komplett überfordert werden. Also so dauerhafter Breakdance oder Hip Hop mit der Seniorengruppe ist sicher weniger gut geeignet. Aber dann auch die Ausstattung der Räume, die du schon angesprochen hattest, mit großen und kleinen Stühlen, das hat man ja auch nicht immer alles in einem Raum. Barrierefreiheit ist denke ich auch noch so ein Stichwort. Und ja, es muss für Kinder natürlich auch immer Bewegungsmöglichkeiten geben. Ich kann mir vorstellen, dass dieses Thema ja für kürzere Fortbildungsformate wirklich gut geeignet ist. Oder auch um sich da selbst einzulesen. Aber ich fände es auch spannend, einfach mal in so eine Gruppe reinzuschauen, wie das bei euch funktioniert. Gehört es denn mittlerweile eigentlich schon zum Curriculum der Elementaren Musikpädagogik? Also es ist routinemäßig drin, oder man ich da an irgendeiner bestimmten Musikhochschule studieren?

Barbara Metzger: In der Ausbildung, im Studium der elementaren Musikpädagogik ist es inzwischen - ich habe mal vor paar Jahren den Überblick mir geben lassen – so ziemlich an jeder Hochschule in Deutschland inzwischen als Thema drin. Ob das jetzt in Form von so einer Modellklasse ist, wie das in Würzburg hatten und dann sehr, sehr direkt erfahrbar ist, oder ob das also mehr in Methodik-Seminar dann stattfindet, das ist, sei dahingestellt. Es ist sehr unterschiedlich, aber thematisiert wird es schon sehr stark. Auch generell jetzt die Musik Geragogik, also die die speziell für die Menschen ab 60 ausgerichtete pädagogische Vorgehensweise, die wird schon überall auch sehr stark behandelt und auch teilweise bedient mit Eigenerfahrung während des Studiums. Aber das Intergenerative ist wirklich sehr, sehr großes Neuland. Ich würde gern noch auf eine Sache aufmerksam machen, weil du gerade schon Literatur erwähnt hast. Und zwar gab es im Juni 2022, also relativ frisch, eine Zukunftswerkstatt an der Universität in Vechta zum Thema intergeneratives Singen und Musizieren. Und da ist federführend Professor Dr. Kai Koch, der sich als Musikpädagoge dort an der Uni ganz, ganz stark macht für dieses intergenerative Musizieren. Stark macht, insofern, als es wirklich total in den Anfängen steht, auch von der wissenschaftlichen Ergründung her oder von der wissenschaftlichen Begleitung her. Und da hoffe ich, oder wir hoffen alle, dass aus diesem ersten Expertentreffen einfach Fortbildungen und auch Module in den Studiengängen tatsächlich sich entwickeln können. Das ist mal so ein Tipp, wo man auch in Zukunft mal nachgucken kann. Ich habe jetzt ganz frisch nachgefragt, ob Neueres geplant ist. Ist im Moment nicht, aber Universität Vechta da mal nachgucken. Da also, da könnte es echt weitergehen. Das zweite ist, da nenne ich mal einen zweiten Namen, nämlich Prof. Dr. Barbara Busch und auch ich uns über die Bundesakademie in Trossingen seit 2016 für dieses Thema generationenverbindendes Musizieren stark zu machen. Und da hat jetzt im November das dritte Mal eine Fortbildung stattgefunden. Generationen verbinden - Anregungen für Musikpädagogik zum intergenerativen Musizieren. Und das soll laut Barbara Busch und auch dem Direktor dort, dem Herrn Vierneisel, soll das also auf jeden Fall fortgesetzt werden und man ist von der Bundesakademie Trossingen im Moment im guten Kontakt mit dem Deutschen Tonkünstlerverband, sodass also so Initiativveranstaltungen auch in Berlin jetzt angedacht sind. Also man sieht, es ist ein Thema, das also wirklich immer mehr auch Beachtung findet und Fuß fasst. Nur jetzt so aus dem Ärmel Fortbildungen gleich zu schütteln – das ist immer gar nicht so leicht, denn es gibt einfach noch nicht so viele, noch nicht so viel Expertise. Von daher gesehen sind wir eigentlich alle ein bisschen PionierInnen und müssen da alle zusammenarbeiten. Und eine dritte Sache will ich noch gern erwähnen, einfach als Tipp, auch um vielleicht an Information ranzukommen: Es gibt die Deutsche Gesellschaft für Musikgeragogik. Und die Deutsche Gesellschaft für Musikgeragogik veranstaltet mit anderen Kooperationspartnern, oft auch Musikschulen, Musikschulverbänden zusammen Zertifikations- und auch berufsbegleitende Lehrgänge für Musikgeragogik. Und in diesen siebenphasigen Lehrgängen ist immer ein Modul auch, das netterweise ich bestreiten darf, mit meiner Kollegin Monika Flöter zusammen zum intergenerativen Musizieren. Das heißt also, die Leute, die sich um die Musikgeragogik kümmern und diese großen Fortbildungen dort machen, die kriegen immer auch einen Impuls, vielleicht intergenerativ zu arbeiten, oder auf jeden Fall werden sie da drauf aufmerksam gemacht, dass es eben auch sehr geschickt wäre. Denn es ist von beiden Seiten aus gut: Also von der elementaren Musikpädagogik, die mir von den Kindern immer noch mehr kommt, ist es toll. Es geht von der Musikgeragogik aus, von dort ist es toll, wenn da Initiative ergriffen wird, ist es toll. Und ich muss sagen, an allen Hochschulen sollte auch in allen instrumentalpädagogischen Fächern das Arbeiten mit Senioren wirklich thematisiert, aber auch gelehrt werden. Denn es gibt unendlich viele ältere Menschen, die Zeit und Geld und auch die Fitness nur am tatsächlichen Instrument zu lernen, neu zu lernen, aufzufrischen. Also es gehört eigentlich in alle musikpädagogischen Bereiche gehört auch der Blick auf ältere Menschen mit rein und dann natürlich auch das Integrative.

Kristin Thielemann: Eine Bekannte von mir ist eigentlich Geigerin und Geigenlehrerin. Die hat aber vor einigen Jahren ihren Abschluss in Musikgeragogik gemacht und die ist jetzt auch nicht mehr die Jüngste. Sie ist geht auf die 60 zu. Und die schwärmt aber komplett von dieser Musikgeragogik. Und zwar weil sie dann erst mal vormittags unterrichten kann, wo sie in ihrer Musikschule mal den kompletten Leerlauf hatte. Und dann, weil alte Menschen auch wirklich lernen wollen und auch die Zeit dafür haben. Ich meine, es gibt natürlich Hindernisse, so Geige spielen mit Gicht oder Arthrose, das ist sicher nicht ganz so einfach. Oder Blechblasinstrumente mit dritten Zähnen… Aber generell findet sie es wirklich auch genial, weil sie sich jetzt nicht mehr mit dem Sportverein um die Nachmittagsstunden oder um die Wochenendtermine zanken muss, wie sie das bei ihren älteren Schülerinnen und Schüler hat, sondern weil diese Seniorinnen und Senioren einfach Zeit fürs Musizieren haben.

Barbara Metzger: Also die sind wir bisschen vom intergenerativen weg, aber es tut unendlich gut, wenn man Lehrende, Lehrender ist, dass man wirklich auch schaut, dass man mit den drüben, die du jetzt genannt hast, rein Zeit organisatorisch oder auch motivationsorganisatorisch. Wenn man sich einfach mal Schüler leistet und Schülerinnen die Lust haben, die wollen die Zeit haben und dann muss ich mich halt, wie gesagt, mit den Gichtfingern, da muss ich die eben ein bisschen thematisieren, Also diese, diese Buntheit in den verschiedenen Altersgruppen tut also jedem Lehrenden und jeder Lehrenden ungeheuer gut. Kann ich nur empfehlen.

Kristin Thielemann: Absolut. Ich hatte auch mal so einen älteren Herrn, als ich noch in Lübeck gelebt habe. Der hatte auch schon 13 und wollte aber unbedingt Trompete spielen, konnte das auch schon, wollte sich so ein bisschen fortbilden und wir hatten dann auch so Anstoß thematisiert und gesagt Ja, also, also eigentlich macht man da «tü» mit einem T vorne dran, oder «dü» mit D, wenn es weicher sein soll. Aber er war da: Das ginge jetzt nicht ohne Zähne sowieso gar nicht. Er macht jetzt immer Mümm-Mümm-Mümm als Anstoß. Also das ist jetzt 20 Jahre her, da lache ich heute noch drüber, über den Anstoß und ich erzähl diese kleine Anekdote garantiert jedem kleinen Trompetenschüler, wenn es um den Anschluss geht, dass Mümm-Mümm, Pü-Pü oder was auch immer nicht so die zielführende Anstoßart ist. Ja, und ich glaube, es ist ja auch für uns schön, wenn wir unser Lernen immer wieder neu definieren müssen. Wenn du so Fließbandarbeit machst und das kann auch Spaß machen, wenn du weiß ich nicht zehn 8-jährige da hast an einem Nachmittag, aber wenn mal was völlig anderes reinkommt, dann überlegst du dir den Prozess des Lernens auch noch mal ganz anders. Und ja, mich erfrischt das dann immer an so einem Nachmittag.

Barbara Metzger: Dein Beispiel jetzt gerade ist so wunderschön. Ich habe das an Musikschulen auch schon erlebt, dass zum Beispiel, wenn verschiedene Altersgruppen hintereinander kommen, auch ruhig als einzelne Schüler, die sich ja wahrnehmen. Die Tür geht auf, die Tür geht zu. Da kommt ein 16-jähriger raus, dann geht vielleicht ein 70-jähriger rein, dann kommt ein 10-jähriger. Und ich habe das erlebt, dass ein das war damals Bariton-Lehrer - ich habe mal Bariton angefangen, weil ich unbedingt mal ein Blasinstrument lernen wollte als alter Mensch - dann irgendwann diese Schüler Kontakt aufgenommen haben und der Lehrende dann sagt: «Sag mal, könntest du nicht mal fünf Minuten früher kommen? Oder hätten sie Zeit, ein bisschen zu bleiben?» Und dann haben wir also in dieser das ist ja so ein bisschen so, dieses flexible Musikschulmodell, da haben wir einfach dann mal zehn Minuten zusammen musiziert gespielt in dieser Art und Weise. Und plötzlich musizierte ich als Bariton-Anfängerin, also mit einem Posaunisten, der seit zwei, drei Jahren spielt, zehn Jahre alt war - wir spielten Duette! Also das war so lustig. Und dann haben wir gesagt: «Fünf Minuten von dir und fünf Minuten von mir knapsen wir ab und dann spielen wir zusammen. Das sind die Sachen, die sich dann ergeben, wenn, wenn einfach verschiedene Altersgruppen vor Ort sind. Und das war klasse.

Kristin Thielemann: Das ist einfach und schnell gemacht. Das ist doch toll. Ja, ich mache es häufig, wenn ich weiß, dass die Eltern oder Großeltern ihre Kinder bringen, dass ich dann darum bitte, dass sie mit in den Unterrichtsraum reinkomme und gucke, ob das so harmonieren könnte. Und auch, welche Ressourcen so da sind. Manche spielen ja schon Instrument. Und anderen drücke ich dann halt einfach was in die Hand. Und das tut Kindern häufig mal ganz gut zu merken: «Hey, ich bin schon voll kompetent auf meinem Instrument und die Oma, die kann jetzt vielleicht schon mal drei lange Töne spielen und ist jetzt aber auch irgendwie dabei. Aber zu Hause bringe ich ihr das jetzt noch ein bisschen näher, wie das funktioniert mit der Trompete. Das ist eigentlich echt eine ganz witzige Sache. Meine Klavierlehrerin, die ist damals so weit gegangen, dass sie gesagt hat, sie macht ein Familienkonzert nicht nur mit den Eltern und den Schülern zusammen oder mit den Eltern und den Kindern viel mehr, sondern auch mit den Großeltern. Und dann hat sie wirklich mal so abgeklopft Wer kann denn irgendwas und wie könnte sie denn daraus irgendwie mal ein kleines Familienensemble zusammenschütteln?

Barbara Metzger: Super! Was du da ansprichst, ist auch noch was, was in die Kompetenz von Menschen gehört, die so intergenerativ arbeiten wollen. Man muss einfach mehr oder weniger fähig sein, Sachen zu arrangieren, also umzuschreiben, zu vereinfachen. Ob das jetzt im Elementarbereich ist, dass ich also aus einem aus einem Hip-Hop Tanz für Kinder einen Sitztanz für die Senioren mache - geht alles! Also die Senioren machen den Tanz und die Kinder hüpfen da herum und machen ihr Zeug. Und beim vokalen und instrumentalen Musizieren geht es auch darum, dass man wirklich dann so arrangieren kann, dass man diese dieses «Orchester kunterbunt» oder diesen «Chor kunterbunt», wie ich es gern nenne, dann irgendwie auch so adäquat bedient, dass es eben sehr binnendifferenziert funktionieren kann. Also das ist auch so was, was man, wenn man musikorientiert arbeitet, oder auch bewegungsorientiert, wo man eigentlich ein unheimliches Know-how haben muss.

Kristin Thielemann: Oder eine gute Strategie, wie man es trotzdem hinbekommt.

Barbara Metzger: Ja, oder das. Also ich will da keinem jetzt irgendwie die Motivation rauben, um Gottes Willen. Aber man lernt auch genau so was lernt man nämlich auch in seiner Zusammenarbeit mit diesen verschiedenen Menschen. Wo ich dann sag: «Der schnelle Lauf geht nicht, dann spielen Sie halt immer nur den Anfangston vom Lauf, oder was man so alles machen kann, oder nur die Grundtöne, von der Harmonie!» und auf einmal kommt man dann rein in dieses Thema.

Kristin Thielemann: Oder fake it until you make it.

Barbara Metzger: Oder wir drücken und pusten später erst wieder. Das ist auch was, da braucht man sehr, sehr viel Fantasie und möglichst viel Know-how, um so unendlich heterogene Gruppen dann irgendwie auch gut zu bedienen.

Kristin Thielemann: Ich finde das dann auch immer ganz wichtig, dass man gutes Notenmaterial daheim hat. Weil sonst, wenn ich dann immer alles selber arrangieren will… Klar, mittlerweile bin schnell. Aber ja, als ich so Anfang 20 war, da war ich dann schon manchmal ein bisschen überfordert, wenn ich dann ein Arrangement von jetzt auf gleich gebraucht habe. Und ich meine erst mal, ich habe natürlich jetzt hier irgendwie drei Räume voller Noten und ich weiß mittlerweile auch einfach, wie ich schnell was Gutes daraus zaubere. Wir haben auch so eine kleine Community von Trompetenlehrern und noch anderen Musiklehrern bei uns an der Schule, die sich dann auch aushelfen mit flexiblem Material. Es ist dann ja auch immer ganz wertvoll, wenn man so was hat für solche Situationen.

Barbara Metzger: Auf jeden Fall. Ein Aspekt würde mir noch am Herzen liegen, was wir jetzt noch gar nicht angeguckt haben. Das ist nämlich wirklich was, was gesellschaftspolitisch und was bildungspolitisch eigentlich hinter diesem intergenerativen Musizieren steckt. Ja, da steckt natürlich ein Riesenpotenzial dahinter, dass man einfach die verschiedenen Generationen, die heutzutage teilweise sehr, sehr stark nebeneinander leben, irgendwie über ein emotional verbindendes und auch ein handwerklich verbindendes Medium zusammenbringt. Das ist was Wunderschönes. Ich kann noch so viel politisch diskutieren und sonst etwas machen, aber wenn ich einfach gemeinsam musizierte und die Interessen und wie gesagt die Vorlieben und die Nicht-Vorlieben der einzelnen Leute so kennenlernen, dann habe ich einfach einen Kontakt und entwickle auch ein Gefühl und auch eine Empathie letztendlich für eine andere Generation. Und so können die Alten lernen, dass Jugendliche total harmlos und nett sind und offen. Und so können Jugendliche oder Kinder lernen, dass alte Leute nicht nur griesgrämig und doof und blöd sind, sondern dass das, dass man da ganz viele Berührungspunkte findet. Und ich glaube, dass dieses gemeinsame Musizieren eben ein toller Schlüssel für eine offene Verständigung in innerhalb der Gesellschaft ist, für ein Verständnis, dass letztlich demokratisch und gesellschaftspolitisch einfach funktioniert. Und das Recht auf Bildung, also Recht auf lebenslanges Lernen ist ja auch gesetzlich verbrieft. So dass man sagt: Ja, genau dieses lebenslange Lernen voneinander, miteinander, umeinander kann eben über die Musik wunderschön praktisch umgesetzt werden.

Kristin Thielemann: Aber jetzt haben wir eigentlich ja dieses generationsverbindende Lernen kennen wir eigentlich aus Chören und auch aus der Blasmusik. Und ich tue jetzt bestimmt irgendwem Unrecht. Irgendeinem Verband, der sich dann hinterher bei mir meldet und sagt: Du hast uns vergessen! Ja, also im Grunde ist das ja bekannt. Wenn ich jetzt hier mal so gucke, in der Gegend, ist das üblich, wenn du hier jemanden ausgebildet hast und der kann einigermaßen spielen, ist so 15, 16 Jahre alt, dass die Blasorchester dann ankratzen und sagen: «Hast du nicht noch jemanden für uns? Der wäre doch jetzt soweit! Den haben wir neulich einmal bei einem Schülerkonzert bei dir gehört. Könntest du uns denjenigen nicht mal schicken?» Und da sitzt er dann aber möglicherweise auch neben jemandem der 60 oder 65 ist. Ich meine, das macht mal Spaß, aber es macht mehr Spaß, wenn es dann irgendwie ja auch noch junge Menschen in seinem oder in ihrem Alter dann auch noch gibt. Also ich finde, da muss man immer aufpassen, dass man das einigermaßen ausgewogen hält, dass dann auch die eigene Peergroup irgendwie noch da ist.

Barbara Metzger: Also das steht außer Frage. Die, die, die sollen ja nicht weg sein wollen auch nicht wegdiskutieren. Aber was eben da das Interessante ist, das ist jetzt eigentlich mehr so ein… Es gibt ja diesen schönen Begriff der generationsübergreifenden Aktivitäten. Und da habe ich immer das Gefühl, das ist dieses Quantitative. Also wir haben im Chor ab zwölf Jahren bis 80 - das ist quantitativ. Aber qualitativ und wirklich generationsverbindend ist die Arbeit eigentlich nur dann, wenn ich jetzt wirklich mir als Chorleiterin oder auch als Vereinsvorstand oder so was etwas einfallen lasse, was jetzt wirklich diese Generation verbindet. Und das könnte zum Beispiel sein, gemeinsam ein Konzertprogramm zusammenzustellen, gemeinsam die Moderation auszuarbeiten, gemeinsam einfach zu gucken, wie können wir uns eigentlich helfen. So wie das Beispiel mit Spotify… wie geht es eigentlich oder so. Also gezielt wirklich Aufgaben oder Impulse zu geben, dass ich nun gezielt diese Generation miteinander beschäftigen und deswegen können trotzdem dann in der Pause die Alten und die Mittelalterlichen und die Jungen mehr zusammensitzen. Das wird immer so sein, ist ja auch normal, weil was soll ich sonst für Themen haben? Ich will wissen, was in der Schule war und was der gemacht hat. Und ich als Ältere will wissen, ob er in dem Konzert war oder das gemacht hat. Das kann ja alles parallel laufen. Aber wie gesagt, wirklich Generationen verbindend, muss ein bisschen auch geleitet werden durch den Anbieter, durch die Anbieterin, indem man tatsächlich Situationen schafft, wo dann die gesamte Altersmischung auch zusammenarbeitet. Also ich kenne so Musical-Projekte, wo es zum Beispiel so gemacht wurde. Also viel ist es dann Projektarbeit, wo man sagt: Hey, die einen machen wir die Kostüme, die anderen tanzen, die anderen, die machen die Musik, die einen machen die Moderation, die nächsten backen den Kuchen und der dritte baut die Bühne oder so was. Also da gibt es, da gibt es ganz tolle Sachen, die dann so projektorientiert laufen, wo man wirklich dann auch wieder die Expertise, auch die außermusikalische Expertise der verschiedenen Altersgruppierungen ausnutzen kann und dann ist es eigentlich wirklich Generationen verbindend.

Kristin Thielemann: Darf ich noch eine Frage zur Finanzierung von solchen Projekten? Jetzt habe ich eine Freundin, die bietet seit Jahren die Familienkreativwoche an. Und sie hat immer Schwierigkeiten Geldgeber zu finden, weil es eben so heterogen ist. Und ja, was sage ich denn ihr jetzt? Ich meine, sie lebt, dieses generationenverbinden Musizieren, aber sie kriegt es einfach nur sehr, sehr schwierig finanziert.

Barbara Metzger: Ich kann es nur bestätigen Es ist auch so, weil viele Projektunterstützungen laufen, eben für Jugendliche oder für Kinder oder für Senioren, aber nicht für altersgemischte Gruppen. Das ist völlig richtig. Das heißt, da müsste einfach unsere Gesellschaft und gerade die die Politik oder die die Geldgeber, die also solche Projektgelder zum Beispiel auch finanzieren oder bereitstellen, die müssten einfach auch bewusst gemacht bekommen, dass es wirklich unbedingt auch um altersgemischte Gruppen gehen muss, wenn so was passieren soll. Das zweite ist, der Weg wäre natürlich, dass man zum Beispiel über eine Musikschule sowas veranstaltet. Musikschulen hätten einen oder haben ein großes, großes Potenzial, altersverbindende oder hier würde ich sagen, altersübergreifend überhaupt Menschen anzusprechen und dann altersverbindende, generationenverbindende Projekte zu starten. Und da sind ja dann Gelder da. Die Volkshochschulen, die Vereine und Ähnliches. die stellen teilweise auch für Projekte Gelder zur Verfügung und ansonsten unbedingt in Sponsoring auch reingehen. Also sei es Lions Club, sei es Rotarier, seien es sonst irgendwelche auch kirchlichen Geldgeber. Denen einfach schmackhaft zu machen und zu sagen: Hey, das ist ein Projekt, das ist wirklich unterstützenswert, weil es generationenverbindend ist. Also das hat im Prinzip heutzutage wirklich auch noch so ein Alleinstellungsmerkmal bisschen. Und vielleicht kann man damit auch wirklich werben, dass sie Gelder zur Verfügung stellen.